Kleines feuilleton.
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oe. Ein Spazia. Es war so ein Wetter, na, so ein Wetter, wo man sagt:" Ist das ein watter," und das sagt dann gerade genug. Die vernünftigen Leute krochén Rimmer und kochten sich Grog. Ich habe noch nie eine Ehre drin gesetzt zu den„ vernünftigen Leuten" zugehören. Also raus! War übriga teine dumme Idee.
Als ich an den See kam, setzte der Regen gerade aus. Zwischen Hagel und Graupelschnee wagte sich die Sonne hervor. Ueber dem Walde flimmerte und glimmerte es. Wie ein Riesenkrystall lag der Aprilhimmel über den Kiefern. Blaßblau und dunkelgrün schwammen ineinander. Farben, Herrschaften, Farben: die reine Secession! Selbst die Sonne lachte vor Vergnügen. Mit ihren zarten, goldenen Fingern warf sie einen wahren Funkenregen über die Wellen. Die gingen hoch, der Wind war hinter ihnen her und zog ihnen weiße Schaummüßen über, das ganze Wasser ein Wiegen und Schaukeln, ein endloses Auf und Ab von Blau und Weiß und Gold.
Duftig und frisch stand der Wald, der Frühlingswald. Jungfrohes Grün an allen Zweigen. Ueber den Birken hing es schon iwie ein zarter, spinntvebfeiner Schleier. In den Kiefern schoß es und quoll, filbrig glänzte es im Erlenbruch, Grün in allen Tönen.
Und die Formen, die Formen! Jede anders, jede längst bekamu und doch so neu. Steck deine Nase hinter jeden Ast: an jedem Ast ein neues Wunder. Fiederblättchen schon voll entfaltet, dicke Knospen, noch fest geschlossen, aber doch schon glänzend und saftgeschwellt, andre Knospen erst halb erblüht, die Blättchen heben and dehnen sich und schlingen die Spitzchen ineinander, das sieht aus, wie gefaltete Menschenhände. Irgendwoher streicht ein feiner Duft, irgendwo muß es schon blühen. Drüben im Laubwald leuchtet es blau und weiß: Anemenen und Immergrün.
Sonst scheint der Boden noch kahl und leer. Scheint so, aber ist es nicht. Das Grün liegt darüber, dieses herrliche neue Grün; Schaut man genau hin, findet man auch sonst noch allerlei. Die Gänseblümchen recken schon die Blätter, der Löwenzahn ist auch da mit dicken Knospen. Das Moos hebt sich saftvoll, und das Erdbeerkraut und die Heidelbeere haben junge Triebe angesetzt, und daneben noch dies und das, allerhand Gras und Kraut", wenn man nur wüßte was... I
„ Wenn man nur," schöner Erfolg unsrer Schule! Sieben Jahre Botanik gehabt, jedesmal einen Sommer lang und weiß nicht mal, was im Walde wächst. Oh, ohl
Aber das Kraut mit den Fiederblättern bringt eine Blume mit zwanzig Staubfäden, zwanzigste Klasse also nach Linné; sieh da, das hat doch festgesessen. Natürlich..! Natürlich.. Linnés System ivar ja die Hauptsache!
Der Wind geht falt. Die Sonne hat sich wieder verkrochen, das Wetter tobt. Schadet nichts. Drüben im Waldkrug sitt man troden und aus den Fenstern hat man den Blick frei. Herrlicher Blick!
