Unterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 10.

10]

Donnerstag, den 15. Januar.

( Nachdruck verboten.)

Der Müllerbannes.

Roman aus der Eifel von Elara Viebig. " Da müßt Ihr eben Geduld haben, liebe Frau," sagte Noldes, und Räsong annehmen- Ehestand- Wehestand, das mag wohl ein wahres Wort sein. Sei sie nur recht brav und freundlich zum Mann, da wird er auch schon zu Haus bleiben ei warum denn nicht?"

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Sie hatte stumm den Kopf geschüttelt.

No sicher, er hat et da ja auch sehr gut. Wann ich bedenken, die schöne Mühl Herr Noltes sah sich in seiner falten, kahlen, ärmlichen Stube um, deren einzige Bierde ein fleines hölzernes Crucifix war, hinter dem ein wenig geweihter Palm steckte fürwahr un enklich") den hat et ja noch besser, wie ich!"

Ach, die Angst, die Angst!" stöhnte die Frau. Sie hörte gar nicht recht auf das, was der geistliche Herr zu ihr sprach, sondern starrte immer vor sich hin mit dem gleich zagen, bangen Gesicht.

Was wollte die nur immer mit ihrer Angst? Angst

ei warum denn, ei wo vor denn? Der Pfarrer fragte sie, aber sie antwortete nicht, schüttelte nur stumm den Kopf und rang die Hände.

Durchs Fensterchen sahen die Berge schwarz und unge heuerlich in die Stube. Dem Noldes waren sie bisher nie düfter erschienen, heut angesichts der schwer sinkenden Nacht und dieser Frau, die wie gebrochen auf dem Schemel saß, wollte ihn was beklemmen. Da faltete er rasch die rauben, von Mühsal und Körbeflechten fnotigen Hände, faltete sie fest und innig, wie ein gläubiges Kind.

Heut:

"

Liebe Frauja , da muß sie beten, alle Abend, wie

Im Namen meines Herrn Jesu Christ , Der für mich am Kreuz gestorben ist, Leg ich nieder mich.

Derselbe segne mich.

Derselbe wolle mich behiiten in Gefahren Und vor allem Uebel mich bewahren. Heiliger Schutzengel mein,

Laß mich Dir befohlen sein."

VII.

Es war ein schlechter Sommer für den Müllerhannes. Oberwärts, an der Kleinen Kyll, die beiden Mühlen machten ihm viel zu schaffen. Er war nie hämisch gewesen, aber wenn er mun sah, wie die Bäuerlein mit ihren Säden den neuen Mühlen zustrebten, verzog er höhnisch die Mundwinkel: Neue Besen kehren gut! und dann fluchte er.

1903

war ihm der Handgaul gestürzt und hatte sich bös geschunden. Aber lieber die Pferde hin, als sich vom Merger über die Mühlen den Humor verderben lassen!-

Hier im Gewirr der Schluchten, gleich weit von Maar­felden, wie von Bleckhausen entfernt, lag ein Haus. Eine Hütte mur; von weitem gesehen, nur ein Vogelnest, das an nacktem Hang flebt, grau, schmutzig, unscheinbar. Gehörte es zu Maarfelden, gehörte es zu Bleckhausen? Keine Gemeinde machte sich was draus. Das Haus war verlassen. Wer es sich einmal erbaut, wußte man nicht; es war schon alt. Viel­leicht daß einstmals Pestkranke darin gehaust, Sieche, zu jener grauen Zeit, da die böse Krankheit noch umging, Krieg das Eifelland verstörte, und Mütter ihre Kinder schreckten mit dem Verschen: Bet', Kindchen, bet',

Morgen fömmt der Schwed',

Morgen fömmt der Ochsenstiern', Der wird die Kinder beten liehrn."

Wer es nicht nötig hatte, wollte wahrhaftig da nicht drin wohnen. So. lag auch das Neckerchen beim Haus verödet; niemand bebaute es.

Wenn Hannes hier unweit vorbeikam, und das graue Saus auf dem grauen Hang sich zeigte, peitschte er jedesmal auf die erschrockenen Pferde; ihm graufte vor dem trübseligen Anblick. Das Strohdach war verfault; die Läden lagen wohl vor dem winzigen Fensterchen, aber windschief, halbgelöst, hingen sie nur noch in den Angeln. Der Acer war vergrast, der Stall halb eingestürzt, die Bank vor der Thür zusammen­gebrochen, als hätte sich das Unglück zu schwer darauf gesezt. und ein Zugwind war immer, als ob alle Winde sich zwischen den Bergen verfingen und hier am grauen Haus aufeinander stießen und um die verlassenen Mauern heulten.

