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Rasch schritt der Makler zum Eingang zurück. Der Kom- Was für Bilder mußte mein blutunterlaufenes, in unschöner missionär, der ganz im Dienfte der Universelle stand, brachte Verrücktheit rollendes Auge schauen! Da saß ein braber, christlicher Bericht aus der Coulisse, die trop des heftigen Frostes unter und baterländisch gesinnter Lieutenant traulich im Kreise seiner Familie; daß heißt der Kreis bestand vorläufig aus einem jungen der Säulenhalle bereits in Thätigkeit war. Vereinzelte Weibe, das in Spizen schwamm. Sie schwelgten in traulichem, echt Spekulanten getrauten sich hinaus und kehrten dann in den deutschem Familienleben. Da plötzlich gelangte die Socialdemokratie Saal zurück, um sich zu wärmen; die Coulissiers dagegen, in zum Siege. Sofort stürzte eine Horde der siegberauschten Umstürzler dicke Pelzmäntel mit aufgeſtülptem Kragen gehüllt, hielten in das Heiligtum des Lieutenants und zerstörten mit schwieliger wacker aus und bildeten wie gewöhnlich einen Kreis unterhalb Faust das christliche Familienleben, indem sie sowohl ihn als auch sie, der Uhr; sie schrien, gestikulierten und regten sich derart auf, so heftig fich die Unseligen sträubten, unter Berufung auf das nun­daß sie nicht einmal die Kälte fühlten. Der rührigsten einer mehr herrschende Parteiprogramm zwangen, fich freier Liebe und wilder war der kleine Nathansohn, der im besten Zuge war, ein großer Ghe zu ergeben. Und das schlimmste war, daß sich die Unholde ver­Herr zu werden; von dem Tage ab, wo er sein fleines Amt griffen hatten; denn das Weib war gar nicht die rechtmäßige Ehefrau des beim Crédit Mobilier niedergelegt hatte und auf den Gedanken Lieutenants, sondern diente beim königlichen Ballett... Deutsche , gekommen war, ein Zimmer zu mieten und einen Schalter zu eröffnen, war ihm das Glück günstig geblieben.

Mit rascher Stimme erzählte Massias, es habe den An­schein gehabt, als ob die Kurse unter der Last der Werte, mit denen die Kontermine den Markt überflutete, weichen wollten; da sei Saccard der Einfall gekommen, an der Coulisse zu operieren, um auf den amtlichen Anfangskurs im Parkett einzuwirken. Am Tage zuvor hatte die Universelle mit drei tausendunddreißig Frank geschlossen; er hatte nun Nathanjohn den Auftrag gesandt, hundert Stücke anzukaufen, die ein andrer Coulissier um dreitausendundfünfunddreißig ausbieten sollte. Auf diesem Wege würde eine Steigerung um fünf Frank erzielt.

"

Gut!" erwiderte Mazaud, den Kurs werden wir machen...

wählt feinen Socialdemokraten!

und

Ein Bonner Corpsstudent saß nächtens tief in Bücher vergraben. Er studierte Oberpräsident und Minister. Zu diesem Zwecke las er Blato und Kant, Marg' Kapital, Hegels Rechtsphilosophie, Newtons System, Helmholz' Optik und die Grundlagen der Integral- und Differentialrechnung. Wie schön leuchtete seine edel und tief So ging es schon jahrelang, Tag und Nacht. denkende Stirn! Immer las er, immer studierte er, und ein Buch war schwerer als das andre. Denn er wollte ja Dberpräsident Minister werden. Wie er aber gerade über die Ideenlehre des griechischen Philosophen grübelte, kam die Socialdemokratie ans Studer. Und das erste war, daß sie einen wüsten Hetzer und prafsenden Agitator in die stille Klause des Corpsstudenten sandten. Der forderte herrisch, das socialdemokratische Programm vorweisend, die Auslieferung der Bücher; denn Bücher seien ein Produktions­mittel und die müßten samt und fonders konfisziert werden. Der Corpsstudent mußte sich der rohen Gewalt fügen. Aber er konnte den Verlust seiner geliebten Produktionsmittel nicht überleben und nahm Gift, das er glücklich gerettet hatte; denn eigentlich hätte auch das vergesellschaftet werden müssen.... Deutsche . wählt teinen Socialdemokraten!

Und er kehrte zu den Gruppen der Makler zurück, die vollzählig anwesend waren. Alle sechzig waren da und machten schon, der Börsenordnung zuwider, unter sich Geschäfte zum Durchschnittskurs, bis der vorschriftsmäßige Glockenschlag er­Jm Dome hockte ein altes Weiblein, ließ die Kugeln des Rosen­tönte. Die zu einem bestimmten Kurs gegebenen Orders be- tranzes durch ihre Finger gleiten und betete zu ihrem Gott, recht einflussen den Markt nicht, da man ja diesen Kurs abwarten einfältiglich und andächtig. Auf einmal läuteten die Sturmgloden; muß; diejenigen Orders dagegen, die bestens" zur Notiz ge- die Socialdemokratie hatte gesiegt! Ein finsterer, unheimlicher Mann geben werden, deren freie Ausführung dem Spürsinn des drang in den Dom ein und schrie das alte Weiblein an: Unser Maklers überlassen bleibt, führen ein fortwährendes Programm fordert, daß wir die Religion zerstören. Ich bin ver­Schwanken der Kurse herbei. Ein guter Makler muß daher pflichtet, Dir unverzüglich den Herrgott aus der Seele zu reißen." schlau und scharfsichtig sein, einen schlagfertigen Verstand und" Jessas, das wird aber weh thun," stöhnte die Alte. Hilft alles geschmeidige Muskeln befizen, da oft von seiner Raschheit der stören." Damit pacte er die Frau und indem er sie feft hielt, las nicht," brüllte der Soci rauh." Ich muß Deine Neligion zer­Erfolg abhängt; außerdem find gute Beziehungen in der hohen ihr erst Büchners Kraft und Stoff" und dann Bank und überallher zusammengelesene Nachrichten unerläß- Häckels Welträtsel" vor. Bergebens sträubte sich die Alte. lich , von den Depeschen abgesehen, die man vor allen andren Sie konnte sich nicht wehren. Der Unmensch ließ sie nicht Leuten aus französischen und deutschen Börsen erhält. Zu el eher diesem brauch der Makler noch eine kräftige Stimme, um laut schreien zu können.

