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liche Rage geraten; fie mußte allerlei Unkosten zahlen und lebte

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Aus der neueften Aus der neuesten Belletriftrik.

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unter der steten Drohung eines gerichtlichen Zwangsverkaufs; ihr eigner Sachwalter hatte ihr den Rat gegeben, alles im Unheimlicher noch als die Versproduktion ist, kann man bes Stich zu lassen und sich in eine bescheidene Wohnung zurück- haupten, die deutsche Belletristik ins Kraut geschossen. Ein bes zuziehen, wo sie ohne Aufwand leben konnte, während er die dächtiges Ausreifen des zu Gestaltenden scheint mehr und mehr neben­Schulden zu liquidieren sich bemühte. Sie hätte nimmermehr sächlich zu werden. Dagegen heißt es: Schnellproduktion um jeden nachgegeben und wäre vielleicht eigensinnig darauf beharrt, dramatikern jährlich mindestens ein abendfüllendes Zugstück zu er= Preis. Sind wir doch schon dahin gelangt, von unsern Mode­ihre Stellung, diese Lüge eines unversehrten Vermögens, bis warten. Und die Dichter fügen sich dem Drange der raschlebigen zur Bernichtung ihres Hauses und bis zum Einsturz des Daches Beit  , aus Besorgnis, ansonst in Vergessenheit zu geraten. Diese Be­aufrecht zu erhalten, wenn nicht ein neues Unglück sie nieder- forgnis um die Popularität des Namens ist es jed ch nicht allein. geworfen hätte. Ihr Sohn Ferdinand, der letzte der Beau- Sondern die Eristenzfrage bildet wohl das treibende Motiv für alle villiers, jener überflüssige, von allen Aemtern ferngehaltene beschleunigte künstlerische Thätigkeit. Nur der Lyriker genießt die junge Mann, der unter die päpstlichen Zuaben gegangen war, gnügen. Der erfolgreiche" Bühnenautor dagegen kann es zum an­beneidenswürdige Ausnahmestellung, sich mit ideellen Werten zu be= um seiner Nullität und seinem Müßiggang aus dem Wege zu gesehenen" Stapitalisten bringen. Weniger allerdings ein Roman­gehen, war ruhmlos in Rom   verstorben, nachdem seine Blut- Schriftsteller, zumal wenn er lediglich nach künstlerischen Werten armut und seine von der allzu heißen Sonnenglut mit- strebt, oder wenn er Probleme behandelt, die seitab von der Heer­genommene Gesundheit ihn gehindert hatten, in Mentana   mit- straße des Alltäglichen liegen und nicht der Anschauung des großen zufämpfen, da er schon damals fiebernd und brustkrank da- Haufens schmeicheln. Denn auch die Verleger sind es nachgerade ge­niederlag. Bei dieser Schreckenstunde war im Innern der wohnt geworden, in den meisten Fällen die Drucklegung eines Romans Gräfin   wie eine plötzliche Leere entstanden: ihre ganze Ge- von seiner lukrativen Verwertung für Familienblätter oder Tages­dankenwelt, ihre ganze Willenskraft war mit einem Male zu- zeitungen abhängig zu machen. Und so kommt es wohl, daß wir in ſammengestürzt und damit auch das mühsam aufgebaute Ge- der Sündflut deutscher Romane nur selten einer vollwertigen Perle rüst, welches seit so langen Jahren die Ehre des Namens stolz Vorkommnisse in der Gesellschaft" bieten dann außerdem einer An­begegnen. Die Anknüpfung an sensationelle" Zeitereignisse oder aufrecht hielt. Vierundzwanzig Stunden genügten; das Haus zahl