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Schwäche ihres Geschlechts ist die Siegelbetvahrerin ihres Geheim­nisses, die innere Wehrkraft gegen die Stärke des Mannes, mit der fie fich schützt und tausend Siege erringt gegen feinen... Ein Weib tann hundert Geheimnisse eines andern an einem Tage erzählen, fie wird ihr eignes aber nicht in hundert Jahren enthüllen. Und des­halb ist sie für uns das große Rätsel, zu dessen Lösung wir immer wieder zurückkehren, so oft wir auch schon daran gescheitert sind..." Zugegeben, daß Kreter recht hat. Wie aber kam das Weib zu diesem Wesen, da man schwerlich wird behaupten können, daß es, wenn auch schon ein Stück Natur", sich zur gefürchteten Sphing" entwickeln konnte? War nicht die sflavische Abhängigkeit, in die sie der Mann seit alters her gebracht hat, schuld daran? Jedenfalls darf man hoffen, daß der Sphinx- Charakter dem Weibe abhanden gehen wird, je mehr dieses zu rechtlicher und socialer Gleichstellung mit dem Manne gelangen wird. Auch die Frau in Karl Larsens, des dänischen Schriftstellers, neuestem Roman Was siehest du aber den Splitter") meint an einer Stelle, daß es Dinge gäbe, über die eine Frau ihrem Manne gegenüber schweige. Es sei das in der Schwangerschaft, obwohl sie es sich vorher niemals denken fonnte, denn ein kleines Kind. das war doch etwas so unglaublich Wirkliches". Da haben wir eine andre Seite des weiblichen Wesens: die Mutterschaft. Sie verändert das Weib von Grund aus, ohne daß dieses deshalb in allen Fällen sein Verhältnis als liebende und geliebte Gattin zu verändern braucht. Aber das Verschweigen und Behüten eines so füßen Geheimnisses ist doch etwas ganz andres. Das Bewußtsein der Mutterschaft adelt das Weib. Dem Kinde zu liebe ist es wohl fähig, die Liebe zum Mann zu opfern, wofern dieser danach geartet ist. Dann kann Mutterliebe vielleicht einseitig, ja sogar frankhaft fanatisch werden. Diese Frau in Larsens Roman hat als Kind den Vater abgöttisch geliebt, dagegen zur Mutter nie­mals ein rechtes Verhältnis gefunden. Dann heiratete sie. Daß sie den Mann so ohne Verstand" zu lieben lernen muß, das wird ihr erst flar, nachdem sie Mutter geworden. Die Männer," sagt sie, lieben diese Frauen, die sich ihnen auch wohl bethörend hingeben müssen. Es wurde mir von Tag zu Tag immer flarer, daß ich zu der andern Art gehört hatte, zu denen, die Männern gegenüber scheu sind und die meinen, daß sie, wenn sie ihnen nachgeben, sich selber ein wenig Abbruch thun. Wir können Männer lieben, aber nicht mit diesem finnlichen Zauber, der alles nur in zweierlei auflöſt: Hingebung und Eifersucht unter den verschiedensten Formen. Wir können den Männern vielleicht mehr opfern, aber wir können uns nicht ganz vergessen wie die andern, die Keuschheit und Ehrgefühl mit drauf gehen lassen und das Gefühl, daß sie doch auch Menschen für sich sind... Die Männer wollen nicht von selbständigen Wesen ge= liebt werden, sie wollen bewundert werden und Opfer von denen an nehmen, die von ihnen geblendet sind". Bei solcher Wesensart ist's kein Wunder, wenn diese Frau nun sogar des Mannes Feindin werden fönnte, weil er, wie sie, dem Knaben zugethan ist. Sie lechzte so sehr

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ihres Mannes

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fie Schulen bauen. Und indem er sich zugleich die Achtung und Freundschaft des russischen Gouverneurs erringt, vermag er auch mit dessen Mithilfe und Unterstübung bessere Zustände in der obrigkeit­lichen Ortsverwaltung herbeizuführen. Vor des Lesers Auge thut fich da ein breites, plastisches und wie mich bedünkt, auch wahrheits­getreues Kulturbild des russischen Ostens auf. Die Verkommenheit des Adels, die Erbärmlichkeit der Polizeiwirtschaft, die Unsicherheit der wirtschaftlichen und volklichen Zustände, darin diese Juden in ihrer traditionell überkommenen talmudischen Starrköpfigkeit, Verschmitt­heit und fanatischen Verfolgungswut, aber auch in ihrer persönlichen Tüchtigkeit und hochgeistigen Strebsamkeit: das alles stellt einem der Verfasser mit Ernst und sarkastischem Humor leibhaftig vor Augen. Das Buch wirkt durch seine innere Räumlichkeit. Es wirft neue Horizonte auf, oder es zeigt sie wenigstens in eigenartiger Be­leuchtung. Es ist mit einem Wort ein tüchtiges Buch. Ernst Kreowski .

