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Wenn ihr die Karte betrachtet, seht ihr den ganzen Süden Sachalins mit schwarzen Punkten bedeckt: lauter Dörfchen. Hier fann man wenigstens den Fuß auf festen Boden sehen. Hier macht sich die schwere Arbeit wenigstens etwas bezahlt. Hier wird es schon zeitig Frühling. In langen Zügen ziehen wilde Schwäne nach dem Norden. Ungefähr zwei Werst vom Ufer zieht sich im Meer ein weißer Streifen, wie ein Milchstrom. Das ist der Hering, der im Meertang laicht. Im Walde zwitschern und singen die Vögel. Hier ist doch immerhin Leben, Sonne, Licht.

Da habt ihr ein Bild von Sachalin  !

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Der Kutscher hat zu pfeifen begonnen, um sich wach zu halten. Allmählich verstummmt er; gewaltig drückt der Schlaf auf die Augen. Der Kopf lehnt sich zurück an die harten Steine. Schritt für Schritt- ein gleichmäßiges Nicken. Eintönig knarrt der Wagen....

Immer geradeaus stapfen die Pferde. Auch dort, wo die Land­straße sich in scharfer Kurve wendet.

Plöglich giebt's einen Ruck... das Gefährt ist mit dem Vorder­rad auf einen Prellstein geraten ein zweiter Ruck... ein dumpfer Schrei... der Fuchs bäumt sich auf und springt zur Seite Der Schimmel rührte sich faum. Die Leine schleift im Sand. Führerlos farrt ein Wagen eintönig im Dämmerlicht auf der

Die Luft dieser Insel scheint erfüllt von schweren Seufzern. Selbst die Schreie der Nachtvögel flingen wie Stöhnen. Viel Blut ist hier vergossen worden von Unglücklichen, die im stande find. einander wegen einer einzigen Kopeke zu töten. Jedes Winkelchen Chaussee dahin... eine schreckliche Erinnerung. Alles atmet Leiden. Hier giebt es nur Verbrechen und Arbeit. Hier muß alles gewaltsam errungen werden. Der Boden Sachalins   bringt nichts hervor, wenn man ihn nicht mit Schweiß und Thränen düngt.

In seinem Schoß birgt Sachalin   große Reichtümer. Mächtige Steinfohlenlager. Erdöl. Auch Eisen soll da sein. Man jagt sogar Gold. Aber Sachalin   hütet seine Schätze eifersüchtig, hält und bewahrt sie sicher. Es hemmt eure Reise durch undurchdring liche Wälder, es versenkt euch im Moorgrund seiner Tundren. Mit Eisen und Feuer muß sich der Mensch hier seinen Weg bahnen, mit Schweiß, Blut und Thränen sich den Boden dienstbar machen, die Hälfte seines Lebens opfern, um die andre Hälfte kaum erträglich zu verbringen.

Das ist die Kerkerinsel.

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Kleines feuilleton.

Technisches.

