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auf einmal war der Sput verschwunden, und der Polizeilieutenant| zimmer, ganz jung, fast noch ein Kind, und splitternackt. Es weinte entdeckte statt der Schleife auf dem Tisch einen weißen Aftenbogen, leise vor sich hin und wischte sich die Thränen mit ihrem lichten Haar. auf dem geschrieben stand: Schleppt den Frühling in den Kerker!
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Himmel beinahe hätte er's vergessen. Das war's, worauf zu besinnen er sich vergeblich bemühte. Er hatte ja von seinem Chef den Dienstbefehl erhalten, auf den Frühling zu fahnden und ihn zu verhaften. Wenn er nur wüße, wo er ihn fände!
Und der Polizeilieutenant schnallte seufzend den Säbel um und ging, so müde er war, auf die Suche.
Ueberall bemerkte er die Spuren des Freblers, aber ihn selbst entdeckte er nicht. Offenbar, alle Welt hielt es mit dem Verbrecher und leistete ihm Beihilfe.
Auf dem Platz steckten die Büsche bereits grüne Fähnlein heraus. Wer hat Euch das erlaubt?" schrie fie der Lieutenant an, habt Ihr die polizeiliche Konzession?" Ach nein," flüsterten bebend die grünen Fähnlein." Was für eine Frechheit," rief der Beamte, na, wartet!" Und er nahm seine Schere und wollte die knospenden Teile abschneiden. Da flehten die grünen Fähnlein:" Verstümmle uns nicht. Siehe, wir glaubten nichts Arges zu thun. Der Frühling kam zu uns und ermunterte uns, zu wachsen und zu blühen. Da glaubten wir, es sei gestattet."
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" Der Frühling?", rief der Lieutenant erregt und ließ die Schere finfen. Sagt rasch, wo ist der Lump?" Das wissen wir nicht," weinten die grünen Fähnlein, doch nimm uns lieber das Leben, als ihm."
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" Ihr seid Narren!", sagte der Lieutenant ärgerlich. Diesmal will ich noch Gnade für Recht ergehen lassen. Aber wenn Ihr's nochmal thut-". Damit war er eilig davon.
Auf einem eisernen Gitter saß eine Schwarzdroffel und stimmte ihr Lied, das wie ein Auftakt des Nachtigallengesanges scheint, wenn man die Vögellieder nicht genau fennt.
,, Mach hier keinen ruhestörenden Lärm!" herrschte der Polizeilieutenant, das Singen ist ohne Hausierschein verboten!"
Aber die Schwarzdrossel erwiderte frech:" Was geht's Dich an! Der Frühling war bei mir und hat's mich geheißen."
Unverschämtes Vieh!" brüllte der Polizeilieutenant,
ich will Dich lehren, wer Herr im Staate ist, der Frühling oder die Polizei." Damit hob er die Schere und gedachte die kleine Kehle der Schwarzdrossel zu durchschneiden.
,, Laß mich am Leben, Hes Polizeilieutenant; ich sage Dir auch, wo der Frühling steckt!"
„ Sag's und Du darfst leben und sogar täglich nachmittags von 6 bis 7 Uhr und Sonntags den ganzen Tag außer den Stunden des Hauptgottesdienstes bis auf Widerruf fingen“, erklärte der Polizeilieutenant.
" Dort oben im fechsten Stock glaube ich, ist der Frühling", rief die Schwarzdrossel und flog davon. Der Polizeilieutenant fletterte fluchend die sechs Stod werke empor. An einer Thür entdeckte er ein Stück Papier mit der Aufschrift:" Müller, Dichter". Da wird's sein, dachte der Polizeilieutenant, und ging hinein. Drinnen sprang ein Mann empor und rief entfezt: ch bin nicht zu Hause". Er hielt den Polizeilieutenant nämlich für einen Gerichtsvollzieher.
Der Polizeilieutenant aber schritt schnell auf den weißen Tisch zu, auf dem außer einem Tintenfaß, einer Feder und einigen Tintenflecken nur ein weißes Blatt Papier zu sehen war. Obenan stand: Lenzfreiheit!" Und darunter las man die Zeilen:
Nächtens trat der Frühling mir ans Lager, Sprach: Nun tumle dich, Poet...