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Kleines feuilleton.

,, Redemptoristen ". Jm 18. Jahrhundert kam es häufiger vor, daß Leute, die nach Amerika auswandern wollten, aber nicht die nötigen Mittel zur Ueberfahrt besaßen, mit den Reedern ver­einbarten, die Schuld drüben in Amerika abzuverdienen. Ein tüchtiger Arbeiter konnte nach drei bis vier Jahren loskommen, oft aber dehnte die Frohnde sich wohl auf die doppelte Zeit aus; Kinder blieben ohnehin bis zur Mündigkeit bei den Herren, denen fie verkauft worden. Redemptoristen hießen diese Schuldsklaven; sie mußten es fich gefallen lassen, als Ware von Hand zu Hand zu wandern, bis der Kontrakt erlosch. Aus dem Philadelphier Staats­boten", der gelesensten deutsch- amerikanischen Zeitung des achtzehnten Jahrhunderts, sind einige Annoncen hervorgeholt, die den Handel

charakterisieren:

1764: Das Schiff Stolly ist von Rotterdam angelangt mit 250 deutschen Leuten. Selbige find alle überaus frisch und gesund. 1774: Es find noch 50 bis 60 Leute, die neulich aus Deutsch­ land angekommen sind, vorhanden, so bei der Witwe Kreiderin im goldenen Schwan logieren. Darunter find zwei Schulmeister, Hand­werker und Bauern, auch artige Kinder. Sie möchten für ihre Fracht dienen.

100 wohlaussehende Deutsche, und deren Fracht ist zu bezahlen an 1775: Es sind eben angelangt in dem Schiffe London : Ueber Jeremias Warden: Bauern, Netzmacher, Pflasterer, Schreiner, Seiler , Vergülder, Geelgießer, Schreiber, Weber, Färber, Haar­Küfer, Zimmerleute, Hosen­frisierer, Kupferdrucker, Malzer,

macher usw.

Sie ist ein starkes, gesundes Mensch, nicht mehr als fünfundzwanzig 1766: Es ist zu verkaufen einer deutschen Magd Dienstzeit. Jahre alt, ist lestverwichenen Herbst gekommen und wird keines Fehlers wegen verkauft, sondern nur weil sie sich nicht für den Dienst schickt, in welchem sie jetzt steht. Sie versteht alle Bauern­arbeit, wäre vermutlich gut für ein Wirtshaus. Sie hat noch fünf Jahre zu stehen.

Alter.

groß und start. Sie wird keines Fehlers wegen verkauft, sondern hat. Sie hat noch 4 Jahre zu stehen. weil ihr Meister so viel von dem weiblichen Geschlecht beisammen hat. Sie hat noch 41%, Jahre zu stehen.-

