er selbst alt und müde wurde und in die Erde hineinwuchs, während der andre sich immer mehr herauswuchs, breitete und wölbte und protte in Bollsaftigkeit, hätte er sich kein Wort ge­traut. Aber er war jest oft grämlich, und ließ der Schwieger­tochter mehr Gerechtigkeit widerfahren, als früher.

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Das Kind, die Fränz, war der Großeltern Sonnenschein. Stundenlang konnte der Alte es fertig friegen, mit der Fränz in seinem Gärtchen vor der großen Glasfugel zu stehen, in der sich der Kranz der kahlen Berge um's Maar so seltsam in wetterdrohender, banger Beleuchtung spiegelten. Dann kommandierte die Fränz, und der Großvater schnitt Fragen, daß sich sein Gesicht, in die Breite verzerrt, spiegelte, und die Enkelin sich zu Tod lachen wollte. Ja, die war ganz wie der Hannes, als der noch klein war; der hatte auch so hell gelacht, wenn ihm der Wille geschah!

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( Nachdruck verboten.)

Glatteis im Hochgebirge.

Jin Gegensatz zu den schneefeindlichen Städtern wünscht sich der Gebirgler schon im November winterliches Geflock zum Berg­fahren", d. h. Holz holen auf Schlittenfufen usw. Es soll aber ein ordentlicher" Schnee sein, törnig und hoch genug, um die vielerlei Arten von Wegen im Gebirge fahrbar zu machen und ein möglichst der Wettergott Launen gleich einer Theaterprinzessin, es kommt oft tiefes Eindringen in die Hochwälder zu ermöglichen. Nun hat aber ganz anders und gegen die Wünsche der Gebirgler. Eine gefürchtete Variation ist herbstlich mildes Wetter mit Auftauen tagsüber, dem über Nacht starter Frost folgt, oder gar Regen, der durch berstende Nachtfälte Glatteis erzeugt. Hält bei trübem Himmel die Bereifung der Straßen, Wege und Steige an, so ist Gefahr für Mensch und Zugvich gegeben in einem Maße, wie es sich der Städter faun denken kann.

Mit Steigeisen und Rupfen um die Schuhe getvickelt, kann zur

not ein vereister Weg gangbar gemacht werden; die Absturzgefahr wächst jedoch für den, der einsame Löcher, Baßsteige bei Glatteis begehen muß. Ja selbst Pfade im Mittelgebirge , auf Steilhängen, bergen Gefahr in sich, so harmlos solche Steige auch sonst find.

