beweist schon jene Offenherzigkeit deZ Herrn tr b. Marwitz, die eingangs citiert wurde. Und sie setzten ihren Kopf wieder durch: anstatt dasz, wie die Absicht der Reformer gewesen war, im Osten die Junker einen großen Teil ihres alten Raubes herausgeben mußten, bekamen sie noch mehr dazu: damit schloß das Reform- Werk 1316. Inzwischen aber hatten die Junker bereits aus andrer Ursache bewiesen, daß sie nötigenfalls auch in Sachen der Bauernbefreiung mit revolutionären Waffen gekämpft haben würden. 1312 war schon klar, daß für die Junker das Vaterland verteidigenSwert bleiben werde, und so waren sie gesonnen, die Katasrrophe der großen Armee in Rußland   zur Vertreibung der Franzosen aus dem Junkerparadies zu benutzen. Dagegen war aber König Friedrich Wilhelm   III. nicht im mindesten gewillt, gegen seinen Verbündeten Napoleon   los- zuschlagen; es fehlte ihm sowohl an Lust wie an Mut. Früher wurde die Legende kolportiert, der König habe in jenen Tagen ein diplomatischesDoppelspiel" getrieben; seine fortgesetzten Freund- schaftsbeteuerungen gegenüber Napoleon   seien bloße Heuchelei ge- Wesen. Eine solche verschmitzte Taktik ging aber weit über Friedrich Wilhelms beschränkten Horizont ihnaus. Es ist längst festgestellt, daß der König, ebenso wie er Docks eigenmächtige Verbrüderung mit den Russen aus schärfste mißbilligt hat, auch nachher gegen seinen Willen, gewaltsam, durch revolutionäre Maßregeln der Junker in den Krieg mit Frankreich   hineingezwungen worden ist. Generale und Beamte, alles handelte auf eigne Faust und gegen feine ausdrücklichen Befehle. Ein wohlunterrichteter Diplomat schrieb damals folgendes: Wenn der König zögert, die ihm von der Nation zur Verfügung gestellten Mittel anzuwenden oder auch nur die Anstrengungen Ruß- lands zur Herstellung der Monarchie zu unterstützen, halte ich eine Revolution für unausbleiblich, und wahrscheinlich wird dann die Armee mit ihrem Beispiel vorangehen und das Signal geben." Der Junker- und Militärrevolution ist damals, soweit sie nicht ohnehin Thatsache war, allein dadurch vorgebeugt worden, daß der König sich schwere» Herzens in das Unabänderliche schickte. Im hellsten Licht aber strahlt die Königstreue des preußischen Adels im tollen Jahre, nachdem die Berliner   Arbeiter die Garde aus Berlin   hinausgeworfen haben, der König Friedrich Wilhelm lV. die feierlichsten Verpflichtungen eingegangen ist, dem Volk sein Recht werden zu lassen. Verzweiflung ergreift die Junker, die den Tag der Abrechnung mit dem ländlichen Proletariat nahen sehen. Ihr energischster Mann, Bismarck  , wird der Wortführer ihrer rasenden Wut über den König, der ihre heiligsten Rechte an die Canaille verraten hat, und sucht nun nicht mehr noch minder zu stände zu bringen, als eine Meuterei der Truppen gegen den obersten Kriegs- Herrn. Bismarck   selber erzählt die Sache in seinenGedanken und Erinnerungen  " gemütlich, als wenn es die selbstverständlichste Sache von der Welt wäre. Zunächst sucht er den General v. Prittwitz, der am 13. März in Berlin   kommandiert hat, zum Angriff auf die Hauptstadt scharf zu machen, bekommt aber die Antwort:Ohne Befehl kann ich nicht angreifen." Nun stellt Bismarck   dem Prinzen Friedrich Karl   vor, wie wichtig