Anterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 22.

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Sonntag, den 1. Februar.

( Nachdruck verboten.)

Der Müllerbannes.

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Roman aus der Eifel von Elara Viebig. ,, Raß mich in Ruh!" Hannes wehrte ab, und dann saß er, immer mit der Hand über den Augen und sagte kein Wort. Nicht einmal kutschieren sollte er mehr?! Das that der Knecht, den der Vater mitgebracht. Wie zockelig der fuhr- hott, hah, hah, hott" jeden Stein nahm er mit, und so langsam, als hätte er eine Leichenfuhre hinter sich, aber keinen lebendigen Menschen, den's nach Hause ver­langte! Das war nicht zum Ertragen!

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In brennender Ungeduld saß Müllerhannes- das hatte er gar nicht gewußt, wie sehr ihn doch seine Mühle zog seine Mühle, seine Mühle. Wenn er die nur erst wiedersah! Zu Trier , zwischen den Mauern war die immer vor ihm auf­getaucht und hatte ihr Bild in seinen unruhigen Träumen aufgestellt das Rad hatte geschaufelt, das Wasser rauschend geperit jezt däuchte es ihn, alles würde besser, war er nur erst in seiner Mühle!

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" Ah!" Er atmete tief und sog die starke Luft ein, die, wunderbar rein, vom ersten Lebensduft der Wälder ge­schwängert, gewürzt von allerlei blühendem Kraut, und sonnen­froh über die Höhen zog. Ah, das that gut! Schon fühlte er fich wieder gekräftigt. Er nahm die Hand von den Augen. Nein, das sollte der Laufeld doch nicht erleben, daß er flein beigab nie!"

Matthes war sehr erstaunt, als der Sohn befahl, im nächsten Dorf am nächsten Wirtshaus zu halten. Du sollst doch net," stammelte er, den Herr Doktor hat doch gesagt, Du dürfst net!"

Hannes warf den Kopf in den Nacken. Meine Sach!" Er ließ drei Glas Bier herausbringen und drei Schnäpse. " Zum Willkomm, Badder! Prost Manes!"

Sie stießen an, Hannes leerte sowohl Schnapsgläschen, als Vierglas auf einen Zug, und der Alte wagte nicht, ihn daran zu hindern. Er war ja bloß froh, daß sein Hannes wieder vergnügt war.

Der Mosenkopf flimmerte im goldenen Glast, als sie ihn jetzt endlich zu Gesicht bekamen. Wie ein roter Ball lastete das Rund der sinkenden Sonne auf seinem Gipfel, ein ganzes Bündel Strahlen schoß von dorther über die grünen Matten himunter. Die schwarzen Lavablöcke, die als zackiger Kamm oben den Krater umgaben, darin ein kleines Maar träumt, standen kolossal gegen den lichtdurchtränkten Aether. Selbst in ihrer Schwärze war heut Gefunkel; als fäßen Diamanten im porösen Gestein, so blinkte und glitzerte das. Und je mehr die Sonne sant, je tiefer sie hinter den Vergrücken rutschte, desto leuchtender die Felsen. Sie glühten nach, sie wurden tief purpurn, als hätten sie alle Sonne geschluckt, während der Himmel sich schon zart entfärbte. Weiße Wölfchen mit rosigen Säumen ruderten langsam, schwanengleich, über das leuchtende Berghaupt. Unten im Gewirr all der niedrigeren Hügel und Schluchten wob schon Dämmer.

Kotzdonner, dat is eweil schön!" Hannes hatte die Brille abgenommen; ihn dünfte sie wie eine Scheidewand zwischen sich und seinem Berg. Nie war ihm der so schön er­schienen. Nun er ihn Wochen entbehrt, wußte er erst, was er an dem hatte. Wie er sich stolz erhob, wie er glänzte! Der gezaďte Kamm der Kraterfelsen wurde zur goldenen Krone, während alles, andre schon unscheinbar im Schatten lag.

1903

Vier Wochen im Bulles ist noch keine Schand', und daß er dem Laufeld eins ausgewischt, des war er doch noch froh.

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Und alles andre?! Nun, alles andre würde sich auch wieder machen wie hatte doch der Doktor zu Trier gesagt? Nur feine Erregung, fein Echauffenient, immer hübsch cuhiy ja, das wollte er auch, fein ruhig bleiben, sich nicht auf­regen. Wenn der Laufeld sich vielleicht dachte, oder sonst irgendwer, daß er sich nun ärgerte, weil er unrecht gekriegt hatte, so irrten die sich die Hunde, die Kläffer, das feige Gesindel! Erst recht wollte er den Nacken steif machen: blaf' mir den Staub weg, Platz für den Müllerhannes nun erst grad'!

