Anterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 17.

17]

Sonntag, den 25. Januar.

( Nachdruck verboten.)

Der Müllerbannes.

Roman aus der Eifel   von Clara Viebig  . Es war gut, daß Großlittgen   in Sicht fam und sie im Wirtshaus einen Augenblick absteigen konnten.

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Aber der Wein beruhigte den Alten nicht, im Gegenteil, der regte ihn auf. Was er sich sonst nie getraut hätte: er fing an mit dem Sohn zu zanken. War das eine Manier, so mir nichts, dir nichts nach Wittlich   zu fahren bei dem Wetter bei dem Wetter die Pferde abzutreiben und doch nichts auszurichten?! Er hatte es dem Sohn ja gleich gesagt, mit Klagen ist nichts zu wollen. Fleißig sein mußte einer und auf seinen Vorteil be­dacht, das war das Wichtigste ob dann noch zwei andre am Bach saßen oder nicht, war ganz egal; und was der Laufeld  schwätzte erst recht. Aber der große Herr sein und auf dem Klavierchen spielen, bringt kein Geld. Jesus  , wohin sollte es noch mit der Mühle kommen?! Er ergoß sich in Lamen­

tationen.

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Mit großer Geduld hörte sich Hannes das an, vielmehr er hörte gar nicht, seine Ohren waren nicht hier in der Wirts stube. Die lauschten einem Tritt, der eben draußen vorüber­gegangen und sich nun immer weiter entfernte, sich hinein in den einsamen Kunowald verlor.

Jacob Laufeld hate seine Geschäfte in Wittlingen   erledigt was brauchen die viel Zeit, wenn sie wohlgeordnet und glatt sind die beiden Müller, die er ganz zufällig hier unten getroffen, waren weitergefahren an die Mosel  , was sollte er nun noch länger allein in der Stadt bleiben, wo das Pflaster teuer ist? Es war noch früher Nachmittag, und das Wetter hatte sich etwas gehellt; erst gegen Abend ging die Post, bis die nach Manderscheid   fam, war er wohl längst daheim, das Geld konnte er sparen. Und so hatte er sich zu Fuß auf den Weg gemacht. Dicht vor ihm her kroch das Chaischen die Kehren herauf, oben auf dem Plateau hatte er es freilich aus dem Gesicht verloren, aber nun, da es vor der Wirtshausthür stand, überholte er es wieder. Beim Vorbeipassieren hatte er nicht acht, daß man ihn von drinnen gesehen; sonst wäre er vielleicht nicht so allein in den Wald gestiefelt, denn ein gutes Gewissen hatte er dem Müllerhannes gegenüber gerade nicht.

Vater und Sohn saßen derweil noch ein Stündchen. In seinem Aerger hatte sich der Alte ordentlich festgekneipt. Das Raisonnieren hatte ihm den Hals trocken gemacht. Und mußte er denn nicht auch raisonnieren? Er hatte seinem Hannes eine schöne Mühle übergeben mit einem schönen Dach, und eine gute Kundschaft dazu, er hatte ihm eine reiche Frau besorgt und was nun? Das schöne Dach war mit Stroh ausgeflicht! Und das Tina?!

Spar' Dein' Red'," brüllte Hannes jetzt und sprang jäh auf. Eweil han ich et satt- Wirt, die Rechnung!"

"

Mit vieler Mühe lotsten sie den steifen Alten auf das Chaischen; dort schlief er gleich in seiner Ecke ein, während Hannes auf die Pferde peitschte. Ein plötzlicher Gedanke war ihm gekommen, während des Vaters Räsonnieren wie ein murmelndes Bächlein nichtssagend an seinem Ohr vorüber­gerauscht, und er ins Glas gestiert, das der Wirt immer und immer wieder frisch füllte der da, der vorhin hier am Wirts­haus vorbeigegangen war, ganz allein auf Manderscheid   zu, der, der mußte noch einzuholen sein. Jetzt hatte der das freie Plateau verlassen, jetzt war der im Wald, er war wohl kaum am Liemerborn noch war der Kaisergarten, wo die Straße nach Manderscheid   rechts abführt, weit!

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Immer toller peitschte Hannes auf die Gäule, daß sie dahinstoben, gleich flüchtigen Rehen.

Nun öffnete der Wald seine Hallen, der Boden wurde weich, man hörte den Hufschlag nicht mehr. Hannes lachte grimmig in sich hinein: das würde eine schöne Ueberraschung geben für den Laufeld  ! He, Freundchen?" wollte er den anrufen- nein, Freundchen nicht- He, Schubjack" nein, Schubjack auch nicht, der Augenblick würde ihm schon das richtige eingeben. Und ins Auge wollte er ihn fassen hier nun so ganz allein wo nur die finsteren Waldbäume zu­sahen und über deren Wipfel weg der dräuende Mosenkopf- und ihm bis auf den Grund der Seele blicken. Du, wat haste

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1903

über mich geredt? Eweil sagste't auf der Stell', keine Ausred nu, fag't!"

