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( Nachdruck verboten.)
man hatte vor zwei Tagen Mazauds Gehilfen, Flory, ber- lein heftiges Kältegefühl. Das Feuer mußte feit dem geffrigen haftet und der Unterschlagung von hundertundachtzigtausend Abend ausgestorben sein, und noch hatte niemand daran ge Frank bezichtigt. Nach und nach hatten sich eben die Anforde- dacht, es neu anzuzünden. Was ihr noch mehr auffiel, war rungen der Fräulein Cchüchü, der ehemaligen Figurantin, die tadellose Ordnung, welche herrschte, als ob die ganze Nacht jener mageren Heuschrecke des Pariser Pflasters, gesteigert: und der ganze Vormittag verwendet worden wären, die Schubzuerst wenig kostspielige Vergnügungspartien, dann die laden zu leeren, die überflüssigen Papiere zu vernic en und Wohnung in der Rue Condorcet, dann Juwelen und echte die aufzubewahrenden zu ordnen. Nirgends Unordnung, nicht Spizen. Was den unglückseligen verliebten Burschen auf Ab- ein Aftenbündel, nicht einmal ein Brief lag umher. Auf dem wege geführt hatte, war sein erster Gewinn von zehntausend Schreibtisch standen in peinlicher Ordnung das Tintenfaß, die Frank nach Sadowa, dieses so rasch gewonnene und so rasch Federnschale, eine große Schreibmappe und mitten darauf ein gerronnene Vergnügungsgeld. Dann war mehr Geld nötig Bündel mit Notierungszetteln der Firma mit den grünen, geworden, immer mehr Geld in der Leidenschaft für das so hoffnungsfarbigen Zetteln. Diese kahle Dede und drückende fostspielig gewordene Weib. Das Auffallende war aber, daß Stille hauchten eine unbegrenzte Traurigkeit aus. Flory seinen Chef lediglich bestohlen hatte, um bei einem ( Fortsetzung folgt.) andren Makler seine Spielschuld zu begleichen, eine merkwürdige Redlichkeit, die scheue Angst vor sofortiger Exekution, wohl auch die Hoffnung, den Diebstahl zu verdecken und durch irgend eine wunderbare Operation das Loch auszufüllen. Im Gefängnis hatte er nach einem grauenhaften Erwachen in Schmach und Verzweiflung reichliche Thränen vergossen. Man erzählte auch, daß seine arme Mutter, die am gleichen Morgen aus Saintes eingetroffen und in einem befreundeten Hause abgestiegen war, um ihn zu besuchen, vor Gram jezt frank lag. Welches merkwürdige Ding ist doch das Spielglück!" dachte Frau Karoline beim Ueberschreiten des Börsenplates. Buerst der ungewöhnliche Erfolg der Universelle, dieses rasche Hinansteigen zum Triumph, zur Eroberung und zur Herr schaft in weniger als vier Jahren; dann dieser plötzliche Sturz des in Monatsfrist zu Staub gewordenen Riesengebäudes, dies alles erfüllte sie immer noch mit stummem Entsetzen. War das nicht auch Mazauds Lebensgeschichte? Noch nie hatte, fürwahr, einem Manne das Schicksal so gelächelt. Wechselmakler mit zweiunddreißig Jahren, schon durch den Tod seines Dheims sehr reich, glücklicher Gatte einer reizenden Frau, die ihn verehrte und mit zwei schönen Kindern beschenkt hatte, war er auch noch ein hübscher Mann und gewann mit jedem Tage im Parkett eine angesehenere Stellung durch seine Beziehungen seine Rührigkeit, seinen wahrhaft erstaunlichen Spürsinn, sogar durch seine schrille Stimme, die scharf wie eine Querpfeife war und so berühmt wie Jacobys Donnerbaß. Und jezt war seine Stellung jählings erschüttert, jetzt stand er am Rande des Abgrundes, genügte ein Windhauch, um ihn hineinzustürzen. Und doch gespielt hatte er nicht, immer noch durch seinen Feuereifer für die Arbeit und seine jugendliche Mengstlichkeit dovor bewahrt. Im offenen, ehrlichen Stampfe fiel er, durch seine Unerfahrenheit und Leidenschaft, weil er andren zu sehr getraut hatte. Uebrigens nahm die Sympathie für ihn nicht im geringsten ab, man behauptete sogar, er fönne sich herausarbeiten, wenn er große Kühnheit entwidelte.