berufener oder unberufener Belletristen den willkommenen Ans zeigte Risse, und unter dem Schutt tauchte des Elends grauen- laß für mehr oder minder mundgerecht gemachte Unterhaltungs­volles Antlitz auf. Man verkaufte das bejahrte Pferd, die Romane". So hat denn auch die Ehe- Irrung" der Prinzessin Köchin blieb allein im Dienst, ging mit einer schmutzigen Luise von Toskana   rasch genug einige Dramen- und Romanschreiber Schürze auf den Markt, holte für zwei Sous Butter und ein zweifelhafter Gattung zu marktschreierischen Schöpfungen" ange­Riter weiße Bohnen; die Gräfin wurde mit fotbespritztem Rock regt. Als eine von diesen erscheint mir der Roman   Nur durch und mit Stiefeln auf der Straße gesehen, welche das Wasser sichtigen Pseudonym ein Schriftsteller masculini oder feminini den Tod" von Leo Norberg). Ob sich hinter dem durch=. durchließen. lleber Nacht war die Dürftigkeit hereingebrochen, generis verbirgteher scheint mir das letztere zu sein ist im bei dieser Frau, die noch an die gute alte Zeit glaubte und Grunde ohne Belang. Der Roman soll, die Tragödie einer katholischen gegen ihr Jahrhundert ankämpfte, hatte das Unglück sogar den Ehe" sein. Die Handlung dreht sich um das Problem der Unlös­Stolz hinweggeweht. Sie hatte sich mit ihrer Tochter nach lichkeit" einer solchen Ehe- in Destreich. Ein angehender Diplomat der Rue de la Tours- des- Dames zu einer ehemaligen Kleider- hat eine kokette pikante Wienerin sozusagen von der Straße weg ge­trödlerin geflüchtet, die fromm geworden war und möblierte heiratet. Das Glück ist nicht von langer Dauer. Es kommt zur Zimmer an Geistliche vermietete. Dort bewohnten beide Scheidung. Die thut der geschiedenen Frau zwar keinen materiellen Frauen ein großes, ödes Zimmer mit einem verschlossenen hauers heiratet, das reizt sie zur Rache. Diese ziveite Ehe konnte Schaden. Aber daß ihr bisheriger Mann die Tochter eines Bild­Alfoven im Hintergrund, eine Wohnung voll würdigen und der Geschiedene nur bewerkstelligen, indem er nebst Braut zur uni­traurigen Elends. Im Alkoven standen zwei schmale Bettchen, tarischen Konfession übertrat und ungarischer Staatsbürger wurde. und wenn die beiden Alfovflügel, welche dieselben Tapeten Für die übrige Welt, besonders aber für die erste Frau ist diese Heirat hatten wie die Zimmerwände, geschlossen waren, verwandelte zweifelhaft. Die Geschiedene betrachtet sich nach wie vor als legitime fich das Zimmer in einen Salon. Diese günstige Einrichtung Gattin, die nur allein das Recht habe, diesen Namen zu führen. Es hatte sie einigermaßen getröstet. kommt zu einem Eclat, und nur der Umstand, daß die rachsüchtige Frau von einem ihrer füdländischen Verehrer erschossen wird, öffnet thönernen Füßen. Um die Unlöslichkeit" der Ehe darzuthun, er­den Lebenden den Weg zum Altar.. Die ganze Fabel steht auf fand sich der Autor einen Typus von Megäre nach dem Muster eines regelrechten Hintertreppen- Romans. und nun konnte die Geschichte losgehen. Wenn man sich durch die 38 Kapitel hindurchgearbeitet hat, ist einem wirr im Kopfe. Es geht wie beim Musikphonographen. Ist die eine Rolle abgeleiert, kommt eine andre heran. Von Psychologie oder Menschenzeichnung keine Spur, Schablone ist alles.