nach Liebe. Nun, wo sie ihr Kind hat, will sie ihm alle Liebe zu wenden, ohne daran gehindert zu sein. Der Roman zerfällt in zwei Teile. Der erste ist Die Beichte einer Frau". Sie schildert in einem Briefe an eine Freundin ihr ganzes Innenleben, Wohl und Wehe von Kindheitstagen her bis nun, da der Knabe herangewachsen ist. Der zweite Teil enthält Arel Halds Auf­zeichnungen" in eben demselben Lebensabschnitt. Jene Beichte und 1773: Es ist zu verkaufen die Dienstzeit eines Weibsmensch diese Aufzeichnungen dürfen zusammen als interessante Dokumente zur Kunde über das Wesen beider Geschlechter gelten. Der physische und ihres Kindes. Das Mensch ist zwischen 23 und 24 Jahre alt und und psychische Widerstreit der Naturen in den wichtigsten Stadien das Kind, welches ein Knabe ist, etwa 12 Jahre; die Mutter hat ihrer Entwicklung und Kämpfe thut sich hier auf. Auch dies ist ein noch sechs Jahre zu stehen und das Kind bis auf sein mündiges psychologischer Roman. Mag man auch so gar keine Handlung" 1775: Es ist zu verkaufen die Dienstzeit einer Magd; sie ist darin entdecken und mögen sich auch neben mancherlei Wiederholungen in beider Lebensgängen Widersprüche vorfinden, jedenfalls sind sie im Wesen des Mannes und Weibes an sich begründet und der Verfasser zeichnete sie auf, wie als eigne Erlebnisse und Sonfeffionen". So mag man denn auch den etwas lehrhaften Titel berechtigt halten. cg. Muffrika. Eine der ödesten und an Naturschönheiten ärmsten Ein interessanter Roman ist N. Pruschanskis, Ein Blatt aus der Chronikunsrer Stadt"), und zwar zunächst des- Gegenden Deutschlands ist der an Holland grenzende Teil Nordwest­halb, weil es ein specifisch russischer Juden- Roman ist. Der Ver- deutschlands, dem der Volkswitz den Namen" Muffrita" beigelegt fasser führt uns in eine ausschließlich von Juden bewohnte Kleinstadt weite, unfruchtbare Tiefebene, größtenteils mit Heidekraut be= Es ist nach einer Studie von R. Majtewski( Muffrika") eine in Russisch- Polen. Da werden uns nicht allein die politischen Verwachsenes Moor, aus dem winzige Städtchen und Dörfer, wie Dasen hältnisse vorgeführt, sondern auch hauptsächlich die Zustände, in denen in der Wüste, inmitten saftigen Grüns und bebauten Landes auf­dort die Juden bis zur Zeit der Reformen Nikolaus I. verharrten. tauchen. Frei schweift der Blick über die dürre, braune Fläche, über Dieser kaiserliche Utas bestimmte nicht nur, daß auch die Juden zum und und vereinzelte, dünngesäte Tannen­einförmige Sanddünen Militärdienst herangezogen, sondern daß auch Schulen gegründet und Föhrenwaldungen mit ihrem melancholischen Grün, bis werden sollten, in denen neben anderm natürlich die russische Sprache betrieben wurde. Beides wollen die Juden aber nicht, fie verhalten bleibt. Eine Sommernacht im Moore hat etwas Grausiges sich ebenso zäh als hartnädig gegenüber allen gut oder schlecht ge­meinten Reformbersuchen. Freilich fehlt es nicht an einzelnen Mit­gliedern in der Gemeinde, die höher hinaus denken, weil sie wenigstens Hebräisch lesen und schreiben konnten, während die große Masse über haupt des Lesens und Schreibens unkundig war. Ven diesen wenigen geht nun die Bekehrung der andern zu den russischen Neuerungen aus. Im Mittelpunkte des Ganzen steht ein junger gelehrter Jude, der außer talmudischen und kabbalistischen Studien auch andre philo­logische und erakte Wissenschaften getrieben hat. Der wirft sich zum Lichtbringer der Glaubensgenossen auf. Natürlich wird er von ihnen, die in Unwissenheit verblendet find, fanatisch bekämpft und fanatisch gehaßt. Trotzdem gelingt es ihm, die Juden dahin zu bringen, daß

) Berlin und Stuttgart . Ayel Junders Verlag. Berlin . Siegfried Cronbach.

hat.

er

an

an

dem ärmlichen Anwesen

eines

Kolonen" haften

sich, das uns unwillkürlich an die Herenscene in ., Macbeth" erinnert. Der Mond gießt sein falbes, ungewisses Licht über schwarze, brodelnde Sümpfe. Ginsterbüsche und Erlen werfen unheimliche Schatten. Die tiefe Stille der Nacht wird nur ab und zu durch den Schrei des Uhus oder durch das Quaten eines Frosches unterbrochen, während das unheimliche Wimmern des Ziegenmelters bald näher, bald ferner an unser Ohr schlägt. Das entfernte Bellen eines Hundes zeigt uns an, daß sich weiter draußen im Moore noch Leben regt. Vielleicht sind es Schmuggler, welche die nahe holländische Grenze überschreiten. Diese verwegenen Gesellen scheuen keine Mühe, teine Anstrengungen, um sich wenige Groschen fauer zu verdienen. Der Bauer Muffritas, unter fortwährenden Entbehrungen und Kämpfen mit dem undankbaren Boden aufgewachsen, ist eine echt germanische Natur. Er klebt zäh am Alten, ist wenig redselig, dabei­aber gutmütig, ehrlich. Seine Tracht ist noch genau dieselbe wie