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Eine saubere Wirtschaft," bemerkte der Polizeilieutenant,„ Sie beherbergen hier ohne polizeiliche Anmeldung diese gemeingefährliche Person; liefern Sie mir sie aus oder ich zerschneide Ihren poetischen Wisch in tausend Atome." Er schwang fürchterlich die Schere.
Nur das nicht", rief der Dichter entsetzt; ich bedaure sehr, der Frühling ist aber nicht mehr hier."
" Das kann jeder sagen" schnaubte der Polizeilieutenant geben Sie mir den Aufenthalt der Person an, oder
Ich glaube, sie ist nebenan, im großen Saale. Ich höre dort so ein Brausen", versezte der Poet eingeschüchtert; aber pumpen Sie mir wenigstens einen Thaler wegen des Schrecks."
Der Polizeilieutenant geriet wieder in Wallung und näherte sich dem Frauenzimmer:" Donnerwetter, schämen Sie sich nicht?" Nein," seufzte das Mädchen, aber nehmen Sie mich nur mit. Es macht mir keine Freude mehr hier draußen. Ich heiße nämlich Frühling." Ah!" Der Polizeilieutenant geriet außer sich vor Ueberraschung und seligem Stolz.
Das Frauenzimmer aber fuhr fort, leise zu flagen:" Ich war hierher gekommen, um den Hain auch ein bissel auszupuzen. Indes es ging nicht. Hier unter den starren Marmorsoldaten ist mir die Kraft erloschen. Hier paßt kein Grün und keine Blüte. Ihr braucht mich nicht mehr. Ich bin überflüssig. Macht Euch nur selber den Frühling. Behängt die Bäume mit Orden und die Sträucher mit Lizen und statt des Grases lasset Kies wachsen, mit dem Lineal sauber geordnet. Und statt aus Bäumen könnt Ihr schließlich auch aus stämmigen Schußleuten einen glitzernden Park bilden. Nimmi mich nur mit, Herr Polizeilieutenant."
Ihre Thränen strömten wie ein Wildbach.
Der Polizeilieutenant ließ sich das nicht zweimal sagen. Mit nerviger Faust packte er das nackte Wesen, daß an den Armen große Flecke emporblauten. Endlich konnte er die Order ausführen und ruhig schlafen gehen.
Nun saß der Frühling im Kerker. Der Minister, der Polizeipräsident, der Polizeilieutenant, der sofort zum Hauptmann befördert ward, wandelten in strahlendem Glück. Jedoch die übrige Menschheit wurde grau und düster. Die Sonne hing am Himmel wie ein Spinnnetz. Alle Blätter waren in der Knospe verdorrt. Es war wie ein Raupenfraß über die Natur und die Herzen gekommen. Und die Vögel waren verstummt. Die Menschen hielten es nicht mehr aus vor Ueberdruß und Stumpfheit. Sie stürmten fast das Polizeipräsidium und begehrten dort eingekerkert zu werden, wo der Frühling schmachtete. Das half nichts. Wer nichts verbrochen, durfte nicht in den Kerker. Da begannen alle Menschen zu stehlen, zu rauben, zu morden, Meineide zu leisten und die Majestät zu beleidigen. Und die Feigsten selbst begingen irgend einen groben Unfug. Alle Straßenbahnen, Droschten, Omnibusse mußten in grüne Wagen verwandelt werden. Die aktive Armee wurde teils zum Transport, teils zu Dichtern und Staatsanwälten verwendet. Man prügelte sich um das Vorrecht, zuerst im Gefängnis einzutreten.
Und eines Abends überfiel das furchtbare Kerkerfieber auch den Polizeihauptmann. Er mußte einen Frevel begehen, um des Gefängnisses fähig und würdig zu werden. Er sann und sann, was er anstellen solle. Plötzlich kam ihm ein Gedanke. Wie vom Schicksal getrieben, lief er nachts auf den Friedhof der Märzgefallenen, ind bis zum Morgengrauen hocte er da auf der feuchten Erde, nähend. nähend, bis er alle abgeschnittenen Schleifen zusammengeflickt hatte; zuletzt die Schleife mit den Worten:" Schleppt den Frühling in den Kerker". Gerade als er dieses Band fertiggenäht hatte, bemerkten sein Thun Schußleute. Sie griffen ihn und sperrten ihn dort ein, wo der Frühling saß. Und wenn er nicht inzwischen erwacht ist, sitzt er noch heute da.-
( Nachdrud verboten.)