Jetzt freilich hatte sein Lachen ein andern Klang bekommen. Frau Tina schreďte jedesmal zusammen, wenn ihr Mann seine Lache aufschlug; es that ihr noch weh im Ohr: Haha hohoho!" ein Riesenlärm, und dazu das Schlagen auf den Tisch und das blutunterlaufene Weiß der Augen und das blau­Glatteis zählt mit zu den Schrecken des Hochgebirges, so da rote Aufquellen des stroßenden Gesichts. Da war's ihr noch lieber, er schäumte im Merger über, oder am liebsten, er war find: Hochwasser, Muhrbruch, Lawinengang, Steinschlag, Windbruch gar nicht daheimt. Früher hatte sie auf ihn gewartet, in Sehn- und Schnecdruck. Plötzlicher Eintritt von Gfatteis fann Einödbewohner noch fucht manche Nacht, jetzt fuhr sie zusammen, wenn sie seinen schärfer von der Welt absperren denn gewaltiger Schneefall, nur Tritt hörte. Und doch hatte sie ihn lieb. Es erdrückte fie nur, währt diese Aussperrung weniger lang als eine Einschneiung, es wie der Mosenkopf all die niedren Hügel des Thals. Sie ging folgt meist Föhn, der Warmwind, der aufleint"( auftant). Wenn nicht mehr zu dem geistlichen Herrn und klagte; fast schämte es aber auf Glatteis andauernd schneit, dann ist jene Gefahr da, die fie sich, daß sie das einmal gethan was sollte der Noldes nur der Gebirgler unter dem Namen" Bind- oder Staublawine" fürchtet. von Hannes denken? Der jagte nie einem Menschen was nach, Der Schnee liegt dann lofe und troden auf fteifgefrorenem Boden; lieber grob ins Gesicht aber fie, fie war hin gelaufen, ihn auf abschüssigen Hängen genügt die leiseste Erschütterung, die lose zu berlatschen! Der mitleidige Blick des Noldes war ihr jekt, fiende Schneemasse verliert den Halt und stürzt unter fürchterlichem Getöse thalwärts. Sturmartiger Wind steigert die Geschwindigkeit. fatal. Nein, ihr Hannes war doch ein Schöner und Starter, in entseglicher Weise, die Wind- oder Staublahn hat schon ganze mit dem sie einstmals brennende Liebe gepflanzt beim Rauschen Ortschaften vernichtet, die stärksten Wälder in wenigen Sekunden und Brausen, beim Schlagen und Bochen des lustigen wegrafiert. Dieser Lawinenart folgt fast immer namenloses Unglüd, Mühlenrads. gegen das es kein Vorbeugen giebt. Im bayerischen Hochland ist diese Paivinenart wenig oder gar nicht getannt, ihr gefürchtetes Wirken wird auf throlischem Boden fühlbar. Dagegen tennt man in den Grenzbezirten die Gefahren des Glatteises zur Genüge. Der Aelpler wird, so er zu Hause weilt, die Hilfsmittel gegen Glatteis bei dringenden Gängen anzuwenden wissen. Mißlicher wird es für manchen Gebirgler, der frühmorgens die Heimatliche Stätte verließ, den weiten Weg zur Amtsstadt pilgerte, dort vor Amt oder Gericht erschien, und spät abends unter veränderten Wetter- und Weg­verhältnissen den Marsch nach Hause antreten muß.

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Jetzt stand das Herz der Mühle oft still, und wenn es pochte, pochte es träg, als habe es selber teine rechte Lust mehr an feinem Gang. Schon wieder düsterten frühe Serbstschatten über dem Mühlendach und schauten fahläugig in die Fenster. Die Seele der einsamen Frau quälte sich. Auch um die Fränz bangte ihr. Die war als einziges Kind gar herrisch. Und üppig schoß fie auf, wie ein geiler Trieb, mit zehn Jahren schon wie eine, die einen langen Rock trägt. Sie hätte zu den lieben Nönnchen gemußt bei Zeiten, daß fie beschnitten ward mit der Gartenfcheere, fein säuberlich, wie ein junger Rosen­stod. So war sie ein Wildling. Ihr selber, das fühlte die Mutter, fehlte die Kraft für dies Kind. Aber der Hannes, dem sie's einmal zu vertraulicher Stunde flagte, lachte sie aus: Das fehlte noch, für ein Mädel so viel Geld auszugeben! Und die Großeltern wurden ganz aufgebracht: Das Fränz weg?! Die Schwiegermutter meinte ganz spitz:

Unten an der Mosel mag et eweil neumodich sein, die Mädcher in Penẞiohu zu thun, ich zweifeln net, aber bei oben, guter Lent Kinder, die bleiben derheem!"

Von der Mutter hatte die Fränz nur die schwarz- braunen Augen, aber sie blickten nicht sanft wie bei jener, fie glänzten und funkelten. Der Vater schaute ganz gern hinein, zuweilen, wenn ihm gerad einer gesagt: Sch gradelieren, Euer Fränz wird en Staatsmensch!"

Ein Bursch von etwa 24 Jahren, Franz P., toar zu Amt citiert worden und erschienen. Der Verhandlung folgte die reichlich mit dünnem Landbier begossene Agung, Geschäfte und Einkäufe mancher­lei Art, geschwägt wird bei solchen Gelegenheiten nicht zu wenig und auf die entschwindende Zeit und das Tageslicht nicht geachtet. Erst das Anstecken der Wirtshauslampen mahnt zum Aufbruch. schwind noch eine" Steh'halbe", die auf einen Schlud geleert wird, dann tritt der Bursch in die Finsternis hinaus und stammelt: Ohal Frisch ist's worden!"

