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Sobald fie übrigens in Mazauds Privatbureau faßen, legte Saccard den Zweck feines Besuches dar und erkundigte sich nach den Förmlichkeiten, die zur Aufnahme eines Papiers in den amtlichen Kurszettel nötig wären. Er warf nachlässig hin, das Geschäft, welches er vom Stapel lassen wollte, sei die Banque Universelle mit einem Grundkapital von fünfund­zwanzig Millionen. Jawohl, ein Kredithaus, das besonders zu dem Zweck gegründet würde, große Unternehmungen, die er mit einem Wort andeutete, zu unterstützen.

Mazaud hörte zu, ohne ein Wort zu sagen; dann erklärte er mit tadelloser Zuvorkommenheit die zu erfüllenden Forma­litäten. Aber er ließ sich nicht täuschen und dachte bei sich, daß Saccard um einer solchen Kleinigkeit willen sich nicht zu ihm bemüht hätte; deshalb mußte, er unwillkürlich lächeln, als jener schließlich den Namen Daigremont aussprach. Freilich besaß Daigremont als Stüße ein riesengroßes Vermögen; man sagte zwar, daß seine Zuverlässigkeit nicht unbedingt feststehe; aber wer sei überhaupt in Geschäften und in der Liebe treu? Niemand! Uebrigens müßte er, Mazaud, Bedenken tragen, über Daigremont die Wahrheit auszusprechen, und dies wegen ihrer Entzweiung, welche seiner Zeit die gesamte Börsenwelt beschäftigt hatte. Seitdem gab Daigremont seine meiſten Auf­träge dem Juden Jacoby aus Bordeaux , einem langen Menschen von sechzig Jahren, mit breitem, fröhlichem Gesicht und einer brüllenden Stimme, die berühmt war, welcher aber mit seinem trägen Schmerbauch allmählich schwerfällig wurde. Es war gleichsam eine Gegnerschaft zwischen den beiden Maklern, dem jüngeren, der durch das Glück begünstigt war, und dem älteren, einem ehemaligen Prokuristen, der in vorgerückten Jahren mit Hilfe von Kommanditären in den Stand gesetzt wurde, das Amt seines Prinzipals zu kaufen. Dieser Jacoby war ein Mann von ungewöhnlicher Findigkeit und Geschäftserfahrung, der leider durch seine Spielleidenschaft sich hinreißen ließ und trot erheblicher Gewinne immer am Vorabend eines Krachs stand. Alles schmolz bei den Liquidationen dahin; Germaine Coeur kostete ihn nur einige Tausendfrankenſcheine. Seine Frau bekam man nie zu sehen.

( Fortsetzung folgt.)

( Nachdruck verboten.)

Ibre freundin.")

Von Ottokar Tann Bergler.

Die Frau Grebler war sehr unangenehm erstaunt. " Was, schon wiederum a Sechsert für a Zeichentheken? Hast Dir do eh erst vorgestern ane g'tauft, Lieferl."

Die Heine Lieferl errötete, schlug die Blide nieder

murmelte:

und

" Wir hab'n halt so viel Aufgaben z'machen, Mutter." Woher soll ma s denn nehmen? D' Geschäften geh'n schlecht, d's Effer is sündteuer und wie schirer san d' vielen Kreuzerln herbei­

geschafft. Drum jag' i allerweil: den Lurus von solchen kostspieligen Nigeln sollerten sich von Rechts wegen nur d' ganz reichen Leut' er­Taub'n. Für Euch brauchert ma ja fattisch a eignes Dufaten Manderl.. No, da hast D', aber komm' mir net so bald wieder."

Das Kind nahm das Geldstück, füßte der Mutter die Hand und eilte davon. Sie schien vom Herzen froh zu sein, daß sie die Vorwürfe nicht länger anhören mußte.

Die Mutter war mit ihr überhaupt seit einiger Zeit nicht mehr zufrieden und sie besprach sich hierüber mit ihrem Manne.

" I waß net, was das Kind hat. Sie wird mir so zerstreut, schaut ganz blaß und Kleber aus, wie wenn s' nur alle großen Feier­tag' an' bachenen Grill'n 3' essen kriegert, und zipfelt a beim Tisch allerweil so um."

Mein Gott, sie wachst halt stark," tröstete der Meister, wird si schon wieder geb'n."

Und allerlei Unfurm g'wöhnt si d' Lieferĭ an. Sie wird g'naschti und stieret mir alle Augenblick im Speistastel herum. Mir fan 3' guat mit dem Krußen und i werd' andre Saiten aufziag'n." Was Dir net einfallt, Alte. Wär'n nur alle Kinder so folgsam und gutherzig."

Die Frau schwieg, ohne überzeugt zu sein. Zu überzeugen war sie nämlich überhaupt nicht, außer von der Richtigkeit ihrer eignen Meinung.

Beim Mittagmahl fing sie wieder an.

" Was machst D' denn mit Dein' Apfelstrudel, Lieferl?" wickel' mir in a Papierl', um ihn in d' Schul mitz'nehmen,

Mutter."

" Jetzt ist' hn z'samm; a Mensch muaß seine ordentlich'n Mahl zeit'n einnehmen, wenn er g'sund bleib'n will."

" I kann wirkli nimmer, net' s flantinzigste Stücker! bringert i h'nunter."

So laßt' bn auf'n Teller. Mir werd'n Mehlspeis a net in's Spital tragen."

