Anterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 12.

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Sonntag, den 18. Januar.

Der Müllerbannes.

Roman aus der Eifel von Clara Viebig . Tina kehrte die trüben Augen nach ihm und schüttelte den Kopf:

,, Ne, aber hän fam e so spät nach Haus un, un­fie legte den Finger auf die Lippen.

Von oben dröhnte schon wieder die Herrenstimme: ,, Tina!"

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1903

( Nachdruck verboten.) gut Wort für ihn einlegen, falls er Martini die fälligen Zinsen nicht zahlen könne. Welch' ein Glück! Hätte er nicht zufällig diesen hochmögenden Mann, der alles unter sich hatte, Bücher wie Gelder, getroffen, au weh, dann müßte er in vierzehn Tagen zahlen und wie kann man denn immer gleich so viel bar Geld liegen haben?' s war ein ordentlicher Bazen dies­mal. Zu den dreitausend Thalern, die er dazumal auf­genommen, den Laufeld auszuzahlen, und für welche an der Bank eine Hypothek an erster Stelle zu vier Prozent gegeben, war im Lauf der Zeit noch ein Posten hinzugekommen, der den ersten um ein Beträchtliches überstieg, abermals eine Hypothek, an zweiter Stelle zu fünf Prozent. All die Zinsen auf einem Brett Martini hinzahlen Donnerwetter, das war feine Kleinigkeit! Schlimmstenfalls müßte man den Alten noch einmal angehn, aber besser so. Wahrhaftig, es hatte sich ver­lohnt, den Schmit zu traktieren, die Flaschen vom allerteuersten waren nicht zu teuer gewesen. Wenn der sich für ihn ver­wandte und er hatte es ihm hoch und heilig versprochen und vor Rührung fast dabei geweint war die Sache so gut wie erledigt, und er hatte Zeit zu zahlen. Ei, und warum sollte die Sparbank ihm denn nicht gern stunden? Die Mühle war gut und die Wiesen, die dazu gehörten, und die Aecker oben über'm Hang auch; der Müllerhannes war ihnen alle Zeit sicher.

Jan war besoff," flüsterte sie noch rasch. Tina," schrie der Müller, laß den Mann in der Küch' wat Gutes zu essen friegen Kotzdonner, Tina, hörste denn net?!"

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Ja, ja," rief sie zurück, und dann rannte sie in die Küche, der Fuhrmann folgte ihr.

Einsam blieb der Alte im Hausflur stehen. Seine Blicke flogen prüfend umher. Da war die Thür der Mehlstube, sie war offen, er ging hinein.

Rein weißlicher Mehlstaub flog drinnen umher und tanzte mit den Sonnenstäubchen um die Wette beim leisen Zittern von Gebälk und Dielen. Steine gefüllten Kornsäcke standen in der Reihe, die Schälmühle streute feine Hülsen unter sich; um­gestülpt lagen die Korbwannen, und unordentlich auf den Haufen geschmissen ein paar leere Säde. Kein Knecht war da, nur ein Huhn fuhr gackernd aus dem offen stehenden Mehl fasten, und ein paar Mäuse huschten in die Ecke.

Rot und blaß werdend, schnüffelt Mühlen- Matthes in alle Eden. So hatte es zu seiner Zeit hier nicht ausgesehen, da war immer Arbeit gewesen. Er horchte: Nein, das Rad ging wirklich nicht, auch die Kreissäge stand! War denn heut' Feier tag? Schier hätte man's meinen können, die Magd im Sonn­tagswichs, schaute jetzt gerade herein und prallte erschrocken zurück, als sie des Alten gewahr wurde. Sie wollte zur Kirmeß in ihr Heimatsdorf huh, der mit seiner Visasch konnte einem wahrhaftig die Lust dran verderben! Sie machte, daß sie weg kam; da war doch der junge Müller ein ganz andrer, wie der gute Tag! Eben kam er die Treppe herunter.

Vor der Thjir auf dem Frachtwagen thronte das Klavier­chen, ein Knecht hatte die Kiste aufgeschraubt, Fränz stand ihm bei und strahlte mit staunenden Augen: Ein Selavier, ein Klavier, man konnte zum Tanz aufspielen!

Ein paar Schrammen hatte die schöne Nußbaumpolitur abbekommen. Müllerhannes ging trotzdem schmunzelnd da­rum herum. Er war ja zu vergnügt, daß er's mun hier hatte - wahrhaftig kein Spaß, so einen Kasten durch die Eifel zu schaffen, Buckel auf, Bucel ab! No, für Geld kann man alles haben! Aber die Pferde sollten doch noch extra verpflegt werden, die hatten's redlich verdient! Er befahl die Gäule auszu­spannen und ihnen reichlich Hafer zu schütten. Fränz mußte zur Mutter laufen und Brot und Zuder holen; damit fütterte er sie vorerst und klopfte ihnen die Hälfe und belobte sie.