es sei, daß die Armee auch ohne Befehl handle. Der Prinz fühlt sich aber zu jung, um bei solcher Palastrevolution den Führer zu machen. So versucht Bisnmrck wieder in Potsdam   bei den Generalen v. Möllendorf und v. Prittwitz fein Glück mit dem Planselbständigen Handelns".Wie wollen wir das anfangen?" fragt schwankend Prittwitz. Anstatt aller Ant- wort klimpert Bismarck   auf dem 5tlavicr den Jnfanteriemarsch zum Angriff. Der General   umarmt ihn weinend und ruft:Wenn Sie uns das besorgen könnten!" Bismarck  :Kann ich nicht; aber wenn Sie es ohne Befehl thun, was kann Ihnen dann geschehen?" Prittwitz erklärt sich nun bereit, die Sache zu machen, wenn er wüßte, daß die kommandierenden Generale v. Wrangel und v. Hedemann mitmachten. Bismarck   läßt demgemäß Wrangel sondieren und be- kommt die Auskunft:Was Prittwitz thut, thue ich auch." Zwei Hauptführer der Militärverschwörung waren somit gewonnen. Der General v. Hcdemann in Magdeburg   aber machte einen Strich durch den ganzen sauberen Plan, indem er den angereist gekommenen Bismarck als Hochverräter verhaften zu lassen drohte. Bismarck   mußte sich also schleunigst verduften. Er kam gerade zeitig genug wieder nach Potsdam  , um sich zu überzeugen, daß wenigstens das Offiziercorvs der Garde zur Meuterei gegen den König reif war. Am 2S. März 1848 hielt der König im Marmor- saal den sämtlichen Gardc-Offizieren eine Ansprache mit Zittern und Zagen; schleichend trat er unter sie, wie Bismarck sagt.Bei den Worten:Ich bin niemals freier und sickerer gewesen als unter dem Schutze meiner Bürger." erhob sich ein Murren und Aufstoßen von Säbelscheiden, wie es ein König von Preußen inmitten seiner Offiziere nie gehört haben wird und hoffentlich nie wieder hören wird." So sah damals die viclgerühmte Disciplin, der schweigende Gehorsam im Elitecorps der preußischen Armee aus. Der König flüchtete ja nun alsbald aus dem Schutze seiner Bürger wieder unter den Schutz seiner Junker. Er hat nie wieder gegen den Stachel ge- löckt. Es möchte ihm auch schlecht bekommen sein, die Interessen der Junker im Stiche zu lassen. Sie hätten dann sicher in die Welt hinausposaunt, daß der König nicht so recht bei Verstand sei, um ihn zu stürzen. So aber hielten sie ihn, im klaren Bewußtsein, daß er geistesgestört sei, auf dem Thron, um, durch das Gottesgnadentum gedeckt, das Land zu regieren. Als sie ihn schließlich nolenz volens fallen lasten mußten, haben sie noch ein Palastrcvolutiönchen ver- Verantwortlicher Redakteur: Carl Leid   in Berlin. Druck und Verlag: suckt, um den bei ihnen mißliebigen Prinzen von Preußen von der Regierung fernzuhalten: der Königin Elisabeth wollten sie die Herr» schaft zuschanzen, auf die sie nicht den geringsten Anspruch hatte. Wenn das nicht gelungen ist am guten Willen der Junker hat es nicht gefehlt._Sie haben gar keinen Grund, angesichts de» Belgrader   Ereignisse pharisäerhast zu klagen:Herr Gott, ich dank» Dir. daß ich nicht bin wie dieser Zöllner." Wenn man die Königs-, treue Bismarcks und aller Seinesgleichen bei Lichte besieht, die auß seinem Standpunkt von 1343 stehen:Ich bin ein Junker und will Vorteile davon haben," so begreift man, daß er am 2. Juli 18S9 an seine Gattin schrieb:Es ist nichts auf