Tief hängen die Wolfen. Eine schwere, bleigraue Masse kocht and brodelt der See. Die Wellen bäumen sich hoch und stürzen dahin wie wilde Rosse; der weiße Gischt spritzt himmelan. Der Wald rauscht in tausend Registern, die Birken biegen sich fast zur Erde, ihre zartgrünen Zweige peitschen durch die Luft, die Kiefern narren und schütteln dürres Holz, von den Eichen fallen die welken Blätter. Stein lebendes Wesen im weiten Rund
Kein lebendes Wesen, und dennoch Leben, Leben hundertfach, sprießendes, keimendes, quellendes Leben. Leben zum Licht sich ringend im Frühlingssturm, Aufruhr im All. der Aufruhr einer gebärenden Schöpferstunde. Aber auch der nur für Augenblice. Ein Glanz läuft über Wald und See, hinter den schwarzen Wolfenrändern flammt und funkelt es in golden glühendem Zickzad, und da ist die Sonne wieder...
Und streut verschwenderisch ihr Gold, Auf die Millionen, die drum betteln." Eine regelrechte Deklamierstimme spricht es im schönsten Höheren Töchterschul- Pathos.
Gehab' dich wohl, Einsamkeit!
Durch den Vorflur kommen sie. Ihrer vier find's; sehr elegant; Vater, Mutter, Jungfrau und Jüngling; der Jüngling offenbar nicht zur Familie gehörig. Die Jungfrau hat die Deklamierstimme, sie ist übrigens knapp über fünfzehn, also mehr noch Backfisch. Ste Stürmt sofort an das zweite Fenster:" Hach, hier sehen wir uns, hach, der Blick, ist das süß."
Die Mutter findet es gar nicht füß, sie ist dick und schwerfällig, sie prustet und schilt: Hab' ich's nicht gesagt, bei so'n Wetter raus? De janze Kleedage wird einem berregnet; aber die Verrückt heit sicht Dir ähnlich, Fribe!"
" Das ist doch kein Fink," lächelt der junge Mann. „ Nee, das is' n Zeisig," sagt die Mutter, er knarrt wie Tante Gusten ihrer."
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" Hach,' n Zeisig! Er schreit ja pink." Der Backfisch quietscht. Mutter,' n Zeisig schreit doch nicht pink!"
' s is' n Spah," entschied der Vater.
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,, Nein, es ist' ne Stohlmeise," erklärte der junge Mann.„ Milly, Du könntest es aber wissen. Ostern nach Eins- A verseßt und weiß nicht mut is' ne Stohlmeise singt! Ich danke!" Milly schoo Mäulchen vor:" Das haben wir doch noch nicht gehabt, wir sind doch eip taim Pfefferfresser Und ob man dett überhaupt weiß over nicht weiß Die Mutter warf den Kopf zurück.„ Weeßte, Frize, Du immer mu Dein Wissen. Dett is blos, weil De Dein Einjähriges hast, auf's Wissen kommt's überhaupt nicht an und det Höchste is, dett man Jefühl vor sowat hat...
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" Jawoll," nickte der Vater. Jefühl is't Höchste. Kellner, sagen Se, wird's nu bald? Bringen Se uns zwei große Weißen!“
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ck. Ein Handel mit Redeblüten. Eine amüsante Geschichte wird aus Paris berichtet: In einer Wählerversammlung beobachtete fürzlich ein Kaufmann einen Mann, der in seiner Nähe saß und eifrig die Wahlrede des Kandidaten nachschrieb.„ Der Herr ist ziveifellos Journaliſt?" fragte der Kaufmann neugierig. mein Herr," lautete die kurze Antwort. Der Kaufmann beeilte sich, da sein Nachbar wieder verstummte, zu versichern, daß er nicht etwa ein Polizeispion" wäre, und als in diesem Augenblick die Versammlung geschlossen wurde, lud ihn der Fremde ein, ihn in ein benachbartes Café zu begleiten, wo er ihm folgende überraschende Ausfunft gab: Jch will jetzt Ihre Neugierde befriedigen. Ich heiße Hégésippe Lalampe, und Sie sehen in mir einen Mann, der jahrelang Entbehrungen gekostet hat. Ich habe die verschiedensten Berufe ausgeübt, aber in feinem Glück gehabt, bis mir endlich die Idee fam, einen Handel mit Redeblüten zu beginnen."