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Na, was ist denn noch!" Aergerlich wandte sich der Prin­Herein!"

Ein Arbeiter trat herein:" Ich wollt'' mal fragen, ob ich nich heut'' n paar Stunden früher gehen könnt'."

übrigen benahm fich das Publikum ganz wie jenes winzige Familien­publifum, das mir einst zujauchzte. Es flatschte mit rührender Hin- zipal: gebung und nach dem dritten Aft so hartnäckig, daß auf der Bühne ein fleines, licht gekleidetes, über den Ohren auffällig frifiertes Fräulein erschien und sich sehr vergnügt verbeugte. Auch nach dem vierten Aft ließ die glückliche Poetin sich von den Schauspielern auf die Bühne ziehen, um sich abermals strahlend zu neigen. Es war sicher eine Lebenswende in Hans Erdmanns Dasein, welche in der Wirklichkeit des Einwohnermeldeamts die Tochter eines um die Rettungsgesellschaft verdienten Arztes ist.

Das ist der Fortschritt in der Behandlung dramatischer Familien­ereignisse. Man führt sie nicht mehr am häuslichen Herd bescheiden auf, sondern sie dringen unmittelbar in die Mitte der Deffentlich­feit. Ein großes Theater wird gemietet, ein Haufen guter Schauspieler wird zusammengetrommelt, fie müssen ihre Kraft für den landläufigsten Dilettantismus hergeben, ein Wohlfahrtsinstitut wird durch gesellschaftlichen Zwang aufgeboten, die Presse wird be­unruhigt und die Kritik benutzt, die denn auch richtig prompte Rezensionen lieferte, während sie von den bedeutendsten und echtesten Erscheinungen der Wissenschaft und Kunst keine Kenntnis nimmt und giebt. Und zu alledem hat gewiß Hans Erdmann   eine Kleine Mit gift geopfert, um ihr Wert auf der Bühne zu sehen. So zwischen 3 bis 4000 Mart kostet die Geschichte nach meiner Schäßung sicher, und dazu kommt dann noch der Wohlthätigkeits- Ueberschuß an die Rettungsgesellschaft, der doch anständiger Weise aufgebracht werden muß. Dem holden Fräulein und ihrer Familie ist gewiß das Talent neidlos zu gönnen, und auch die Sichtbarmachung der Ein­gebungen ihrer gut erzogenen Phantasie aber was soll das Auf­gebot der gesamten Deffentlichkeit? Was gehen uns diese dichterischen Privatangelegenheiten an?

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Was ist los? Früher woll'n Sie gehen? Ja, ist Ihre Frau gestorben oder Ihre Großmutter?"

Nee." Der Arbeiter lachte." Gestorben is gar teener. Ich hab' was andres vor."

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Er hat was andres vor! Haben Sie gehört, Müller?" Müller lächelte. Das Fräulein auch.

Der Chef trai auf den Arbeiter zu:" Was heißt denn das, he? Was andtes! Vielleicht darf ich Sie um eine etwas bestimmtere Auskunft ersuchen. Aber möglichst kurz! Ich bin preffiert." " Ich hab' Besuch gekriegt. Von außerhalb. Na, und da wollten wir uns Verschiedenes anſeh'n."

" Verschiedenes anseh'n! Haben Sie gehört, Müller? Rum bummeln, wie? Von einer Kneipe in die andre! Das kennen wir doch, Freundchen!" Sie fönnen's mir ja abzieh'n."

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Sehr freundlich! Vielleicht bezahle ich's Ihnen noch, wenn Sie fich amüsieren! Nee, mein Lieber. Bleiben Sie nur ruhig hier und arbeiten Sie! Sparen Sie Ihr Geld. Das ist vernünftiger!" " Das wäre ja nu schließlich meine Sache." Der Arbeiter sah ihn herausfordernd an.

