C
146
-
-
Während der Alte so nach dem Berg schaute, angestrengt, als müsse er jede Schrunde im Lavageklüft erkennen, jeden Vogel, der da rastete auf freier Höh', schaute die Tochter nach den Aeckern der Manderscheider. Die waren beffer, als ihr Aeckerchen daheim. Was sie dem auch anthat- und sie ließ sich's nicht verdrießen an Arbeit und Mühe es wollte noch nichts Rechtes tragen; mit der Zeit freilich würde sie es schon dazu zwingen, es mußte, es mußte fruchtbar werden! Sie preßte die Lippen aufeinander und der trozige Zug, der früher oft ihr hübsches Gesicht verunziert, erschien wieder, aber jetzt war's mehr Willenskraft als Troßz.
-
es
heut, is et morgen ich warten Sen Mosenkop un ich, nächsten Tage lief ich verträumt umher. Meine Mutter wollte mich gelt" er nickte dem Berg zu ,, mir zwei sein dauerhaft!" wohl aus dieser melancholisch scheinenden Stimmung aufmuntern, Thatsache ist jedenfalls und das war der zweite Glüdsfallsie spendete mir zwei gute Groschen. Kein Zweifel, es war des Himmels Fügung, die mich zum Dichter bestimmt hatte. Denn mit den zwei guten Groschen schlich ich verstohlen in ein Lädchen blüht heute noch in bescheidener Enge und erstand scheu, als beginge ich ein Verbrechen, ein- Notizbuch. Es war ein schlankes eft mit einem schwarzen Pappdeckel, auf dem filbern eingeprägt war:" Notes". Und es war ein Papier eingeheftet, so grau und brüchig, wie es heute kaum noch die Düte eines Dorffrämers ist. Und dann setzte ich mich an zwei aufeinander folgenden Tagen hin, in der Dämmerstunde, wenn niemand mein Thun beobachtete, und schrieb mein erstes Werk. Unterbrochen wurde der schäumende Rausch des Schaffens nur dadurch, daß häufig die Feder in dem rauhen Papier stecken blieb und nur mit Niemals habe ich ein schlechteres Gewissen und ein stärkeres Glückseiniger Mühe aus den faserigen Widerhaken befreit werden konnte. gefühl verspürt. Als ich aber das Werk vollendet, versteckte ich es forgjam in irgend einen Winkel und schwieg. Etsch , mum wußte niemand, daß da ein Schatz verborgen war! Es war der Welt schon recht geschehen. Außerdem lag auf dem Grunde meines Bewußtseins leise Furcht, man würde mich auslachen.
-
Die Fränz wollte arbeiten gern arbeiten. Arbeiten will gelernt sein, und sie hatte es jetzt gelernt. Wer ihr das früher gesagt hätte, daß sie mit hochgeschürztem Rod, mit nadten Beinen in den Furchen knien, sich die Waden zerstechen laffen müßte von unbarmherziger Sonnenglut, sich dann wieder die Hände erfrieren, daß sie rauh wurden wie eine Esaus Haut? Keine Schand! Sie warf die Lippen auf. Aber annehmen, was mildthätige Leute geben und sie hatte es annehmen müssen, wollten sie nicht verhungern das fraß ihr am Herzen. Gedanken, die sie schon einstmals gehegt, als sie zusammengebrochen war vor Entsetzen beim ersten Anblick der zerfallenen Hütte des Abbaus egten sich wieder, wurden deutlicher und deutlicher in ihr, wurden zum Entschluß. Was schadete es ihr, wenn der Bauer trieb:„ Geh bei de Rummeln, mach', mach'!" Und wenn die Bäuerin schalt: Wit, wit, faul' Mensch, hol'. Wasser, melt' de Küh'!" das focht sie selber nicht an, das galt nur ihrem Mägdekleid. Drunter blieb sie doch, wer sie war und wenn einmal der in der goldenen Kutsch' kam, von dem sie früher geträumt, dann war sie doch noch des Müllerhannes Fränz! Freilich der in der goldenen Kutsch' brauchte mir ein waderer Acersmann zu sein der
that's auch!