gr. Neue Transportvorrichtung für Kohlen 2c. Neuerdings wird unter der Bezeichnung Propeller- Rinne eine Transport­vorrichtung für die verschiedenartigsten Materialien hergestellt, die ein eigenartiges Princip für die Fortbewegung bemißt. Bei den bisher bekannten Verfahren zur Beförderung von Massengütern in schwingenden Rinnen und ähnlichen Vorrichtungen, wie Horden und Rätteranlagen, bewegt man die das Material tragenden Unterlagen derart, daß dem Material ein Impuls erteilt wird, der es zwingt, sich von seiner Unterlage abzuheben, schräg zu derselben hoch­zufliegen und weiter nach vorn wieder auf die Unter­lage herabzufallen. Bei derartigen Transporteinrichtungen er­fährt aber das Material Lagenverschiebungen, wodurch Kraftverluste eintreten; ferner fomnit in Betracht, daß besonders leicht bröckelnde Massen, wie Kohle, Coals 2c., sowie gewisse chemische Produkte zer­ffeinert und so entivertet werden; außerdem wird der Weg, den das Material zurücklegt, bei derartigen Transportanlagen unnötig ver­größert. Zur Vermeidung solcher Uebelstände wendet man oft ng. Der Fuhrmann. Wie im Schlafe nicken die Pferde dahin elastische Transportbänder aus Gummi, Kokosfaser 2c. an, die aber auf der Chaussee. Der schwere Schimmel mit dem breiten Rücken infolge der vielen auf der Strecke erforderlichen Tragrollen, der sieht weder rechts noch links; ein gleichmäßiges Heben und Senken großen Abnutzung und ihrer verhältnismäßig geringen Leistung des Kopfes so wandert er Schritt für Schritt. Der Fuchs schrickt manches zu wünschen übrig lassen. Eine recht glückliche Lösung des hier vorliegenden Problems zuweilen auf aus seiner Müdigkeit, bläht die Nüstern und schüttelt die blonde Mähne, als müsse er das Zaumzeug abwerfen; straffer stellt nun die Propeller- Rinne dar. Bei dieser Transportvorrichtung spannen sich die Riemen, aber der Schimmel folgt ihm nicht. So wird das Fördergut in folgender Weise bewegt: Die Förderrinne verfällt auch der Fuchs immer wieder in dieselbe schleppende arbeitet so, daß sie durch geradlinige, mit der Förderrichtung gleich­laufende, furze Hin und Herbewegung das in ihr ruhende Förder­Gangart. material in geschlossenen Massen vorwärts schiebt, ohne es abzuheben oder abzustoßen, und ohne daß eine Bertrümmerung des Trans­portierten hierbei stattfindet. Diese Wirksamkeit wird dadurch erreicht, daß die durch Schwingen unterstützte Rinne das in ihr ruhende Fördergut durch einen sinnreichen und einfachen Kurbelmechanismus aus der Ruhelage in eine gleichförmig beschleunigte Vorwärts­bewegung verfekt. Kurz nach Erreichung der höchsten Geschwindigkeit wird die Rinne durch die zwangsläufige Führung plößlich, aber doch stoßfrei zurückgezogen, während das Fördergut dem erhaltenen Beschleunigungsimpuls entsprechend, seine Vorwärtsbewegung bei­behält, bis der dann bald erfolgende Hubwechsel des Antriebs­gute einen neuen Impuls nach vorwärts erteilt. Die Bewegung Ser Propeller- Ninne gleicht also ungefähr der Bewegung, die der Mensch beim Arbeiten mit einer Schaufel ausführt. Mit einer Propeller Rinne können nicht nur Kohlen, Briquets, Erze, Sand, Cement, Zucker, Mehl, Getreide befördert Steine, werden, sondern auch leichte Stoffe, wie Papierabfälle, Sägespäne 2c. werden gut transportiert; nicht minder wichtig ist es, daß man auch breiige Materialien wie Lehm, Mörtel 2c., sowie auch Körbe und Kisten gleich gut mit der Propeller- Rinne fortbewegen kann.

Die Seitenbretter des Wagens biegen sich nach außen; das Gefährt ist dicht gepackt mit roten Mauersteinen beladen. Nur auf dem vordern Teil blieb ein schmaler Platz für den Kutscher. Dieser lehnt, die Zügel schlaff in der rechten Hand, die Peitsche im Arm, mit Kopf und Rücken an den harten Ziegeln. Wie die Pferde, so droht auch ihn die Müdigkeit zu überwältigen. Wenn der Fuchs sich schüttelt, schrickt der Kutscher   auf, greift zur Peitsche und schwingt sie über den Rücken der Pferde: Hüh! Hüh!" Aber der Schimmel hört und fühlt nicht.. Verdammte Beester!",

Vor der Waldschenke steht das Gefährt plöglich. Besperzeit ist's und der Fuchs hat die Strippe erblickt. Der Kutscher   steigt gähnend und schwerfällig herunter, schüttet den Pferden vor und tritt, die rot- mechanismus der Rinne und dem kaum zur Ruhe gekommenen Förder­bestaubte Müze abklopfend, ins Schantzimmer: Einen Topp Kaffee, Mutter Hauschild."