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Und er faßte sich nach dem Genick, und dann nach dem Hinterkopf und dann nach den Schläfen in denen fing es plötzlich an zu stechen vor seine Augen, die den leuchtenden Berg nicht losließen, legre sich schnell ein Nebel. Er hatte zu sehr in die Sonne gestarrt, nun wurde es ihm schwarz vor den Augen finstere Nacht. Er rieb und wischte, ihn schwindelte der lichtvolle Berg blieb versunken; hinter das sich drehende Gespinst schwarzer Punkte, Kringel und unruhiger Farbflecke war die freudige, strahlende Aussicht entrüat, als wäre sie nie gewesen.

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Es dauerte eine Weile, bis Hannes wieder sah. Er hatte sich setzen müssen und die Brille aufthun.

Nun war's wirklich Nacht, als sie von hinten herum in Maarfelden einfuhren und endlich bei der Mühle anhielten. Hannes war steif geworden von der langen Fahrt; schwer­fällig kletterte er vom Chaischen herab, er fühlte, trotzdem er jetzt auf dem Boden stand, seine Beine noch nicht recht. Der Hund, der mit wildem Freudengeheul an ihm emporsprang, ihm die Tatzen auf die Schultern legte und mit der langen, dampfenden Sunge nach seinem Geficht leckte, hätte ihn schier umgerissen, so unsicher stand er: Kusch, Nero, kusch, ver­dammtes Biest!" Aber doch war's ihm lieb so der freute sich doch noch wenigstens bei seiner Rückkehr! fichtigen Schrittes ihrem Manne näher. Sie gab ihm die In der Thür stand die Frau und kam langsam, vor. Hand: Tag, Hannes!"

Von Fränz war nichts zu sehen. Stonnte sie nicht einmal da sein, wenn ihr Vater zurüdfam? Wo stedte fie?!

Die Mutter wußte es nicht; sie begann gleich zu flagen: das Fränz sei gar so unbändig, nicht zu halten, immer trab, bis gen Manderscheid lief sie, man wußte nie, wo sie war. und immer ein Rudel Jungen hinter sich!

Der Vater lachte dazu. Aber als die Frau fortfuhr: der thue ein Jahr bei den lieben Nönnchen gar sehr not" wurde er ungeduldig und schlug auf den Tisch. Mußte sie ihn schon wieder reizen? Wußte sie denn gar nichts andres zu sagen, als gerade das, was er nicht hören mochte?! Und er wollte gern Lustiges hören, er gierte förmlich danach, es that ihm so not, wie der Sonnenschein dem kränkelnden Baum. mußte sie immer das gleich wehleidige Gesicht machen, und nun blühte doch alles draußen, es war Frühling sah sie ihn nicht?

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Doch, doch! Ihre matten Augen glitten zum Fenster, hinter dem jetzt, sanft verschwommen im weichen Lenzabend, die Berglehne aufstieg. Grillen zirpten, es flang traulich; aber unter den großen Klettenblättern im feuchten Grund beim toten Mühlenrad klagten die Unfen. Fröstelnd zog die Frau das schwarze Tuch, das sie um die Schultern trug, fester über der Brust zusammen. Sie sagte nichts, aber der Mann merkte es an der Starrheit ihres verlorenen Blicks, an dem jähen Erblassen ihrer zuckenden Lippen, sie sah hier- hier an der Stelle, wo jetzt das sich anklammernde Buschwerk lieb­lich grinte und Ginsterstanden von goldenen Blüten troffen, wieder das schwarze Unglück über der Mühle hängen.

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Er konnte den Blick gar nicht abwenden. In diesem Strom von Licht hätte er untertauchen mögen, sich ganz darein Schwer stützte er den Kopf in die Hände. Nun hatte baden. Unwillkürlich war er aufgestanden; und nun reckte er sich so auf die Mühle gefreut, aber merkwürdig, seit er er sich und streckte den bis jetzt frimm gehaltenen Rücken, als drin war, hielt's ihn wieder gepackt wie mit Krallen, das bange müsse er dem stolzen Verg da entgegenwachsen. Seine Arme Gefühl unabweislicher Sorge. Gehört dir noch das Dach, breiteten fichah, der Berg, der Berg! Und wie der Hannes unter dem du wohnst?! Gehört dir noch das Vieh, das im von chedem öffnete er den Mund und ein langgezogenes, dunstigen Stalle schnauft, gehört dir noch das Mehl, das du starkes Jauchzen weckte das Echo. Ein befriedigtes Lächeln bäckst?! Das Brot, das du issest, der Pfühl, wo du dein Haupt alles spielte dabei um seine Lippen: mochten sie ihn hören, die dort legst?! Was, he, wie viel gehört dir davon in den Häuschen von Bettenfeld auf dem grünen Vorgarten etwas oder gar nichts mehr?! des Riesen, mochten ihn auch jenseits des Bergrückens die weißen Mühlen im Grund hören! Der Vater hatte recht: Teise,

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Se han auch geschrieben von der Mosel ," sagte die Frau dat dem Vadder sein Haus nu verkauft is. Schon