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der Herstellung von Tischmessern, Gabeln und dergleichen beschäftigt| sondern er wählt, damit die Kaufleute nicht argwöhnen, daß er bes und liefern Fabrikate, die sich wegen ihrer Haltbarkeit eines bor- reits mit einem ihrer Kollegen verhandelt hat, einen Umweg durch züglichen Rufes erfreuen. Ein andres Centrum ist das mehr als einige Quergassen und giebt sich den Anschein, als ob er geraden 11 000 Einwohner zählende Dorf Pawlowo an der Oka, das wie Wegs aus seinem Dorf fame. Aber man fennt diese Schliche sehr Uloma ebenfalls in der Provinz Nowgorod liegt. Jn Pawlowo wer- wohl. Statt mehr bietet man dem Bauern daher nur noch weniger. den namentlich Schlösser und Scheren, in dem benachbarten Dorf Der Bauer fährt deshalb zum nächsten Kaufmann. Hier wiederWoosma, das etwa 3000 Einwohner hat, Federmesser angefertigt. holt sich der Vorgang. So rückt der Tag immer weiter vor und immer Dieselben Artitel werden auf der Grenze des Grabatowschen und tiefer gehen die Preise herab. Denn die Kaufleute wissen sehr wohl, Murawschen Kreises in etwa 80 Dörfern hergestellt. daß der Bauer am Abend zu Hause sein muß. Schließlich werden die Möbel an den ersten Besten um einen viel geringeren Preis vera tauft, als am Morgen geboten wurde.
Die Verwertung des Holzreichtums der Umgegend widmen sich die Bauern im Sewanowschen Kreise. In 32 Ortschaften beschäftigt man sich mit der Fabrikation von Sesseln, Divans, Gastzimmermöbeln und Stühlen aus Nußholz. Nicht weniger als 24 Dörfer fabrizieren ausschließlich Birkenstühle, 9 andre Ortschaften Gartentische und ein Dorf hat sich ganz den Spiegelrahmen zugewendet. In anderen 11 Dörfern blüht die Fabrikation der sogenannten großen Möbel, wie Schränke, Kommoden und Betten. Die Möbelindustrie erstrect sich auf 87 Dörfer und wird in 708 Werkstätten betrieben. Auf dem rechten Ufer der Ofa von Nischni- Nowgorod an 25 deutsche Meilen flußaufwärts leben im Winter fast alle Dörfer bom Gipsgraben. Der Gips liegt teils offen zu Tage, teils wird er durch Stollenbetrieb gewonnen. Die Bauern haben Mühlen und Lefen eingerichtet, in denen der Gips verarbeitet wird. Zum Teil schicken sie ihn auch noch Moskau , wo sie Niederlagen gegründet haben. In eine: benachbarten Landschaft hat eine sehr entwickelte Tonwarenindustrie ihren Sit. Hier liefern 25 Dörfer Krüge und Töpfe, aber auch Porzellangeschirr und Fayence.
Der russische Bauernhandwerker muß aufs angestrengteste arbeiten, da die Arbeitszeit eine außerordentlich lange ist. In Utoma stehen die Nagelschmiede um 1 Uhr nachts auf, beginnen die Arbeit um 2 Uhr und beenden sie um 8 Uhr abends. Die Messerschmiede in Pawlowo erheben sich bereits um Mitternacht und arbeiten mit Einschiebung von zwei Pausen, die zum Frühstücken und zum Mittagessen, woran sich ein Schlummerstündchen schließt, benutzt werden, den ganzen Tag hindurch bis 9 Uhr abends. Auch in den Handwerken, wo die Arbeitszeit etwas fürzer ist, ist sie immer noch ansehnlich genug. Beispielsweise arbeiten die Tischler von 4 Uhr morgens bis 8 Uhr abends. Am Sonnabend wird die Werkstatt um 6 Uhr geschlossen, und dann geht es in die Badestube.