Einen leisen Seufzer stieß die Fränz doch aus, als sie dies dachte, und dann sah sie wie im Licht eines Blites den Laufelds Josef vor sich stehen, aber ebenso rasch wieder verschwinden. So ein Fürnehmer hätte auch ihr getaugt.
Sie sah ihn in seines Vaters Hausthür stehen, rauchend und mit seiner Uhrkette spielend. Ob der denn nie etwas andres that?! Pah, er war im Grunde doch nur ein Lumperer! Ihre Lippen fräuselten sich verächtlich. Sie dachte nicht daran, daß sie ihren Vater so auch hatte auf der Hausthürschwelle stehen sehen, Wochen Monate- Jahre; die paar Jahr der Not zählten dreifach, zehnfach was hinter denen lag, hatte sie vergessen. Wenn die Großmutter nicht gewesen wäre, die immer so jammerte und mit dem Vater grämelte, und wenn das Almosennehmen nicht wäre aber das wenigstens mußte anders werden, das sollte bald aufhören hätte sie sich nicht unglücklich gefühlt, so wie es jetzt war.
-
-
-
( Schluß folgt.)
Sonntagsplauderei.
Um den Fortschritt der kapitalistischen Technik auf dem Gebiete der Kunst zu verdeutlichen, bin ich genötigt, von mir zu sprechen Geschichtliches aus dem Dasein Jocs. Ich thue das um so lieber, als ich damit dem Sonntagsplauderer, der mir einmal den Nachruf schreiben wird, willkommenes Material liefere. Bitte also das Folgende auszuschneiden und aufzubewahren, wie Scherl mahnen
würde.
Ich war ungefähr neun Jahre. Da kam eine Zeit gedoppelten Glückes über mich. Erstlich hatte mein Vater mich zum erstenmal in das Walhalla- Theater mitgenommen. In dem Hause der Char Lottenstraße, to jest Paul Lindau ein Jahrzehnt der dramatischen Litteratur mitt- Heidelberg " ausfüllt, ging es damals anständiger zu: Man bewunderte Kunsttaucherinnen und Kunstschüßen, ergößte sich an schwarzen Spufgestalten, die plöglich ins Riesige wuchsen, um ebenso plötzlich ins Zwerghafte zusammenzuschrumpfen; und da zwischen spielte man harmlose fleinbürgerliche berlinisch verfärbte Boffen, wie man sie heute gelegentlich noch auf den Sommerbühnen der Vorstadt sieht. Das Specialitätentheater war zu jener Zeit noch frei von dem faden Lebemannsgeruch und dem zappligen Ausstattungswahnsinn der Gegenwart, blieb allerdings auch in den raffinierten Leistungen weit zurück.
Meinen Litterarhistorikern sei die betrübende Kunde unterbreitet, daß dies Erstlingswerk unwiderbringlich verloren scheint. Gelegentheften und sonstigen Kunstübungen, darunter auch die" Notes"... lich eines Bodendiebstahls verschwand eine ganze Stifte mit SchulObenauf in der Stifte lagen nämlich Federbetten. Ich kann also auch nicht im Einzelnen mehr erzählen, was in meinem Drama stand. Aber das Eine weiß ich, daß ich als rechter Bourgeois- Bube die Dienstmädchenfrage behandelt hatte. Ein niederträchtigeres Dienstmädchen hat niemals in der Litteratur und auf Erden gelebt. Ich erinnere mich genau, daß das Scheusal seiner Herrschaft statt Kalbsleber mein Lieblingsgericht in jenen Jahren gefottene Stiefelfohlen auf den Tisch brachte. Aber ich habe den Eindruck, daß ich der frechen Person eigentlich meine dichterische Sympathie gewidmet hatte. Denn ich ließ sie sie mit fühner Ent schlossenheit auf einmal das Gesindejoch brechen und schenkte ihr obendrein zur Belohnung einen strammen Bräutigam, während ich die brave Herrschaft in lächerlichen Nöten zurückließ. Fast glaube ich, daß ich schon damals für die gute Welt ein wenig verloren war.