Er war so in seinem Pläfier, daß er den Bater nicht eher bemerkte, als bis dieser ihn auf den Rücken schlug. Da zeigte er freundlich seine breiten weißen Zähne: Vadder, Du bis et? Eso früh' haste Dich aufgemacht? Wat macht dann de Modder? Ne, Vadder, han ich en Freud !"

Der Sohn war so herzlich, daß es dem Vater schwer wurde, die strenge Miene beizubehalten. Aber er zwang sich dazu. Komm' in die Stub'," sagte er furz, als sei er noch der Herr.

Gutmütig folgte Hannes-no der Alte so feierlich, was wollte der denn?! Ungern trennte er sich von seinem Klavierchen.

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Mit den Fingerknöcheln in lebhaftem Rhythmus auf den Tisch trommelnd, sah Hannes erwartungsvoll seinen Vater an, der ihn mit einem seltsam fragenden, gespannten Blick anstarrte, ,, Willste wat, Vadder?"

Der Alte schluckte ein paar mal, der Hals war ihm ganz trocken, dann stieß er heraus: Dat Klavierche zum Donner noch ehs, wat willste mit'm Klavierche?"

Das Klavierchenaha! Nun wußte der Hannes auf einmal, das Klavierchen war's, das dem Vater nicht paßte.

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,, Saha, hohoho!" Er hob ein unbändiges Lachen an und schlug seinen Alten mit beiden Händen auf beide Schultern. Vadder, sei doch net eso von der alten Mod'! Geh doch nur fucken, oben beim Laufeld , da steht schon längst eins, et hat mich als immer geärgert. Aber eweil han ich en viel neuer, en viel schöner, o lau! Wat wird den falsch drüber werden. Aber, et is auch wahr, en Klavierche muß im Haus sein, wenn mer nur ebbes auf sich halten thut. Dat Fränz soll drauf spielen lernen."

Un wen thut et bezahlen?"

" Jeß Vadder,"-nun lachte der Hannes erst recht wieder - ,, dat is ja längst bezahlt!"

Be- bezahlt?" Der Alte starrte den Sohn an, sein ver­härtetes Gesicht fing an, sich zu erweichen. Der Junge hatte also doch Geld?! Er hatte das Klavierchen bezahlt?

" Fürwahr und enklich! Ich reden Dir neist vor. Wat denkste dann! Ich zweifeln, dat den zu Trier et hei erauf schicken thut bei uns in de Eifel, wann et net vorerst be­zahlt wär. O lau, so dumm, den thät sich wohl hüten!"

Das leuchtete dem Matthes ein. Wie eine Erlösung über­fam es ihn: Das Klavierchen war bezahlt, also der Hannes hatte Geld! Was die Leute auch alles klatschen! Der Junge hatte recht, nun grad, nun muß man zeigen, wer man ist. Was der Laufeld konnte, konnte sein Hannes noch lang! Aber dann beschlich ihn doch wieder ein leises Mißtrauen. ,, Wieviel kost' et dann?" fragte er.

,, Hat et gekost," verbesserte Hannes." Mach Dir keine Sorg drum, et fost net viel bloß en paar hundert Thaler."

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Bloß en paar hundert Thaler hundert Thaler!" Matthes war ganz starr. Und das sagte der Jung so leichthin; Drinnen lag der Hund auf dem Kanapee und wälzte den als wären hundert Thaler ein paar hundert Thaler- ein Riefenleib recht wie ein fauler, vierschrötiger Lungerer. Der Pappenstiel?! Hundert Thaler, die waren hier zu Land nicht Alte gab ihm einen Schlag mit dem Stock:

Gehste runter, Beest!" Bös knurrend wies Nero die Zähne. Runter!"

Laß hän doch, Badder," mischte sich Hannes ein und guate seinen Vater ganz verwundert anwarum war der Alte nur heut so mißgestimmt? Ihm selbst war heut' recht leicht zu Mut, leichter, als manchen andern Tag, an dem sich eben doch beim besten Willen nicht alles abweisen ließ hatte ihm doch heute Nacht beim ersten Hahnenschrei der Schmit von der Wittlicher Sparbank versprochen, er wolle schon ein

so reichlich, wie die Brombeeren an den Hecken. Wenn der Hannes auch sagte: Mach' Dir fein Sorg' drum!" Die kam ihm jetzt doch wieder.

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,, Hundert Thaler en paar hundert Thaler denn all dat Geld her?"

wo haste

" Oleicht!" Nun protte Hannes; wenn einer an ihm zu zweifeln begann, stieg's ihm gleich zu Stopf, er spielte sich auf. ,, Dat wär doch en elendig Trauerspiel, wann ich net emal hundert Thaler hätt, für auszugeben, wann ich dazu Lust han!" Er war beleidigt. Natürlich der Alte hatte was schwätzen hören