Da man
Anderwärts schafft man die Waren auf die Wochenmärkte der Streisstädte, wo sich die Auffäufer einfinden. So bringen die Löffels fchneider ihre Erzeugnisse insgesamt nach Semanow. Die Käufer lassen lange auf sich warten. Endlich erscheinen einige. Sie sind gefleidet wie die Kaufleute in den Provinzialstädten, einer von ihnen trägt fogar eine Brille und hat eine Cigarre im Munde. Schweigend geht er die Reihe der Löffelmacher ab und nimmt ihre tiefen Verbeugungen als etwas Selbstverständliches entgegen. Nachdem er alles genau besichtigt hat, wendet er sich an einen der Verkäufer mit der kurzen Frage:" Sieben Rubel willst Du?" Herr," antwortet der Bauer, das ist zu wenig die Unterhaltung auch schon ihr Ende erreicht, denn der Kaufmann ist bereits fortgegangen. Auf ähnliche Weise spielt sich der Handel immer von neuem ab, wobei es dann oft mehrere Stunden dauert, bevor eine Einigung erzielt wird, die regelmäßig zum Schaden des Bauern ausschlägt.- Alexander Weritoff.
Kleines feuilleton.
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„ Erbarmen, Damit hat
pr. Zigeuner. Kurz vor den ersten Häusern des Dorfes haben fie sich niedergelassen. Die vier Gefährte Die vier Gefährte ein schmutziggelber Kasten- und drei Belttuchwagen sind in den schattigen Waldweg geschoben. Ein buntes Durcheinander von Strohsäcken, Betten, Lumpen und Wirtschaftsgegenständen sieht daraus hervor. Die abgesträngten Pferde, klein und unansehnlich, grafen unter den Bäumen und auf der angrenzenden Wiese umher. Der Bauer sieht's ja nicht..
Drei taffeebraune Weiber Hocken zusammen im Chausseegraben und schwatzen. Alle durcheinander. Jede der Frauen drückt ein verschnürtes Lumpenbündel an die Brust: die allerjüngste Generation wird getränkt, auf daß sie wachse, gedeihe und fernerhin den Erdball bevölkere. Wohin man blidt: in den Wagen, unter Wagen, die auf Wiese, zwischen die Baumreihen, die Straße Kinder, Kinder, Kinder! Große
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eine
Dazu arbeiten diese Bauernhandwerker noch unter den ungünstigsten gesundheitlichen Bedingungen. Wo es das Handwerk erlaubt, ist die Werkstatt in dem Bauernhaus selbst eingerichtet. Man benutzt dazu den einzig verfügbaren größeren Raum, die Wohnstube. Diese ist schon an sich nicht sehr umfangreich. Der Platz wird aber noch viel beschränkter, wenn außer der Familie die Handwerksgerätschaften und Rohmaterialien untergebracht werden und auch noch, wie es oft geschieht, Lohnarbeiter beschäftigt werden. warme Ställe nicht fennt, so führt der Bauernhandwerker bei harter den Kälte auch noch seine Ferkel, Kälber und Hühner in die Werkstatt auf über. In demselben Raum wird außerdem gekocht, gegessen und mittlere, fleine. In allen denkbaren Abstufungen. Und die Gegeschlafen. Jeder frische Luftzug wird ängstlich abgehalten, auch wandungen! Sämtliche Farben, Formen und Tucharten. Da tanzt barfüßig sind sie alle wenn der gewaltige Ofen eine wahrhaft höllische Hiße ausströmt. ohne Schuh und Strümpfe Eine viel zu Alles das zusammen bringt eine Luftverderonis hervor, die die Ar- lang aufgeschossene Fünfzehnjährige daher. beiter vielleicht noch mehr schädigt als die angestrengte Arbeit weite Taille aus verblaßter roter Seide wohl das Geschenk einer forpulenten Fünfzigerin aus den oberen Behntausend selbst. fchlottert formles um die Brust, während das enge zerfaferte Rödchen Ihre zehnjährige Schwester dagegen ist jeden kaum die Knie deckt. Augenblick in Gefahr, über das eigne Kleid zu stolpern. Sorglos schleift die zerfekte Schleppe hinter ihr her. Und die Knaben! Fast alle wie fleine Großväterchen. Busammengestoppelt die Anzüge Da ist ein Knirps, noch aus den abgelegten Lumpen Erwachsener. unsicher auf den Beinen, dem haben sie weiter nichts angezogen als eine Hose, aber eine Hose! Man muß lachen, ob man will oder nicht. Das Beinkleid eines Mannes, oben und unten abgeschnitten und auf diese einfache Weise in das richtige Längenmaß gebracht. In diesen Torso steckte man den Jungen, hielt Brust- und Rückenfeite durch ein paar über die Schultern gehende Schnüre zusammen und setzte ihm einen breitrandigen Filzhut auf, unter dem gerade noch die Nase hervorsieht, und wenn er das Monstrum ins Genick schiebt, ein paar feelenbergnügte dunkle Aeuglein.
