Anterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 11.

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Freitag, den 16. Januar.

( Nachdruck verboten.)

Der Müllerbannes.

Roman aus der Eifel von Clara Biebig. Hannes mußte heut' noch lachen: wenn der Reisende ihn nicht zum Narren gehalten, dann hatte das Seph den Neisen­den aber gehörig zum Narren gehabt. Die und in ein Kloster! Eher kommen Berg und Thal zusammen, und Ostern und Pfingsten fallen auf einen Tag. Wer schwarz ist geboren, an dem ist alles waschen verloren. Ja, das Seph! Unwillfürlich wischte sich Müllerhannes mit der Hand über die Lippen, das war eine Staatsje") gewesen! So heiß hatte ihn nie eine andre umgefaßt, Kotzdonner! Die war ein feiner Schatz gewesen aber als Frau? Und wenn sie noch zehnmal reicher gewesen, als die Tina, ne, heiraten hätte er die doch nicht mögen, die wär' unbequem!

Und von einem seltenen, fast mitleidig zärtlichem Gefühl bewegt, rief er:

Tina, Tina, komm chs her!"

Als die Frau gleich gelaufen fam, ihn verwundert ansah ob des liebenden Tones, und ein wenig scheu zugleich, zog er sie zu sich, nahm ihr schmales Gesicht in seine breite Hand und füßte es ab. Aus einem kleinen Quell fann man auch seinen Durst löschen.

Gehorsam hielt sie still, aber in ihre Wangen schlug keine Flamme, in ihre Augen fam fein Strahlen.

Da fühlte er, daß er doch noch durstig blieb.

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In der ganzen Gegend, rund herum, schwatten sie viel über den Müllerhannes. Seit dem Thalerregen von dazumal war er der populärste Mann. Aber er hatte auch seine Feinde. War es nicht Sünde, das schöne Geld auf die Gasse zu schmeißen, daß Unmündige und Lungerer es auflasen und ver­thaten?! Ihrer etliche hatten sich bei der Jagd um die Thaler Beulen gestoßen und Schrammen gerissen; und noch waren Mütter von Kindern, die nichts erhascht, verfeindet mit Müttern von Kindern, die ja was erhascht.

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1903

einmal mit dem Herrn Noldes sprach? Ei was, nein, nein da empörte sich doch sein Stolz- dem armen Schlucker den Hannes ins Maul geben?!

Er trug es seiner Schnur noch heut' heimlich nach, daß die einmal beim Pfarrer geklagt; das Engelche hatte es seiner Frau verraten. Nein, nur nicht was unter die Leute bringen! Der alte Mann wurde rot und biß die Zähne aufeinander, und dann ballte er die Hände: die Schnattermäuler! Daß er denen nur die Schnut stopfen könnte!

Aber, als er so dasaß am Morgen und Stunden ver­grübelte, beschlich ihn doch eine Ahnung, daß es kein Segen sei um das von Geschlecht zu Geschlecht vererbte Gut. Nicht eigner Schweiß klebt daran und nicht eigne Mühsal. Der Hannes würde gewiß nicht so mit dem Geld schmeißen, wenn er's selber verdient hätte, Pfennig nach Pfennig!

Nun, am End' war ja noch nicht alles verloren, der Hannes wohl schlimm, wahrhaftig ein guter Jung, der ließ sich noch weisen. Und der alte Mann entschloß sich, ernsthaft mit dem Sohn zu reden.

VIII.

Lange war Mühlen- Matthes nicht auf der Mühle gewesen. Er ging nicht gern hin, es grämte ihn immer, wenn er das Dach sah, das er einst so schön mit Schiefern gedeckt und das jetzt an schadhaften Stellen mit Stroh ausgeflickt war. Das hätte der Hannes nicht thun sollen, das machte, gleich von der Straße her, feinen guten Eindruck.

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Heut' schien die Sonne recht freundlich auf das scheckige Dach hämisch dünkte den Matthes ihr Lachen. Den ganzen weg war er langsam gegangen, langsam zum Dorf hinaus, langsam am Maar entlang, langsam beim Fußfällchen*) vor­bei, nun, je näher er kam, desto langsamer war sein Schritt geworden. Zwei Lasten lagen auf ihm: das Alter und schwer. Sein Rücken, der früher so grad die zweite wußte er nicht zu nennen, aber sie war gleich allzuviel Säde hatte Mühlen- Matthes auch nicht auf den Buckel genommen war jetzt gebückt, gerundet, wie die Schale einer Schildkröte. Grau hing ihm die Franze eines spärlichen Bartes um die ebbes bringt kein Segen," sprach Wangen , und seine Hand stützte sich auf den Knotenstock. So Wann ich den Herr Bürgermeister beschwerlich war ihm der Weg noch nie geworden;' s war doch damit wies er mit dem Daumen in die Richtung von Maarfelden Band, aber die Sonne stach heut noch einmal verwünscht heiß. chon Spätherbst, in vierzehn Tagen ritt St. Martinus ins ,, ich thäten den unter Kuratel Sie brallte auf die Felsen der Straßenenge, daß aus Riven und ,, ich thäten den unter Kuratel Dies Wort wurde bekannt. Manche wollten sogar gehört Spältchen, all überall graue Eidechsen schlüpften und Schlängel­haben, daß der Laufeld gesagt: Den kömmt sonst zu bald auf chen, und sich, ehe es Winter ward, noch einmal sonnten. den Sund!"