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Als Frau Karoline ins Makleramt eintrat, war der Geruch des Ruins. der Schauder heimlicher Angst in den still gewordenen Geschäftsräumen deutlich wahrzunehmen. Beim Betreten des Stassenraumes sah sie etwa zwanzig Personen, eine ganze wartende Menge stehen, während der Barkassierer und der Effektenverwalter mit fäumig gewordener Hand den Verpflichtungen des Hauses noch nachkamen und die letzten Schubladen entleerten. Durch die halboffene Thüre erschien ihr die Abrechnungsstelle wie eingeschlafen, die fieben Angestellten lasen die Zeitung, da seit der Geschäftslosigkeit der Börse nur noch wenige Geschäfte zu überschreiben waren. Nur in der Barabteilung herrschte noch einiges Leben. Berthier, der Prokurist, empfing sie dort selbst, blaß vor Aufregung über das Unglück des Hauses.
" Ich weiß nicht, gnädige Frau, ob Sie Herrn Mazaud sprechen können... Er ist etwas leidend, er hat sich erkältet, indem er die ganze vorige Nacht ohne Feuer arbeitete, und ist jetzt in seine Wohnung hinuntergegangen, um etwas zu ruhen."
Frau Karoline wollte nicht weichen.
Bitte, mein Herr, machen Sie, daß ich einige Worte mit ihm sprechen kann... Vielleicht steht das Heil meines Bruders auf dem Spiel. Herr Mazaud weiß ganz genau, daß mein Bruder sich nie um die Börsengeschäfte gefümmert hat, und fein Zeugnis wäre von großem Belang... Andrerseits habe ich ihn wegen einiger Ziffern befragen wollen, er allein fann mir über gewisse Papiere Auskunft geben." Immer noch zögernd ersuchte sie Berthier schließlich, in bas Arbeitszimmer des Prinzipals einzutreten. Warten Sie hier ein wenig, gnädige Frau, ich werde fofort nachsehen."
In diesem Zimmer empfand Frau Karoline thatsächlich
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Am Vormittage war der halbwüchsige Sohn des„ Direktors" barfüßig durch das Dorf gegangen. Er war beladen mit einem alten Holzstuhl, einem mit Mehlfleister gefüllten Eimer und hatte sich mit einem mächtigen Pinsel bewaffnet, um an nahezu sämt liche Mauern und Bretterzäune das riesige Plakat anzufleben. Der weltberühmte Cirkus" verkündete seine Ankunft und lud zur Inaugenscheinnahme der„ unübertrefflichen Nummern" für den heutigen Abend ein. Equilibristen, Gymnastiker, Jongleure, Turmseilläufer, Schlangen- und Kautschutmenschen, eine„ konkurrenzlose" Riesen dame mit herkulischen Kräften, der zehnjährige Harry, welcher die große Riefenwelle dreihundertmal vor und rüdwärts produzieren wollte, sowie Elvira, das flügste Pferd der Welt" fie alle empfahlen sich der Aufmerksamkeit eines geehrten p. t. Publikums". Den Schluß des reichhaltigen Programms bildeten Lebende Bilder bei bengalischer Beleuchtung des gesamten Etabliſſements". Als die Mittagshize sich ausbreitete und die Bauern auf dem Kanapee oder in den Heuschobern ein Stündchen der Ruhe pflegten, schreckte gellender Trompetenton die Schlummernden auf. Ein feltfamer Reiter ritt durchs Dorf. Auf einem kleinen mageren Pferde mit hängendem Kopfe, das sattellos und nur mit einer Schabradeeinem schäbigen, ausgedienten Teppich