Dort, wo die Handwerksart besondere Werkstätten verlangt, find die Arbeitsräume ebenfalls ganz unzulänglich, da sie dunkel und dem Zugwind von allen Seiten ausgesetzt sind. Die Schmiede von Pawlowo arbeiten zudem nackt, ohne Hemd, weil in der dumpfen, staubigen Luft ein so starker Schweiß erzeugt wird, daß sie ihre Hemden alle zehn Minuten wechseln müßten.
Aehnlich ist es in der Porzellanindustrie. Zum Trocknen der Geschirre ist eine Temperatur von 30 bis 35 Grad nötig. Daher entfleiden sich die Geschirrdreher ganz. Bringen sie das Geschirr in den Ofen, so gehen sie unbekleidet und unbedeckten Stopfes 50-60 Meter bei ſtrengem Frost über den Hof. In den Arbeitsräumen wird ferner der Lehm und Ton zerkleinert, hier essen die Arbeiter, und die Luft ist erfüllt von den Gerüchen der Zwiebeln und Kohlsuppe. Zugleich schläft man in der Mehrzahl der Werkstätten.
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Das Verdienst ist troß der unablässigen Arbeitsanspannung nur Auf dem Wege hat sich eine fribbelnde Schaar zusammengefunden. gering. Arbeitet der Bauer für einen Auftraggeber, so erhält er Gifrig spielen die Kinder mit Murmeln und Steinchen. Doch faum naht oft den Lohn nur teilweise oder in Nahrungsmitteln ausgezahlt, ein Wandrer, dann schießt die ganze Gesellschaft wie auf Kommando in Mehl, Thee , Zucker und Salz, die ihm durch einen Zuschlag von hoch:" Schenk einen fleinen Sechser, Herr! Nur einen fleinen 10-70 Prozent verteuert werden. Wenn er nur ein einziges Wort Sechser." Ein Dußend braune, schmutzige Händchen strecken sich Dir fallen läßt, daß er irgend eine Sache braucht, so wird sie ihm sofort entgegen. Auch der komische Hosenmaß ist dabei und lallt's Dir am nächsten Lohntag im schlechtesten Zustand an Geldesstatt aufge- zu:" Spent' n Sesser, Herr! n' Seffer!"" Wir tanzen und fingen nötigt. Aeußert er, daß er im nächsten Frühjahr ein Pferd zum auch schön", verspricht die Behnjährige mit dem schwarzen Lockenkopf Bestellen des Ackers bedarf, so kann er sicher sein, daß ihm alsbald eine und den großen Augen. Und ohne eine Antwort abzuwarten, stimmt alte Mähre aufgedrungen wird, deren Preis man ihm zwar in fleinen fie ein monotones Lied an in unverständlichen Lauten, hebt Rohnteilen abzuziehen verspricht, die aber für ihn gar keinen Wert die zerrissene Schleppe und hüpft, das braune Geficht Dir zugewandt, hat, da sie fast zufammenbricht. Weigert er sich, auf das Geschäft vor Dir her. Der ganze Haufen mit ihr. Wehe dem Gutmütigen, einzugehen, so droht man ihm mit Ablohnung, und willig oder under seine Hand in die Tasche versenkt. Er wird regelrecht gestürmt willig fügt er sich.
Die Tischler bringen ihre Möbel meist nach Moskau in die Möbel magazine. Abends oder nachts trifft der Bauer gewöhnlich ein und fährt im Morgengrauen nach dem Magazin, bei dem er seine Waren abzusehen hofft. Der Kaufmann bietet wenig und bemerkt, die Ware sei ihm unbekannt und der Verkäufer unbeständig. Da man sich über den Preis nicht einigen kann, so wird der Handel abgebrochen. Der Bauer fährt nun aber nicht unmittelbar zu dem nächsten Laden,
wie eine Festung, denn auch die andern überall umherlagernden Gruppen haben ein scharfes Auge für solche Vorfälle und lassen sich so leicht teine Plünderung entgehen. Die schmale Fünfzehnjährige ist schon da und fordert die Sternenhand":" Viel Freud will ich Dir weissagen, Herr. Viel Glück und Segen!" Und wenn Dich das noch nicht rührt:„ Biel reich sollst Du werden, Herr. Viel lange Alles für einen leben sollst Du und kriegen eine schöne Frau...." kleinen Sechfer"."
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