Ge=

Will der Bursch vor Mitternacht die Heimatliche Schwelle er­reichen, heißt es tüchtig marschieren. Hierzu ist Frost eher erwünscht denn unangenehm; die Finsternis geniert den Gebirgler mit Luraugen nicht, dagegen macht sich der Harst", die Bereifung der Straße. bemerkbar, der Tritt wird unsicher, besonders dort, wo die Wagen­geleise vereist find.

Einige Stunden auf der buckeligen Straße geht es durch Wald, dann beginnt die Steigung, die verharftete Straße zieht aufwärts, der Paßhöhe zu, der Tau weicht zurück und schmiegt sich den Fels­Dann schoß ihm wohl plötzlich eine Erinnerung durch den wänden an. Ein Wasserfall rauscht zur Rechten der steilen Straße, Sinn an ein paar andre schwarz- braune Augen, die ihn glühend die auf einen Kilometer durch Holzgeländer gesichert ist. Wie oft hat Franz in finsterer Nacht diese Straße schon begangen, ohne an in Liebe und glühend in Haß angeblikt. Dat schwarz Luder! ein Berunglüden auch nur zu denken. Paffiert ist ihm nichts, selbst Ja, wo mochte die hin sein?! Neulich war der Herr in Fällen nicht, da der Kopf sehr schwer gewesen und die Füße un Reisende, der Simeon Levy, der die Müllergaze und andre sicher. Heute allerdings will es nicht recht vor- und aufwärts gehen, Mühlenartikel verkaufte, hier gewesen und der hatte von ihr daran ist das verfligte Glatteis schuld. Ein Schritt vortväris und erzählt. Ganz zufällig. Aber ob's wahr sein mochte? Der zwei zurüd, cin ftändiges Rutschen gemahnt daran, daß die Mit­war noch immer der alte Spaßvogel. Einst hatte der nahme von Fußeisen doch recht praktisch gewesen wäre. Wer nimmt Levy, als der Hannes noch mit der Seph auf den aber die schweren Eisen zu Ami mit! Und frühmorgens, bei lauer Witterung, hätte wohl feiner daran gedacht, daß es zum Abend Kirmessen herumzog, die auch sehr poussiert. Nun sagte Glatteis geben werde; der Franz wenigstens hat nicht an diese er: Er habe sie in Echternach zu Pfingsten springen gesehen wahrscheinlichkeit gedacht. Höllsatral" flucht Franz, als er, ohne --herrie, so fromm! und hernach am Nachmittag auf dem es gewollt zu haben, auf der Straße fizt. So ein Malefizeis!" Karussell herrje, so toll! Er habe sie nicht gleich erkannt, Es macht Mühe, auf die Beine zu kommen, doch es gelingt. höllisch eingepackt hatte die aber sie ihn wohl. An dies Scharf pfeift der Hochwind um die Ohren, fündend, daß die Bazhöhe und jenes ihn erinnert und nach allem und allen in der Heimat nahezu erflommen ist. Troß der Finsternises will heute fein Sternlein leuchten erfenut Franz, daß er in Büchsenschußnähe der gefragt. Neun Jahre hätte sie ihrer Zant', der Pfarrköchin zu Stelle ist, wo die Straße dem Höhenzug ausweichend nach links ab­St. Mattheis, im Haushalt beigestanden, nun sei die tot und zweigt, rechts in den Wald hinein aber der gut zwei Wegstunden habe ihr was hinterlassen, nun wolle sie in ein Kloster gehen. fürzende Gangfteig führt. Kein Gebirgler ohne Fuhrwert läuft die Die und in ein Kloster? Haha, hoho! Auch der Levy Straße, jeder stapft den kürzenden Pfad. Auch Franz biegt von hatte ihr's nicht glauben wollen die Baden wie Feuer, die der troß der Bereifung immer noch sicheren Straße ab. Doch schon Augen wie Feuer,' s Haar verstruwelt, und dann ins Kloster?! die geringe Steigung bis zum Waldessaum, berkktet erheblithe Schtpierigkeiten, der Pfad ist glattgefroren, Franz stürzt, flettert die ( Fortfehung folgt.) Böschung hinan und ruscht wieder zurück. Höllteufel, so a Schand­

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