An jenem Sonnabend hatte die Gräfin Beauvilliers fich faum seit zwei Stunden in dieser Wohnung niedergelassen, als ein unerwarteter und ungewöhnlicher Besuch sie in neue Angst versette.

Zum Glück war Alice gerade ausgegangen. Mit seinem breiten und schmutzigen Gesicht, seinem schmierigen Rock, seiner zu einem Strid gedrehten weißen Halsbinde, stand Busch vor der Gräfin. Sein Spürsinn hatte ihm wohl den günstigen Zeitpunkt verraten und in ihm den Entschluß gereift, endlich die alte Geschichte mit dem Schuldschein von zehntausend Frank an die Léonie Cron zum Abschluß zu bringen. Mit einem Blick auf die Wohnung hatte er die Lage der Witwe erkannt, sollte er etwa zu lange gewartet haben? Als Mann, der gelegentlich höflich und geduldig sein kann, hatte er der ent­setzten Gräfin den Fall ausführlich auseinander gesetzt. Das war wohl die Schrift des Grafen? Dadurch wurde die An­gelegenheit völlig klar: eine Leidenschaft des Grafen für das betreffende Mädchen. das schlaue Mittel. sie zuerst zu födern und dann wieder los zu werden. Er hatte nicht einmal ver­schwiegen, daß er sie nach bald fünfzehn Jahren nicht für ge: setzlich verpflichtet hielt, den Schein einzulösen. Allein er sei bloß der Vertreter seiner Klientin und wisse, daß diese die Gerichte anzurufen und einen ganz grauenhaften Standal zu erregen entschlossen wäre, wenn man sich nicht mit ihr abfand. Schreckensbleich und ins innerste Herz getroffen durch diese wiedererstehende scheußliche Vergangenheit, sprach die Gräfin ihre Verwunderung aus, daß man so lange gezögert hätte; da hatte Busch eine lange Geschichte erfunden, der Schein sei verloren und auf dem Boden eines Roffers wiedergefunden worden. Als die Gräfin sich endgültig weigerte, auf das An­finnen einzugehen, war er zwar immer noch höflich, aber mit dem Versprechen weggegangen, er werde mit seiner Klientin wiederkommen, nicht am folgenden Tage, da diese das Haus, in dem sie arbeitete, Sonntags nicht gut verlassen konnte, aber sicherlich nächsten Montag oder Dienstag.

( Fortsetzung folgt.)

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Dem Norbergschen Buche wird sonach selbst nicht die Affaire" der sächsischen Ehe Frrung" den Reiz besonderer Aktualität", worauf es doch abgesehen war, verschaffen. Etwas gruseliger Natur may rezer). Ein Arzt, der sich viel mit der wissenschaftlichen ist auch der Berliner   Roman, Die Sphing in Trauer" von Ergründung der Hypnose befaßt hat, ist in eine Art von Scheintod verfallen. In diesem Zustande mit wachen Sinnen aber unfähigen Gliedern liegend, hört er nun, wie sich seine Frau mit ihrem Lieb­haber über ihn und ihre Zukunft berät. Nie hatte er gewußt oder auch nur geahnt, daß die Frau ein Verhältnis" mit einem andern unterhielt. Als er dann durch die Kunst eines Kollegen wieder ins erforschen. Bon Handlung" fann bei einem solchen psychologischen eben zurückgerufen worden ist, geht er daran, jenes Geheimnis zu Verfahren nur wenig die Rede sein. Hat dies Abmühen des Mannes in ähnlichen Wiederholungen etwas Ermüdendes an sich und ist auch die Behandlung des Scheintodfalles nicht gerade neu, so wird man Stretzer doch nicht absprechen können, daß er mit großer Sachkenntnis und mit viel tiefgründigem, beinahe kriminalistischem Scharfsinn seinem Problem zu Leibe gegangen ist. Man vermag nur nicht ein­zusehen, warum die Frau, nachdem sie so ertappt wurde, aus ihrem Unbekannten ein so großes Geheimnis macht und lieber Selbstmord nun nicht mehr abzuleugnenden ehebrecherischen Verhältnis zu dem verübt, als es zu offenbaren. Man erfährt also nichts, und hierin darf wohl eine Schwäche des Romans gefunden werden. Jedenfalls tam es frezer nur darauf an, die" Sphing" im Weibe aufzuzeigen. " Das Weib ist" so meditiert er die Flut und die Ebbe unfres Lebens, der Traum unfres Daseins, die Sehnsucht, die Lust und der Schmerz. Alles Gute stammt vom Weibe, alles Schlechte kommt von blidt aus dem Weibe, aus dem guten und aus dem schlechten. Die ihm, denn seinem Schoße entspringen wir alle... Das ewige Rätsel

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Leipzig  . Verlag von Grübel u. Sommerlatte. 3) Berlin  . F. Fontane u. Co.