dieser Erde als Heuchelei und Gaukelspiel." Dr. A. Z o y r a d y. kleines feiaUeton. Schlacht-Tag. Nun flattere auf und fliege Du rotes Sieg-Panier, Allüberall, wohin Du schaust, Das Volk es steht zu Dir. Als freie Männer streiten wir, Wer Sklav' sein tvill, verreckte, Oder trage den räudige» Hund bergauf, Daß Schand und Schmach ihn decke! Es singt in uns, es klingt in uns: Der Tag muß unser werden In Stadt und Land. Dann Fried' und Freud  ' Allhie auf deutscher   Erden. Hans Frank  . Humoristisches. Wissenschaft.  Da ich in meiner letzten Arbeit über die Substanz des assyrischen   Brotes mich des weiteren verbreiten mußte, habe ich mich bemüßigt gesehen, mich über die Zusammen- setzung des heute verwendeten zu informieren, und ich habe dabei gefunden, daß dieses Hauptnahrungsmittel des Menschengeschlecktes aus dem sogenannten Mehl bereitet ist." Nach der Wahlversammlung.Der Malenzwirt hat uns Schwarze viel besser eing'schenkt, als wia de Bauenckündler; wie's nachher zum Reden kumma is, Hamm   mir alle anZungaschlag g'habt." Ein Diplomat.Nun, Herr Gastgeber, Sie müssen doch auch wählen; wem geben Sie Ihre Stimm'?"Na, da muaß i wart n, wer's meiste gsuffa hat!"(Sinwlicissimus.") Ein Vielgeplagter.Wenn nur der Kuckuck die Sports» leut' holen thät' I Mein ganzes Vieh fahren mir die Automobil' zusammen; das Dach von meinem Häusl hat ein Lustballon mit- g'nommen; mich selber hat ein Sonntagsjäger in die Wadel g'schossen; meine Alte hat mir ein Angler wegg'fischt, und seit meine Tochter sich in einen Radler verliebt hat, hat s' ein Radl z'viel I" (Fliegende Blätter  .") Notizen. Die Arbeiten am Technolexikon, das der Verein deutscher Ingenieure   herausgiebt, nehmen regen Fortgang. Die Zahl der Wortzettel ist auf 1100 ODO gestiegen, die Zahl der mitarbeitenden Vereine in Deutschland   auf 272, in England auf 42, in Frankreich  auf 27, die Zahl der Einzelmitarbciter in diesen Ländern auf 1550. 355, 23. Das Sächsische V o l k S- Th e a t e r wird vom 20. Juni an längere Zeit im Thalia-Theater gastieren. Hermann Z u m p e hat eine große Oper vollendet, deren Handlung dem indischen Sagenkreise entnommen ist; die Erst- aufführung wird im nächsten Winter im München er Hof» Theater erfolgen. Preisgekröntes Kinder-Spielzeug. Aus dem vom bayrischen Gewerbemuseum in Nürnberg   veranstalteten Wett- bewerb zur Erlangung künstlerischer Einwürfe zu charakteristischen Holzspielsachen gingen als Sieger hervor: Für Kinderstuben-Möbel Karl Kunst, Otto Geigenberger  , Karl Reimann, sämtlich in München  , und Richard Müller-Wien  ; für Kasperl- Theater: Ivo Puhanny in Baden-Baden  ; für Stadt zum Ausstellen, Schäferei, Försterei, Arche Noah und Soldaten: H. H. Bauer- München, August Geigenberger  » Wasserburg   a. I., Karl Soffel- Schleißhcim, Bernhard Halbreiter- München und Marie v. Uchatius  - Wien  ; für Schaukelpferd: Paul Maienfisch-Dresden; für Bauernhochzeit: Fritz Kleinhempel-Dresden. Die Gesamtzahl der Kalmücke», deren Lerwal« tuüg gegenwärtig an das russische Ministerium des Innern übergeht, erreicht 146 000 Seelen beiderlei Geschlechts; von diesen kommen über 134 000 auf das Gouvernement Astrachan.___ vorwärts Buchdruckerei und Verlagsanslatt Paul Singer ü Ed., Berlin   äVf