Des Hannes Augen blitzten, er stemmte die Füße gegen die Bockwand, wickelte sich die Leine fest um die Linke und ließ mit der Rechten die Peitsche immer wieder auf die Pferderücken ſauſen.

Die Tiere rasten. Der Wagen schlenkerte und schleuderte, die tiefhängenden Aeste der Buchen streiften das Halbverdeck riz, raz- knack, krach abgeknickte Zweige flogen und auch ein Fegen vom Chaischendach. Wie Hagel prasselte das dürre Holz. Knall, Knall- immer nur weiter.

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der

Da war der Kaisergarten, jener Hain schlanker Fichten mitten im breitästigen Buchenwald  . Die Pferde schäumten ins Gebiß, ihre Flanken bedeckten sich mit Schaum Lenker stand jetzt auf dem Bock, er reckte den Hals und spähte wo war der Kerl?! Wo?! Da ging er! ,, Halt brrr!"

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XI.

Wenn Müllerhannes geglaubt hatte, der Laufeld   würde nun an ein Ausweichen denken, so hatte er sich geirrt. Der blieb gelassen stehen, als die Pferdeköpfe ihm plötzlich über die Schulter schnauften, nahm die Pfeife aus dem Mund, spuckte, stedte sie wieder in den andren Mundwinkel und rührte dann im ruhigen Weiterschreiten lässig an seine Mütze.

Aha, jetzt konnte der Kerl grüßen, der Schleicher, der Salunke! Jetzt, wo er nicht das Dorf hinter sich hatte, oder die beiden oben vom Bach, oder gar den Herrn Bürgermeister und den Gemeinderat. Ja, hier im Wald, so ganz allein, da wußte er, was sich gehört nein, doch noch nicht nicht bloß die Müze gerückt, ganz herunter damit!

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Im Bogen flog die Müze von des Laufeld   grau ge­sprenkeltem Haar und fegte in die nächste Regenlache.

,, Könnt Ihr Eure laufig Kapp' net vom Kopp thun, hr?" grollte der Hannes. Dicht stellte er sich vor den Laufeld   hin und maß ihn mit glühenden Blicken. Ich will Euch lehren, andre Reut  ' beschand maulen eraus met der Sprach' wat habt Ihr alleweil für en schandliche Red'?" " Ich, ich einen Augenblick sah der Laufeld   betroffen drein, er friegte einen roten Kopf, dann aber wurde er ganz blaß und preßte die Lippen auf einander." Play," sagte er furz, ich han fein Zeit."

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Er versuchte den ihm den Weg Vertretenden bei Seite zu schieben, aber der Müllerhannes stand wie eine Mauer. Die Müze hatte er schief auf einem Ohr, er sah sehr ver­wegen aus.

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Dem Laufeld   wurde es ungemütlich; nicht daß er sich fürchtete, als er noch jung war, hatte er bei jeder Keilerei feinen Mann gestellt, und jetzt war er ja des Schutzes aller Heiligen gewiß aber unwillkürlich faßte er doch den derben Wanderstock, dessen Spike eine eiserne Zwinge trug, fester.

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Müllerhannes sah die Bewegung und mißverstand sie. Ein Griff seiner mächtigen Faust und der Knotenstock war seinem Besitzer entrissen und flog der Müße nach, ein Stück weg in den Schmutz.

,, Wat- hauen wollt Ihr Ihr Ihr?" brüllte er, is et net genug, dat Ihr mir gebrannt Herzeleid anthut? Hauen wollt Ihr auch noch?!" Er packte den Laufeld   vorn am Rock und schüttelte ihn; er hörte gar nicht, was der sagte, er war wie von Sinnen. All die lang unterdrückte Wut, die gefränfte Eitelkeit, und ein Schmerzum was, ja, um was?- verlangten gebieterisch ein Austoben. Ihm war, als habe er tausend Jahr geschlafen, wie der alte Straterberg da oben, aber nun brachen sich Gewalten Bahn, die in seinem Innern geruht, und stürmten los. Feuer und Schwefel- nun war kein Einhalt mehr.

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" Du Kalmäuser,*) wat haste gesagt? Ich thäten kaput gehn Hallunk, Lügner! Ich gehn noch lang net kaput! Blau, komm ehs her, probier, ob Du dat riskierst?" Er ließ den Rock, an dem er den andern fortwährend hin- und her­geschüttelt, fahren, streifte sich mit einer krampfhaften Haſt die eignen Rocärmel in die Höhe und riß die Hemdprisen auf, daß seine starken, festen Arme sich entblößt zeigten. Er schüttelte die Arme überm Kopf: Nu probiert!"

" Ihr seid besoff," sprach Jakob Laufeld gemäßigt, der immer noch hoffte, die Sache gütlich beizulegen. Er hatte keine *) Scheinheiliger.