Die Nafe im Völkerverkehr.
Einer meiner Freunde hat eine äußerlich sehr edel gebaute Nase, die jedoch trotzdem ganz untauglich ist: ihr mangelt völlig das Geruchsvermögen. Oft haben wir den armen Sterl bedauert; gehen ihm doch so füße Empfindungen, wie der Duft der Rose, der zarte Hauch, der dem Lockenhaar einer jungen Schönen entströmt, gänzlich verloren. Heute bedauere ich ihn nicht mehr. Ich würde ihn, wenn er nicht zufällig in geordneten Verhältnissen lebte, ohne Bedenken für den Posten eines chinesischen Gesandten oder Ministers empfehlen, und ich bin sicher, daß ich der Sache Europas damit einen wesentlichen Dienst erwiese. Weshalb? Nun eben wegen seiner umbestechlichen Nase. Die Chinesen behaupten nämlich, von den„ fremden " Wenn ich den Frühling habe, triegen Sie den Thaler Teufeln", den Europäern, gehe ein für ihre Nasen abscheulicher Ehrenwort," erwiderte der Polizeilieutenant und Kletterte Haftig die Geruch aus. Ein chinesischer Gelehrter erklärte, dieser Geruch sei Treppen hinunter. für ihn so stark und unangenehm, daß er ihn röche, wenn ein Weißer in seinem Zimmer gewesen sei. Sogar in den Kleidern seße er sich fest; denn wenn der Erzähler nach einem Besuche bei Europäern zu seinen chinesischen Freunden komme, dann sagten ihm diese:„ Aha, Du bist wieder bei den Fremden gewesen, wir riechen es!" Wegen dieses Geruches so behaupten die Chinesen könnten sie mit den Europäern nie auf einen besseren Fuß kommen.
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Nebenan im großen Saale standen dicht gedrängt Tausende von Menschen, Männer und Frauen. Ein Redner sprach über das stumme, andächtige Gewühl hin: Vom Völkerfrühling, bon Märtyrern, die gefallen, von der Freiheit."
Der Polizeilieutenant plagte in die Andacht hinein und schrie: " Ihr verbergt den Frühling, liefert ihn mir aus." Da brach ein übermütiges Gelächter aus und man rief ihm zu: „ Gewiß, hier ist der Frühling, in unsren Seelen ist er, arretieren Sie ihn nur."
" Bande!" schimpfte der Polizeilieutenant, erhob die Schere, und löste die Versammlung wegen Störung der öffentlicher Ord nung auf.
Die Sache beruht übrigens auf Gegenseitigkeit. Der Missionar Huc schreibt den Chinesen einen starken Moschußgeruch zu, der dem in China Reisenden von allen Seiten zudufte. Der Physiker Adolf Erman bestätigt das in seiner Reisebeschreibung mit folgenden Säßen: " Bei der Rückkehr nach Sjachta besuchte ich daselbst das Haus des Kaufmanns Kotelnikow. Diesmal und in mehreren anderen Fällen Aber den Frühling konnte er nicht erwischen. bemerkte ich schon beim Eintritt in das russische Haus durch einen Wütend; hungrig, zerschlagen wanderte der Häscher weiter. Er eigentümlichen Geruch, daß Chinesen in dem Besuchszimmer waren! gedachte sich patriotisch- künstlerisch zu erquicken und ging in die Zu dem Geruch in Maimatschin( wo Erman diesen Duft zuerst beSieges- Allee. Bereits bei der zweiten Gruppe links fühlte er sich merkt hatte) trugen freilich die Rauchkerzen vor den mongolischen beruhigt und gehoben. Bei der sechsten jedoch entdeckten seine Kapellen und der Dampf von chinessischem Pulver einiges bei! aber weit scharfen, spähenden Augen auf der weißen Marmorbank ein Frauen- I wesentlicher die Chinesen selbst, von denen jeder um sich eine