" Was? Mäßigen Sie sich gefälligst, ja? Oder wollen Sie mir in meinem Bureau etwa den Mund verbieten? Sie sind ganz bedeutend im Irrtum, wenn Sie annehmen, das ginge mich nichts an! Der Verdienst wird auf leichtfertige Weise verzettelt und dann heißt's: Die Löhne find zu gering. Womöglich kommen Sie mir morgen noch mit einem dicken Kopf in die Werkstatt. Und was da Dabei stecken wir bis an den fertig wird, kann ich mir denken. Hals in der Arbeit. Ich weiß nicht aus, noch ein! Zerreißen möchte man sich! Und Sie wollen zum Privatvergnügen! Ausgezeichnet! Nee, Verehrtester: die Woche ist zum Arbeiten dal Verstanden?" Der also Angefahrene lächelte: Und wenn ich nu doch geh', dann-?" " Dann scheren Sie sich zum Teufel! Wagen Sie's! nehmen Sie Ihre Papiere gleich mit!"

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Aber Nee. Der Arbeiter lachte. Das is mir der Quark nich wvert. Er ging.

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Indessen vielleicht ist das Verfahren dennoch ein Fortschritt. Die immer noch zum liederlichen Zigeunertum neigende Kunst steigt in das Bereich solider Finanzgebahrung. Was hat ein armer Teufel in der Litteratur zu suchen? Die Kunst ist das nicht einmal vor­nehmste Gesellschaftsspiel der besigenden Klassen. Man entwürdige es nicht durch Zulassung von Proletariern. Schon jett giebt es die zahlreiche Verleger, bon den Honoraren leben, die sie von ihren Autoren erhalten. Auch früher haben schon reiche Leute Bühnen, Schauspieler und Publikum gemietet, um die Ausflüsse ihres Talentes sichtbar zu machen. Man habe nur " Das denk ich doch auch!" Der Chef rief's hinterher. Dann den Mut, die Konsequenzen zu ziehen und in der Richtung die Gesetzgebung auszubauen, daß hinfort nur von einer gewissen ging er kopfschüttelnd mit großen Schritten auf und ab: Kommt Steuerstufe ab die künstlerische Bethätigung erlaubt und so der an einem Wochentagnachmittag und will feiern! Als ob wir nicht Zubrang unlauterer Elemente gehindert werde. Die Zulassung zur so schon Sontage mehr als zuviel hätten! Wahrhaftig, es wird Litteratur   wird nur noch gegen Erstehung eines Patents zu gestatten immer schöner! Immer schöner! Aber das ist die Vergnügungs­sein, dessen Erträgnisse zugleich ein vorzügliches Mittel darstellen, sucht unsrer Zeit! Das ist der Krebsschaden! Darum kommen die die Staatsfinanzen aufzubessern. Attiengesellschaften werden begründet Leute nicht vorwärts!" Er lachte gequält auf:" Nu sagen Sie' mal, werden zur Emission neuer Talente. Sie übernehmen die Müller, ist Ihnen eine solche Frechheit schon einmal vorgekommen? vollständige Einrichtung fünstlerischen Ruhmes bis hinauf zu einer Nicht etwa' n Begräbnis, nein: ein Vergnügen! Zum Vergnügen garantiert ewigen Klassiker Geltung. Die Litteratur- und Kunst- will der Mann an einem Wochentagnachmittag!" geschichte entwickelt sich so aus einer zweifelhaften Sammlung nebelhafter Phrasen zur ziffernmäßigen Eraltheit eines Börsen handbuchs. Es wird lediglich noch intereffieren, ivieviel der Aufstieg auf den Barnaß gekostet habe.

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Auch ich schöpfe Hoffnung. Welcher Wohlthäter wäre geneigt, mich zu gründen. Gefällige Antwort bitte ich schleunigst an mich zu richten. Dann werde ich innerhalb 24 Stunden meinen alten Dienstmädchen­schwank aus dem Gedächtnis wiederherstellen und die Welt soll über fließen von meinem Preis. Schon taucht am Horizont der Holzbock auf und der Photograph der Woche:" Joc  , dessen neunjähriges Sittenbild: Sohlenleber" für 50 000 Mart im Opernhause auf­geführt wurde." Matkowsky könnte den Bräutigam spielen! Und in den Zwischenpausen müßte ein faltes Büffet zum kostenfreien Gebrauch für das Publikum aufgestellt werden...

Kleines feuilleton.

Joc.  

-ng. Bergnügungssucht. Der Chef klappte das dicke Geschäfts­buch mit einem Seufzer zu: Genug geochst! Ich mache Schluß, Müller. Erledigen Sie das übrige. Bleiben Sie eventuell ein Stündchen länger hier."

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Müller, der Buchhalter, machte eine Verbeugung und sagte: Sehr wohl."

