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Hundert ungezeugte Kinder fommt faum ein gezeugtes.| Eine nette Aktionärin, dieses Weib, das die Aftien nach Sem Das Uebermaß bringt also das Notwendige hervor, nicht Gewicht kaufte! wahr?"
"
Gewiß!" antwortete sie verlegen.
„ Nun, ohne die Spekulation könnte man feine Geschäfte machen, beste Freundin... Zum Teufel auch, warum soll ich mein Geld hervorziehen und mein Vermögen aufs Spiel feten, wenn Sie mir nicht außergewöhnlichen Genuß bieten, ein rasches Glück, das mir den Himmel aufthut? Mit dem gesetzlichen und kümmerlichen Lohn der Arbeit, mit dem weisen Gleichgewicht der täglichen Geschäftsumfäße ist das Dasein eine überaus flache Einöde, ein Sumpi, in dem alle Kräfte schlummern und verkommen. Lassen Sie dagegen ein Traumbild am Horizont grell aufflammen, versprechen Sie mit einem Sou einen Gewinn von hundert, bieten Sie allen jenen Schlafhauben die Jagd nach dem Unmöglichen an, die Jagd nach den innerhalb zweier Stunden inmitten der schrecklichsten Abgründe zu erobernden Millionen, dann geht der Wettlauf an, dann werden die Anstrengungen verzehnfacht, dann ist das Gedränge so gewaltig, daß die Leute einzig und allein um des Vermögens willen sich schweißtriefend abmühen und mitunter blühende Kinder hervorbringen, ich meine lebendige, großartige und schöne Dinge... Freilich giebt es viele scheinbar überflüssige Unflätigkeiten, aber fürwahr, die Welt müßte ohne sie zu Grunde gehen."
Frau Karoline lachte jetzt auch mit; sie war nicht brüde. ,, Also," sprach sie, geht Ihr Schluß dahin, daß man dies dulden muß, weil es in der Absicht der Natur liegt Sie haben recht, das Leben ist nicht reinlich.“
Ein wirklicher Kampfesmut war in ihr beim Gedanken gewachsen, daß jeder Schritt nach vorwärts durch Blut und Kot gegangen war. Das Wollen war ja die Hauptsache. Längs der Wände hafteten ihre Augen immer noch an den Plänen und Zeichnungen, und Bilder der Zukunft stiegen empor: Häfen, Kanäle, Landstraßen, Eisenbahnen, Ebenen mit großartigen und fabrikähnlich ausgerüsteten Bauernhöfen, neue, gesunde, hochgebildete Städte, in denen man sehr alt und sehr gelehrt wurde.
Wohlan," verfekte sie fröhlich,„ ich muß wohl nach geben, wie immer... Suchen wir ein wenig Gutes zu wirken, damit man uns verzeihe."
Der Bruder schwieg immer noch; er trat jetzt heran und umarmte fie. Sie drohte ihm mit dem Finger:
Du, Du bist eine Schmeicheltage, Dich kenne ich. .. Morgen aber, wenn Du uns verlassen hast, kümmerst Du Dich nicht viel darum, was hier vorgeht, und sobald Du drüben in Deine Arbeiten vertieft bist, wird alles gut gehen und wirst Du von Triumph träumen, während uns vielleicht hier die Sache unter den Füßen zusammenfracht."
,, Aber," rief scherzend Saccard, wenn doch ausgemacht ist, daß er Sie als Gendarm bei mir läßt, um mich zu paden, sobald ich über die Schmur haue!"
Alle drei lachten laut auf.
„ Sie können darauf rechnen, daß ich Sie paden werde! Behalten Sie nur im Gedächtnis, was Sie uns versprochen haben, uns beiden zunächst, dann auch so vielen andren, meinem wackeren Dejoie zum Beispiel, den ich Ihnen warm empfehle... Ja, und auch unsren Nachbarinnen, diesen armen Damen von Beauvilliers. Heute früh habe ich wieder zugesehen, wie die Köchin unter ihren Augen einige Stücke Leibwäsche waschen mußte, wohl um die Rechnung der Wäscherin herunterzudrücken."
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Als Saccard wieder in sein Arbeitszimmer hinunterkam, meldete ihm der Diener, daß eine Frau auf ihn warte und nicht habe weichen wollen, obschon er ihr gesagt habe, es sei Sigung, und der Herr werde sie ohne Zweifel nicht empfangen können. Zuerst war er ungehalten denn er war müde und befahl, die Frau fortzuschicken, aber der Gedanke an seine Verpflichtungen gegen den Erfolg und die Furcht, er werde das Glück von sich wegwenden, wenn er seine Thüre verschließe, brachten ihn von diesem Vorhaben ab. Die Flut der Bittsteller stieg Tag für Tag, und aus dieser Menge schöpfte er eine freudige Trimfenheit.