Mit dem Schlag ein Uhr faufte der Klang der Börsen­glocke wie ein Windstoß über das heftige Wogen der Köpfe Sahin. Die letzte Schwingung war noch nicht verklungen, als Jacoby, beide Hände auf dem Sammetgeländer gestützt, mit seiner brüllenden Stimme, der stärksten unter der Makler­schaft, ausrief:

"

" Ich gebe Universelle Ich gebe Universelle Er bestimmte feinen Preis und wartete auf die Nach­frage. Die fechzig Makler waren näher zusammengerückt und bildeten einen Kreis um die Schranken, in denen einzelne auf dem Boden liegende Auftragzettel grellfarbige Flecken bildeten. Angesicht gegen Angesicht standen sie da und schauten einander lauernd an, wie Duellanten beim Beginn des Zweikampfes, sehr begierig auf die Feststellung des ersten Kurses.

" Ich gebe Universelle!" rief wiederum der dröhnende Baß Jacobys, ich gebe Universelle..."

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( Fortsetzung folgt.)

Sonntagsplauderei.

Drei Dukend Flugblätter und ein halbes Dutzend Wahl­broschüren hatte ich durchgelesen. Sie waren freifinniger, national­liberaler, flerifaler, konservativer, antisemitischer, landwirtsbündle­rischer Herkunft, aber alle handelten gemeinsam davon, daß ein deutscher Mann feinen Socialdemokraten wählen dürfe. Herr des Himmels diese Socialdemokraten! Ich wußte bisher gar nicht, daß unser Jammerthal so überreich an herrlichen Gütern sei; ich merkte es erst an der Aufzählung der Güter, die alle von den Social demokraten wahr und wahrhaftig zerstört, werden würden. Meine Phantasie brandete in Schreckbildern. An zehntausend Feuerwehr­wagen raffelten durch mein Gehirn, brennende Bechtropfen in die Ganglienzellen streuend, und rote Teufel läuteten schrill und unabläffig; eine wahnsinnig gewordene Dampfsprize tanzte auf rasender Schleifen­fahrt radunter radüber den Kuchentanz.

er

Los, als bis er das Tezte Wort verlesen. Da war ihre Religion zerstört. Glaubenslos schlich das Weib aus dem Dom. Es hatte den Herrgott und zugleich das Lebensglück verloren. Zwei Tage darauf vergiftete fie den eigenen Ehemann und vier kleine Enkelfinder. Denn wer nicht glaubt, ist zu jedem Verbrechen fähig... Deutsche , wählt keinen Socialdemokraten... Deutsche , wählt feinen Socialdemokraten!

Der gute ehrliche und fleißige Flickschuster hämmerte emsig in der behaglichen Kellerstube des Hinterhauses, in die nur am längsten Tage, wenn es wolkenlos war, ein Lichtstrahl huschte. Acht lebendige, jedoch unmündige Kinder umringten den tüchtigen Hand­werker. Und das Weib lag auf einem Strohsad, bereit, dem ge­liebten Mann das neunte Kind zu schenken. Der 16. Juni hatte den Wahlfieg der Socialdemokratie gebracht. Und die nächste Folge war, daß ein lüderlicher Bursche, der einst bei dem Handwerksmeister ge­lernt hatte, aber wegen Entwendung von fünf Tausendmarkscheinen von ihm weggejagt worden, total betrunken hereintorkelte und dem Flickschuster Hammer, Ahle, Holznägel, Schemel und die sonstigen Produktionsmittel, ja sogar die Lampenkugel im Auftrag der Parteis leitung fortnahm und alles in das Eigentum der Gesellschaft über­führte. Der Handwerksmeister verdiente mum nichts mehr und in feiner Verzweiflung vergiftete er die ganze Familie mit Kohlenoxyd­gas Deutsche, wählt teinen Socialdemokraten! In seiner Laube, weit draußen im Norden Berlins , hißte gerade der patriotische Tischler eine neue schwarz rot- weiße Plötzlich Fahne. ergoß sich über die Laubenkolonie eine Rotte siegberauschter Socialdemokraten. Das Erfurter Programm in den Fäusten schwingend, vertrieben sie sämtliche Laubenbesitzer von der Scholle, zertraten die Blumen, vernichteten die schön rankenden Bohnen und streuten die Balken in alle Winde. Dann führten sie den Grund und Boden in den Gemeinbesitz über. Der patriarchalische Tischler jedoch hing mit leidenschaftlicher Liebe an der Scholle, auf der er mit soviel Mühe seine Laube errichtet und geschmückt, und sogar eine kleine Spargelzucht angelegt hatte. Darum wich und wankte er nicht. Mit heldenhafter Tapferfeit verteidigte er seine Scholle. Ver gebens! Bon unzähligen rohen Fauftschlägen getroffen, brach er Blutüberströmt und tot zusammen.. Deutsche , wählt teine Socialdemokraten!

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Solche Bilder wirbelten wirr durch meinen Schädel. Mühsam hielt ich mich noch aufrecht. Da traf es mich jäh, als hätte ich in