Der Chef stand schon am Kleiderschrank und warf sich den Havelock über: Wenn im Laufe des Nachmittags noch irgend etwas wichtiges fommen sollte, dann telephonieren Sie in meinem Stamm­lokal an. Sie wissen doch: Friedrichstraße.

Müller verbeugte sich und sagte: Sehr wohl." " Aber lassen Sie sich nicht einfallen, mir jemand mit geschäft­lichen Angelegenheiten auf den Hals zu schicken. Ich möchte wirklich ' mal einen Nachmittag an etwas andres denken! Nur, wenn's abfolut unvermeidlich ist, flingeln Sie mich an. Verstanden?" Sehr wohl."

Der Chef Stülpte sich eilig den Hut auf: Sollte ich morgen früh nicht gleich anwesend sein, so erledigen Sie das nötigste allein. Es wird heute vermutlich eine etwas längliche Sizung werden." Müller lächelte diskret. Das Fräulein an der Schreib maschine auch.

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Mahlzeit!" Der Chef hatte die Klinke schon in der Hand, als es an der Thür, welche zur Werkstatt führte, klopfte.

Der Buchhalter schüttelte mißbilligend und lächelnd den Kopf. Das Fräulein an der Schreibmaschine auch.­

k. Redeblüten. Anläßlich der Eröffnung des englischen Bar­laments bringt eine Londoner   Revue eine neue Sammlung von Rede­blüten, die sich englische Politiker und Parlamentarier geleistet haben. Ein bekannter irischer Parlamentarier schloß vor kurzem in Connaught   eine Rede mit den pathetischen Worten:" Das Feuer, das heute hier entzündet ist, wird nicht gelöscht werden, bis es eine Welle der Entrüstung über das Land verbreitet, die die bigotten Führer auf die Kniee bringen wird." Der Bürgermeister einer Provinzstadt glaubte sicher sehr höflich zu sein, als er bei der Be­grüßung der Vertreter einer Trade Union sagte: Mit dem Hammer der Einheit haben Sie sich zu einem harmonischen Ganzen zusammen­geschweißt und so die Crême der Vollendung erzeugt!" Auch im englischen Oberhause ist man nicht frei von derartigen rhetorischen Entgleisungen. Ein edler Lord leistete kürzlich zur Verteidigung feiner Klaffe folgende Blüte: Ist es nicht recht, daß, um der Nach­welt die Tugenden derer zu überliefern, die durch ihre Dienste für ihr Land hervorragend gewesen sind, ihre Nachkommen die Ehren genießen sollen, die ihnen als Belohnung für solche Dienste über­tragen sind?"- De ich schon alles gesagt habe, was ich sagen wollte," erklärte ein andrer Parlamentarier, ziehe ich freiwillig zurück, was ich eben bemerken wollte." Ein andrer. der der Ver­fuchung, an der Debatte teilzunehmen, nicht hatte widerstehen können, begann seine Rede mit der überraschenden Erklärung: Ich kann Der nicht länger schweigen, ohne einige Worte zu sagen." britische   Lötve," rief ein patriotischer Redner aus, ob er durch die Wüsten Afrikas   schreitet, auf den Schneefeldern Kanadas   thront, oder in den Dschungeln des heißen Indiens   umherstreift, ist nicht das Tier, seine Hörner einzuziehen, und Sicherheit in seiner Schale zu suchen; sondern mit dem kühnen Auge des Adlers und dem vor­sichtigen Kriechen des Leoparden ist er stets bereit, über seine Feinde herzufallen und sie zu vernichten." Ein Kunststück ließ ein andrer Redner einen Mann vollbringen, indem er von dem Verrat eines Gegners sprach, der meine Hand in seine beiden nehmen wollte, um sie angeblich in warmer Freundschaft zu fassen, und mit einem Judaslächeln mich im Rücken mit der andren erdolchen wollte." " Das irische Volt," sagte ein Politiker, hatte gesehen, wie sein Land in Lumpen und Elend ging, seine Kinder der Vernichtung anheim­fielen und Armengräber füllten, aber keines Mannes Hand hatte sich zu ihrer Rettung erhoben, während sie zum Verbrechen gereizt wurden und ihre Tage auf dem Galgen endeten."- Es war sehr edel­

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