Sie erzählte ruhig, Busch habe sie geschickt, um sich wegen der Emission der Banque Universelle zu erfundigen. Wären noch Titres verfügbar? Durfte man hoffen, einige zu bekommen, und mit der dem Konsortium eingeräumten Prämie? Dies war aber sicherlich nur ein Vorwand, um ins Haus einzudringen, die Vorgänge daselbst auszufundschaften und Saccard selbst auf den Zahn zu fühlen; denn die gefniffenen, gleichsam mit dem Bohrer in die Fettmasse des Gesichts geſtochenen Augen der Méchain durchstöberten alles und schweiften immer wieder zu Saccard zurück, als wollten sie ihm in die Tiefe der Seele blicken. Nach langjähriger Geduld hielt Busch die famose Geschichte mit dem verlassenen Kinde für reif; er war jest zum Borgehen entschlossen und schickte dieses Weib als Kundschafterin aus. " Nichts mehr zu haben," antwortete Saccard barsch. Sie fühlte, daß sie nichts mehr herausbekommen würde. und daß es heute unting wäre, etwas zu wagen. Darum that sie einen Schritt zur Thür, che sie entlassen wurde. Weshalb verlangen Sie feine Aktien für sich selbst?" fragte er, um sie zu verhöhnen.
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Mit ihrer lispelnden Stimme, jener spizigen Stimme, die zu spotten schien, erwiderte sie: Ich
O, ich? das ist nicht mein Operationsfeld
warte noch."
Im gleichen Augenblick erschauerte Saccard beim Anblick der großen schäbigen Ledertasche, welche die Méchain nie aus der Hand gab. An einem Tage, da alles nach Wunsch gegangen war, an dem Tage, da er über das Zustandekommen alte Gaunerin die böse Fee sein, welche auf die in der Wiege des heißersehnten Bar aujes hochbeglückt war, sollte da diese schlummernden Prinzessinnen einen Fluch wirst? Er fühlte, daß fie mit entwerteten Papieren, mit außer Sturs gesetzten Werten gefüllt war, diese Ledertasche, die sie in den Geschäftsräumen seiner werdenden Bank umbertrug; er glaubte ihre Drohung zu verstehen, so lange als erforderlich zu warten, bis sie auch seine Aktien daselbst begraben könnte, wenn das Haus aus den Fugen ginge. Es war das Krächzen des Raben, Abend nach der Schlacht folgt, dann über dem Felde freist der mit dem aufbrechenden Heere zieht und ihm bis zum und niederfliegt, da er weiß, daß es Tote zu fressen giebt. Auf Wiedersehen, mein Herr!" jagte die Méchain feuchend und sehr höflich, indem sie sich zum Gehen wandte. ( Fortseßung folgt.)
( Nachdrud verboten.)
Es soll ein Wort geben, das sagt: Paris ist die Hölle der
Pferde und der Himmel der Frau." Obschon es die Pferde hier schlimm haben man sieht nicht nur sehr viele stürzen hier auf dem Montmartre fann man auch beobachten, wie die armen Tiere ängstlich die Straße hinuntergleiten, so wie man übers Eis„ schleift"- scheint es mir die Frau doch noch schlimmer zu haben. Thätliche Mißhandlungen der Pferde sieht man taum- aber die ganze Be handlung, die hier die Frau erfährt, ist eine große schreiende Mißhandlung.
Alle Welt weiß das Lob der Pariserin, alle Welt fennt ihre Borzüge. Man bewundert ihre Leichtigkeit und Leichtlebigkeit, ihre Einige Augenblicke plauderten alle drei freundschaftlich ungeniertheit und ihre Gewandtheit, ihr Temperament und ihre Lustigkeit und ihre Tanzlust, ihre Schönheit und Eleganz, ihre weiter, und Hamelins Abreise wurde endgültig verabredet. Gefährlichkeit. Man bewundert ihre verführerischen Augen und ihre kunstvolle Frisur, ihre beringten Finger und ihre geschminkten Lippen. ihre gemalten Wangen und Busen. Man bewundert ihre Ünterröcke, hochgeschnürten und wie sie diese auf der Straße zu zeigen weiß, ihre Stiefeletten und seidenen Strümpfe, ihre drallen Waden und feinen Knöchel, man, aber nur wenige fragen sich nach dem Grunde, woher die ihren Gang und die Bewegung ihrer Hüften. Das alles bewundert Pariserin diese Vorzüge habe, wodurch sie sie ausgebildet habe, wodurch und wofür, was sie mit ihnen bezwecke und ob sie selbst ihrer froh sein dürfte- und fein Mensch fragt sich, ob, nach Beantwortung dieser Fragen, diese Vorzüge wirklich noch Borzüge genannt werden dürften, und ob sie nichts weiter feien im letzten Grunde Eine einzige Lampe beleuchtete das Zimmer, so daß er die Mann, und Mittel der Herrschaft über das Leben und den Mann! als Mittel der Notwehr der Notwehr gegen das Leben und den Besucherin nicht recht sah. Denn die Pariserin ist nichts, wenn sie das alles eingebüßt hat, sie " Herr Busch hat mich hierher geschickt, mein Herr. ist nichts für sich! Was sie ist, ist sie nur für den Mann, was sie Der Zorn ließ ihn nicht niederfigen; er bot der Frau hat, hat sie nur für ihn, was ihr das Leben reicht, hat sie nur durch auch keinen Stuhl an. An dem dünnen Stimmchen in der ihn. Sie muß dem Manne dienen, fie muß ihm dienstbar sein im überquellenden Körperfülle hatte er Frau Méchain erkannt. I weitesten Sinne. Sie ist eine Sadje, sie ist seine Sache. Sie ist
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