*) Mit Erlaubnis des Verlegers( Hermann Seemann Nach­folger, Leipzig ) entnommen dem Buche Ee. Majestät, das Kind".

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Die Kleine schob den Teller sehr langsam zurück, als ob sie immer noch hoffte, daß ein freundlicher Gegenbefehl kommen werde, stand aber dann auf und sagte in gewohnter Weise den Dank für Die Mahlzeit. Als es Zeit zur Schule war, richtete sie sich sorgsam ihre Sachen, und zwar immer in der unmittelbarsten Nähe der Mutter, die in der Küche herumwirtschaftete.

Mutter!"

" Was willst D' denn schon wieder?" Keine Antwort.

Aber sie kam langsam näher, gleich einem schmeichelnden

Stäbchen.

" In der Schul' feieg' i immer so viel Hunger.

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" Nimm Dir a Stückerl Brot mit. Salz und Brot macht d'

Wangen rot."

Die Liesel schluckte sehr verdächtig, wie immer, wenn ihr die Thränen nahe find.

"

Mein'n Apfelstrudel von z' Mittag, bitt' schön

,, Geh, nimm Dir' hn und schau, daß D' mir aus den Augen kommst, Du grauslicher Friß3'samm.

Das ließ sie sich nicht zweimal sagen. Sie pacte rasch und heimlich den leckern Bissen in Papier . Eigentlich war dieser Bissen" aber schon mehr eine große Portion" Damn ging fie, beständig nach der Mutter blinzelnd, die überaus harb" dreinsah. An der Thüre kehrte sie sich um. " Bist D' no immer bös?"

Sie gab früher keine Ruhe, bis sie nicht den Abschiedskuß er­hielt.

Ein paar Tage vergingen, da kam die gutmütige und sonst so phlegmatische Frau Grebler in Aufregung zu ihrem Mann. " Du, i bin auf' was Schrecklich's g'kommen." " Was giebt' 3 denn?" fragte er, fast besorgt.

" Du wirst' s gar net glaub'n woll'n, und' s is do so. Unser' Lieserl

"

Ja, zum Teugel, laß an' net so lang' warten, sonst werd' i ernstli fuchtig."

" Sie stiehlt und betrüagt und lüagt."

Geh, red' fan' Unsinn daher. Das Kind! Wenn s' an' alten Knopf find't, so bringt s' ihn. Brauchst ihr nur in die blau'n, ehr­lichen Augerin 3'schau'n...

" I hab's a net für mögli g'halten und' s is do so. Schreckli! Sie trapst mir den Zucker aus'n Ladel, fie verschleppt ihr alt's G'wand, das i für'n Haufier herg'richt't hab', und sie filoutiert mir d' Zehnerln für Schulsachen außer, die f' gar net braucht und a net fauft."

Der Meister rückte das Käppchen von der Stirne zurück und sein Gesicht färbte sich dunkler, wie man es bei ihm selten und nur dann bemerken konnte, wenn die Erregung des Zornes in ihm aufstieg. " Das wär' mir no lieber, wann i an mein' Kind so was erleb'n müßt. Wir zwei hab'n doch seit je alls' than, um sie auf den Weg der Rechtschaffenheit zu führ'n. Da muß f' in a g'fährliche G'sell­schaft g'raten sein, von der wir nig wissen." "' s tann net anders sein."

" Das woll'n wir schon h'rausbringen, zum Donnerwetter no amal.1"

das Zimmer, wo er sich die Pfeife anzündete und qualmte, daß man Er warf wütend das Arbeitszeug von sich und ging hinauf in hätte meinen mögen, ein Brand sei ausgebrochen. Als die Liefel heimkehrte, wurde sie gleich zu ihm geschickt.

Stomm' her einmal," herrschte er sie an.

Sie näherte sich scheu, denn vor dem Vater besaß sie im all­gemeinen einen heillosen Respekt, insbesondere aber, wenn er fo stark rauchte. Das war niemals ein gutes Zeichen.

"

Du warst früher immer ein ordentliches, braves Kind, wie sich's gehört. Warum bist D' auf einmal so schlecht word'n? Was?!" " Ich weiß net, Vater..1" stotterte sie.

Du

" Du stiehlst und lügst und betrügst d' Mutter um' s Geld. .!"

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Er packte die zarte Gestalt der Kleinen bei den Schultern und schüttelte sie heftig mit seinen sehnigen Fäusten. Das Kind war bleich geworden und zitterte.

" J's wahr, fag'? Thust Du das?!"

In seiner Stimme vibrierte mehr Schmerz als Zorn. Sie nickte bejahend und hob bittend die Hände.

" Nimmer will ich's thun, lieber Vater, nimmermehr! Ich

weiß, daß es eine Sünd' ist!"

" Wer hat Dich ang'lernt?"

" Niemand, von mir selber hab' ich' s' than."

" 1

Lügst D' wieder, Balg? Was hast D' mit den Sachen g'macht? Red'! Ah, Du willst net?.

Er stand auf und langte nach dem Kasten, auf dem der Rohr­

stod lag.

Das Mädel wimmerte nur:

" Nimmermehr thu' ich's, meiner Seel' und Gott!"

Er faßte sie und hob den Stock.

"

Willst D' jetzt sagen, was Du damit ang'fangen hast?"

Sie wiederholte nur die früheren Worte, als ob die Angst fie berdummt habe. Da sauste der erste flatschende Hieb.-

Die Mutter konnte nicht mehr länger zuhören. Sie tam herein und fiel ihm begütigend in den Arm.