-
-
Und als eines
Einige Monate schlummerte das Werk in seiner stummen Ecke. aber je länger es lagerte, um so heftiger bohrte mich das Gelüft, das holde schreckliche Geheimnis zu offenbaren. Tags die Rede darauf kam, was man besonderes zu einer Geburtstagsfeier anrichten solle, da holte ich mein Stück und schlug zitternd vor, es aufzuführen. Die Anregung wurde mit ungeahnter Begeisterung aufgenommen. Die Rollen wurden sofort unter die Verwandtschaft geteilt und am nächsten Sonntag ging meine Dichtung in unsrer Berliner Stube in Scene. Ich selber spielte mit. Wir hatten einen ungeheuerlichen Erfolg. Man lachte Thränen und flatschte unsinnig. In jener Stunde wurde ich zum ersten und letztenmal aufgeführt. Niemals wieder hat mir eine entzückte Zuhörerschaft Beifall geklatscht. Und ich glaube, das Stück war nicht einmal orthographisch richtig geschrieben
So behandelte man damals dramatische Familienangelegen heiten. Wie sind wir doch seitdem gewachsen! Das Ereignis, daß der Sohn oder die Tochter des Hauses Stücke schreibt, wird heute besser gewürdigt, und es kann nicht mehr vorkommen, daß Bettendiebe zugleich dramatische Dichtungen für immer der Welt entziehen.
In dieser Woche wurde ich mit der Einladung beehrt, im " Theater des Westens " der Erstaufführung eines Werkes König Tod von Hans Erdmann " beizuwohnen. Ich wähnte eine neue Oper und ging arglos. Als ich mir aber für den Wucherpreis von 20 Pfennigen den Theaterzettel erstanden hatte, erblaßte ich: benan im Personenverzeichnis stand" Heinrich VI. von HohenVerurteilt zu staufen, deutscher Kaiser und König von Sicilien". einem Hohenstaufen- Drama- das war mir seit zwanzig Jahren sicher nicht begegnet.
Von dem Drama Hans Erdmanns weiß ich nicht mehr viel. Einmal bemerkt die Gemahlin Heinrichs, Constanze vorwurfsvoll:„ Du haft mich nie geliebt, Heinrich!" Und ein andermal antwortet ein merkwürdiger Sarazenen- Emir auf die Frage Heinrichs:„ Hast Du Immer!" jemals geliebt?" das erschütternd einfache Wort: Allerlei Requisiten- Bech die Dekorationsgegenstände hatten eine verhängnisvolle Neigung ins Publifum zu flüchten- machte den Abend wenigstens teilweise unterhaltsam.
Aber die Umstände, unter denen diese Dichtertaufe vollzogen wurde, haben ein gewisses fulturhistorisches Interesse. Sie beantworten die Frage: Wie wird man aufgeführt?
Die Vorstellung gab sich zum Besten der Berliner Rettungsgesellschaft". Das ist eine nügliche Einrichtung, bestimmt, bei Unfällen und plötzlicher Erkrankung erste Hilfe zu leisten. Zur Rettung Eine dieser Possen hatte nun meine Seele ge- dramatischer Unfällen war sie bisher statutengemäß nicht verpflichtet. fangen genommen. Zum erstenmal blühte meine Phantasie An jenem Abend aber trat solche Eriveiterung der Thätigkeit in die unter dem Anhauch der Kunst gewaltig auf, und schon auf Erscheinung.
11
dem Heimweg brannte in mir der stolze Gedanke: Das Jm Theater war ein Publikum erschienen, wie man es sonst fannst Du auch." In der Nacht wachte ich auf und bemerkte, daß nicht sieht: die hervorragendsten Aerzte Berlins , die üblichen ich im Traum bereits mein Drama zu dichten begonnen hatte. Am Spigen der Behörden, Finanzgenies der höchsten Steuerstufen. Im