Die Wirtin nicht, legt ihr Stridzeug beiseite und schlurft in die Küche. Der Fuhrmann hat seine Vesperstullen ausgewickelt, sein Taschen­messer an den Hosen gepugt und beginnt zu essen. Aber es schmeckt nicht. Trocken ist's; und dann: das verfluchte Gähnen! Immer wieder reißt's an den Kinnladen. So lehnt er sich in eine Ecke Als Mutter Hauschild mit dem Kaffee eintritt, schnarcht's ihr entgegen. Sie muß den Schlafenden rütteln. Endlich ermuntert er sich und sieht verstört umher:... Ach so!" Er springt ans Fenster. Die Pferde fressen nicht mehr. Unbeweglich stehen sie mit hängenden Köpfen, wie angewachsen auf einem Fleck.

Mann, sind Sie müde!" Frau Hauschild fagt's kopfschüttelnd, indem sie wieder zum Strickzeug greift.

brot:

Der Fuhrmann hat gerade den Topf vorm Munde. Er thut einen tüchtigen Zug und macht sich, laut auflachend, an sein Vefper­Müde? Kunststück! Seit fuffzehn Stunden auf'm Bock Vergang'ne Nacht hab' ich kaum die Klappe geschn." So viel zu thun jezt?"

Und ob! Da is einer, der möcht' am liebsten in vierund­zwanzig Stunden' ne Billa   gebaut haben. Tag und Nacht möcht' man schuften! Aber das is meine letzte Zuhre für heute, da mag fich der Olle auf'n Stopp stellen! Man is ja kein Mensch mehr! Verdamnit noch mal!" Er trinkt den Rest und wirft einen Nickel auf den Schenktisch: N'abend!"

N'abend."

Die Pferde haben das halbe Futter in der Krippe gelassen. Der Fuhrmann schüttet es zurück in den Sack. Dann schwingt er sich auf den Wagen und greift zur Peitsche.

Anfangs geht's flotter auf der staubigen Landstraße dahin. Ein gelinder Trab.

Wie zweckmäßig diese Konstruktion für den Transport von Massengütern ist, geht sehr gut daraus hervor, daß man sie mur mit einem Fünftel der Tourenzahl laufen läßt, die sonst die Schüttel­rinnen erfordern, während man trotzdem eine etwa dreimal größere Leiſtung erzielt. Ueber die Leistungsfähigkeit derartiger Propeller­Riumen sei noch bemerkt, daß man mit Rinnen von 0,80 Meter Breite bei 60-70 Touren pro Minute 150-200 Tonnen( a 1000 Stilo) in der Stunde zu befördern vermag. Diese Propeller- Rimmen werden in Längen bis über 100 Meter ausgeführt; sie dürften für den Transport von Massengütern in Zukunft eine große Bedeutung er­langen.

Humoristisches.

Run, Mädchen, was sollen Sie heute für Bücher mitbringen?" -In einer Bereinsbibliothek. Bibliothekarin: da wären, soll ich etwas klassisches verlangen, und wenn keine da Dienstmädchen: Die Madame hat gefagt: wenn Herren wären, so sollen Sie mir etwas Modernes, Saftiges geben."

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Die Seele  ". Der Unteroffizier Meyer behandelt in der Instruktionsstunde soeben die Lehre vom Geschüß und seinen Teilen und erklärt den Einjährigen den Begriff der Seele"( das Rohr­innere): Also pasts auf, denn Ihr Bildungslacki wijt doch wieder nichts, wenn man Euch fragt! Die Seele ist ein unsichtbares Organ, wo, wenn Ihr die Ehre habt in Sr. Majestät Dienst draufzugehen, hinauffliegt, wenns wahr is; genau eine solchene Seele hat auch das Sanonenrohr und zwar beginnt sie bei diesem Loche und endet weiter ( Jugend.  ") Drud und Verlag: Borwärts Buchdruckerei und Verlagsanstalt Paul Singer& Co., Berlin   SW.

Aber der Schimmel hat keine Ausdauer mehr tros Peitsche und Zuruf. Alles Fluchen hält ihn nicht munter; er gerät wieder ins Niden. Der Fuchs macht noch einige Anstrengungen, damn läßt auch er den Kopf hängen.

Berantwortlicher Nedakteur: Carl Zeid in Berlin  .

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