Huh, Gott bewahr'! Hannes war stets froh, wenn er die abscheuliche Hütte im Rücken hatte, und fing dann hell an zu pfeifen. Lag der Aufstieg nach Bleckhausen auch noch steil und beschwerlich vor ihm, man fam doch wieder unter Menschen, heidi, in die Welt, in der beladene Erntewagen über die staubige Chaussee schwankten, Mähderinnen in weißen Kopf­tüchern, die Sichel in der Hand, auf die Felder schritten, und Wirtshäuser gaftlich ihre Pforten aufthaten.

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Müllerhannes hatte in Manderscheid ein gut Teil Bekannte, die gern mit ihm zechten. Warum er gerade dahin ging? Er hätte ja auch andern Orts einfehren können, Wirtshäuser giebts überall, aber zu Manderscheid wohnte der Laufeld . Kam er nun dort ins Wirtshaus, so steckte er die Hand in die Hosen­mochten sie das dem Laufeld tasche und klimperte mit Geld erzählen! Das hoffte er. Hatte der nicht überall verbreitet, mit ihm gehe es rückwärts, er sei zu großspurig, betreibe sein Geschäft nicht mit Verstand und Eifer. Ho, was gings den Wenn er jetzt nach Manderscheid fuhr, vermied er den an,- wie er sein Geschäft betrieb?! Verstand- Eifer­Thalweg, obgleich der weitaus der kürzeste war. Wozu sich Eifer nun, er war doch kein Hausierer, der sich überall an­ärgern?! Das Echauffieren that ihm nicht gut; dann sprudelte bieten ging: mit Verlaub, laßt doch bei mir mahlen!" Er ihm das Blut wie ein Springquell zu Kopf, und vor den war auch kein Blutsauger, der den Leuten, die zu zahlen Augen wurde es ihm schwarz. So machte er lieber den großen zögerten, die letzten Groschen auspreßte. Es gab ihrer genug Umweg durch den Forst hinterm Mosenkopf herum, um im hierherum, die ihm etwas schuldig waren, aber er hatte nicht weiten Bogen die Chaussee, die von Eisenschmitt nach Mander aufgeschrieben wie viel, auch nicht, von wem er zu fordern scheid führt, zu erreichen. Oder er jagte gar über Stock und hatte no, sie würden ja schon alle mal von selber kommen Stein auf Holzabfuhrwegen durch die Schluchten gen Bled - und zahlen, wie der Bäcker Driesch! hausen, um von dort, von links her an sein Ziel zu kommen. Wer seinen Schuldigern vergiebt, dem werden auch die Es war nicht ungefährlich zu fahren. Die Näder stolperten eignen Schulden vergeben." das war recht kommod. Hannes und holperten in tiefausgefahrenen Gleisen, in deren Löcher machte sich gar nichts draus, noch einmal bei der Sparbank in man Steine geworfen. Snad- trach- da brach schon wieder Wittlich ein Sümchen aufzunehmen; wenn er nur die Zinsen etwas am Wagen. Aber mochte der auch zum Teufel gehen zahlte, merkte er ja gar nichts von dieser Schuld. Merkwürdig, mir nicht bei den neuen Mühlen vorbei! was man immer viel auszugeben hatte. Da hatte er sich letzt­Hott, hahr, Biest verdammtes!" So hatte Hannes früber hin einen staatschen Tuchanzug in Trier machen lassen, ein niemals auf die Pferde eingehauen. Sie strengten sich über die schwarzes Seidenkleid gekauft für die Tina und gestickte Hös­Maßen an; bald gings bergab auf glitschigem Wiesenrain, chen fürs Fränz, lang bis auf die Fußknöchel. Und der An­bald bergan, steil, auf Geröll. Die glatten Schieferstückchen schaffungen waren noch mehr. Schadet nichts, die Geld haben, prasselten unter den Hufen, die Gäule strauchelten, das müffens auch unter die Leute bringen, das ist nicht mehr als Chaischen rollte rückwärts. Schimpfend sprang der Herr ab Pflicht. Der Alte im Dorf sah zwar scheel dazu. Komisch, und riß die zitternden Braunen am Zaumzeug. Er mußte sich wie die Leut' mit den Jahren anders werden; früher war der dann doch entschließen, die eignen Beine anzuftrengen und dazu immer so nobel! noch die Pferde hinter sich drein zu zerren. Ein paar mal schon

*) Wirklich.

Der alte Matthes dachte nicht daran, seinem Sohn Vor­würfe zu machen, dazu hatte er ihn immer viel zu sehr be­wundert, feinen Hannes, seinen Jung; und jetzt vollends, da