„ Was sagen Sie da?"„ Einen Handel mit Redeblüten Ich will es Ihnen erflären." Und Hégésippe Lalampe erzählte dem Kaufmann, daß er seit Jahren eifrig allen öffentlichen Versammlungen beiwohne und die schönen Phrasen notiere, die die Redner im Feuer des Vortrags vorbrächten. Sie werden mir zugeben, daß alle Redner, auch die weniger begabten, einmal eine prächtige Redeblüte, einen großen Schwung finden, der festgehalten zu werden verdient. Darauf passe ich auf, und ich notiere jede Redeblüte in meine Hefte. Ich habe schon 4000 gesammelt, die ich eines Tages veröffentlichen werde. Nicht wenige von ihnen habe ich an Politiker verkauft, und manches Mal hat man in der Kammer oder im Senat tönenden Phrasen Beifall gespendet, die ich aufgelesen hatte." Sehr entzückt von der Idee, fragte der Kaufmann, warum das Buch noch nicht erschienen wäre." Ich habe mein Manuskript leider einem Gläubiger als Pfand geben müssen und brauche 500 Fr., um es wieder einzulösen. Wenn mir einer diese Summe geben würde, so überließe ich ihm das Werk und er könnte ein Vermögen damit machen." Der Kaufmann glaubte hier ein gutes Geschäft machen zu können und schlug dem Manne ohne weiteres vor, sein Buch für die 500 Fr. zu erwerben. Die Verhandlungen dauerten mehrere Tage. Endlich nahm Der Kauf Lalampe an und gab die Adresse des Gläubigers an. mann begab sich zu diesem, zahlte die 500 Fr. aus und erhielt eine Quittung und eine Stassette, die das Manuskript enthielt. Als er es aber zu Hause öffnete, fand er nur ein altes Kochbuch darin. Sofort begab er sich zu der Wohnung des„ Gläubigers" zurück, aber dieser war verschwunden, und auch Hégésippe Lalampe war trotz aller Bemühungen nicht mehr aufzufinden.
Humoristisches.
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Uebermensch": Qualifitations- Nachweis. ,, Werden Sie aber auch der rechte Mann für die Dienerstelle bei mir sein?"
Stellesuchender: Gnädiger Herr, ich bin auch schon in einer Kaltwasser- Heilanstalt gewesen!"-
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Kindermund. Die Lehrerin erklärt den Spruch:" Ihr follt Euch nicht Schäze sammeln auf Erden, da die Diebe nach Sie fragt: Was ist denn ein Schatz, graben und stehlen." Lenchen?" Lenchen:„ Einer, der immer auf und ab geht."- ( Jugend".)
Büchereinlauf.
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Leo Norberg:„ Nur durch den Tod". Roman. Grübel u. Sommerlatte. Pr. 3 M. Alfred Springer: Des Vaters Fluch". Drama. Rudolf Mewes. Pr. 3 M.
Amerikanismus".
Friße ist der Jüngling; er nimmt den Vorwurf sehr kühl hin; er gehört offenbar auch nicht zu den vernünftigen Leuten. Bater lächelt seiner„ Alten" Beifall.
" Jatvoll, schimpf' nur, er mußte doch in den Frühlingssturm, Leipzig . und nu kann man hier ins Zimmer sizen, Quatsch mit Sauce!" „ Aber, Onkel, ist's denn nicht trotzdem schön?" Der junge Mann kommt ordentlich ins Feuer:" Sich doch mal bloß den Blick
von hier."
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Und wie die Vögel singen!" schwärmt der Backfisch.„ Hört mal den Finken; ist das süß." Berantwortlicher Nedakteur: Carl Zeid in Berlin .
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Theodor Roosevelt:
Hermann Seemann Nachf.
Dr. W. Marshall:„ Die Tiere der Erde". Stutt gart und Leipzig . Deutsche Verlagsanstalt . 1. Lieferung. Preis
60 Pf.
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