bedeckt war, saß in stolzer Haltung der Direktor und blies mit vollen Lungen in das Metall geeilt, so verkündete es noch einmal die pathetische Stimme des horn. Und war alles aufgestört und neugierig vor die Thüren Reiters, daß am heutigen Abend etwas Nochniedagewesenes sich dem staunenden Publikum bieten würde. Trompetenstoß, ein Sporendruck und der Bony mit den halbgeschlossenen Augen schlich weiter. Hinter ihm und dem phantastischen Ritter, dessen Kostüm teils bei spanischen Granden, teils bei Indianern erborgt zu sein schien, sammelte sich die Schuljugend zu johlendem Schwarme , indes die Kleinsten sich in fcheuer Ehrfurcht an die Schürze der älteren Schwester flammerten. gwei grüne Cirkuswagen mit Kleinen gardinenverhangenen Fenstern Auf einer Wiese kurz vor dem Dorfe endete der bunte Umzug. hatten hier ihren Standort gewählt und ganz in ihrer Nähe war bereits mit dem Bau der Arena begonnen worden. Pflöcke in weitem Kreise begrenzten zunächst den Platz. Dann erhoben sich in weiteren Abständen hohe Pfähle, um die das Zelttuch gespannt und dessen unterer Rand mit Schnüren an den Pflöden befestigt wurde. Ein Dach gab es nicht. Bei ungünstiger Witterung," so las man auf dem Zettel, findet die Vorstellung am andren Tage statt." Das Wetter war günstig. In tiefer Bläue strahlte der Himmel. Befriedigt konstatierte es der Direktor, welcher sich bereits um sechs uhr an der Kasse niederließ. Die„ Kasse", das war ein kleiner viereckiger Tisch mit einem Teller.
Wer den Direktor vorher beim Herrichten des Cirkus gesehen, mußte erstaunen über die äußere Wandlung, die mit dem Manne Arbeiter in schmutzigem Hemd, in schmieriger Hose, dem die Sorgen borgegangen war. Aus dem schwißenden, Pflöcke einschlagenden aus jeder Falte des wellen Gefichts sprachen, war ein Direktor in schwarzen Beinkleidern geworden, der mit Hoheit und Würde seines Amtes waltete. Eine wohl ehemals weiß gewesene Weste fiel nur dem schärferen Blid als nicht ganz einwandfrei auf. Dagegen zeigte der fettglänzende Frack allzu deutlich die Spuren der fleißig gebrauchten Bürste. Auch der Kragen, die Stulpen waren nicht eben erst aus der Wäsche gekommen, während der Shlips eine bedenkliche Neigung zeigte, fich auch im letzten Reste zu zerfasern. Als Krönung des Ganzen präsentierte sich ein sturmgeprüfter Cylinder, unter dem das lange schwarze Haar strähnig hervorquoll.
Um siebeneinhalb Uhr hatten drei Gäfte die Kasse passiert: zwei Kinder und eine Bauernmagd, welche die Zeit nicht erwarten fonnten. Sie stellten sich hinter der Barriere auf, wo der Platz zehn Pfennige Der Stehplay war pro Person tostete. Dann läpperte" es sich. am begehrtesten. Knechte, Mägde, Kinder füllten ihn. Rohe, auf fleinen Holzböden ruhende Bretter bildeten den zweiten Blaz, für dessen Benutzung das doppelte Entree zu entrichten war. Hier hatten fich einige Bauern mit ihren Frauen, der Barbier des Dorfes und etliche Sommerfrischler niedergelassen. Im ganzen etwa zehn Personen.
Der Bürgermeister", dem die Wiese gehörte, war im Besiz eines Freibillets für den ersten Blaz, einer einzigen Stuhlreihe im