Mer sieht et ja, so Laufeld im Gemeinderat. thät sein, ich thäten den" über die Schulter, ungefähr und dann spuckte er aus stellen."

Auch dem Alten, dem Mühlen Matthes fam dergleichen 31 Ohren. Da hatte er eine schlaflose Nacht und geriet mit feiner Alten aneinander.

Ein paar übriggebliebene, lästige Brummer furrten. Alle paar Schritt blieb der Alte stehen und lüftete die Müße mit dem Glanzlederschild und wischte sich den Schweiß ab, dabei fror ihn doch, obgleich er sein Sonntagszeug an hatte, den dicken, blauen Tuchrock und das halbseidne Cachenez um

den Hals.

Die weinte viel: Wer hatte denn den Hannes so erzogen, so aus dem Vollen, daß er's gewöhnt ward, he? Sie gewiß nicht, sie stammte aus bescheidenem Hause; ihr Vater selig Ach ja, die Sorgen! Wenn der Hannes mun Dummheiten hatte gearbeitet wie ein Pferd und um ein paar Seller sich die gemacht die Leute sprachen von Schulden! Josmarijusep!" Hände zerschunden. Nein, von ihr hatte der Hannes die Ver- Keuchend stand der alte Mann still, ihm ging der Odem aus. schwenderei nicht, gewiß und wahrhaftig nicht! Sie hob die Hände mit Zetern und verschwor sich hoch und teuer.

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Vom Mosenkopf her wehte ein Lüftchen, aber das drang nicht bis auf den Grund des Thales; hier war's stickig in der Halt Dei Maul," sagte der Matthes, aber dann sagte er eingesperrten Glut der Herbsonne. Nichts rührte sich, die weiter nichts mehr; er fühlte sich getroffen. Wenn er ehrlich Blätter des Buschwerks, das Reifnächte schon bunt gefärbt, war, mußte er sich's eingestehen: Nein, von der Mutter hatte standen unbeweglich an den Höhen, leuchtend wie rotes Gold der Hannes das Großthun nicht-Weiber sind meist genau gegen den lichtblauen Aether . Oben, auf dem Rücken des einen -cher von ihm. Aber und damit richtete er sich aus seiner Berges ging ein Gespann, wie Spielzeug erschienen Kühe und Zusammengefunkenheit auf- aber war er denn nicht auch der Pflug auf dem Felsgrat. Der Lenker in weißen Hend Matthes gewesen, der Sohn, der Enkel aus behäbigem Müller- ärmeln trat jetzt an den Rand, und schrie etwas hinab in die geschlecht? Sein Vater hatte auf der Mühle gesessen, der Schlucht. Großvater, wohl gar schon der Urgroßvater! Als die Eifel noch wüst war und leer, Maarfelden, das Dorf, nur drei, vier armselige Hütten, hatten sie schon regiert. Ein jeder hatte sie gekannt, ein jeder gegrüßt; die letzte des Grafengeschlechts, das Fräulein auf der Burg zu Manderscheid , war nicht mehr angesehen. Was Wunder, daß man weiß, wer man ist. Aber freilich, der Hannes der Alte rieb sich die Nase und kratte fich hinterm Ohr der trieb's doch zu arg- Thaler regnen Lassen zu Manderscheid , das darf mur der liebe Gott! Ob er

*) Stattliche.

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Matthes stutte-galt das ihm?

Jetzt hob der da oben die Peitsche und wies eifrig zum Ausgang des Thals.

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Hah der Alte redte den Hals neugierig- da kam eine Fuhre, neues Korn gewiß, und wollte zur Mühle.

Mit Hott und Hahr und Knallen und Schimpfen trieb der Fuhrmann im blauen Leinenfittel die starken Pferde an; zwei dicht am Wagen und noch eins als Vorspann vorneweg. Huh! mußte das eine schwere Fracht sein! Mühsam ziehend,

*) Heiligenbild.