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finden sonst universales Intereffe- wenn die Berge Feuer auswerfen,| Bause und es lag halb Neid, halb Sehnsucht darin. Das Fräulein die Meere und Ströme Leben verzehren, wenn in Kischinet oder lächelte geschmeichelt und doch voll leiser Abwehr:„ Gott reich Belgrad der Mord heulend umgeht, oder die Best Tausende fällt. sind auch nicht reich, Frau Günther. Das wissen Sie ja. Papa hat Die Erfolge und Freuden der Nationen haben feine internationale sein Gehalt und damit heißt es sich einrichten; wir fahren ja auch bloß Geltung; man neidet sie oder verleumdet sie eher, als daß man sie ein bißchen an die See, das ist gar nicht teuer." mitfeiert. Selbst Kunst und Wissenschaft reden nicht zu allen" Na,' n Stücke Jeld kost's doch." Die Plätterin seufzte leicht. Völkern. Nur der Kulturgedanke des Socialismus einigt die Das Fräulein kam jedoch förmlich in Eifer:" Aber ganz und gar nicht, Menschheit und bindet sie zu einer Gemeinde, die Lust und Leid Frau Günther. Haben Sie eine Ahnung, wie billig das ist! Man miteinander trägt. Nur die Socialdemokratie zerschlägt die Schranken muß nur verstehen sich einzurichten, und das hat Mama nun raus. des Hasses und des Unverständnisses der Völker, nur ihre Erfolge Wir gehen nicht in ein Hotel; wir mieten bei Privatleuten, da werden in allen Ländern mit gleicher Liebe empfunden. Der kriegt man schon zwei Zimmer für sechzig Mark im Monat, und Socialismus ist der Strom des Lebens, der die ganze Erde be- das Essen machen die einem auch billig. Wir haben voriges Jahr in fruchtend umfpült und die Gestade des Todes und der Dürre mit Saßnitz eine Mark bezahlt. Denken Sie mal, bloß eine Mark. Das Blüten bedeckt. Sein Sieg, seine Zukunft ist der heiligste Lebens- ist doch fabelhaft... und dafür hatten wir Suppe und Fisch und inhalt der Leidenden und der Denkenden der Welt, aus ihm ziehen Braten und Kompott und Sonntags sogar Eis oder süße Speise. wir den Mut, all den Wahnsinn und alle die Pein des Daseins zu Alles für eine Mark." ertragen. es ist nicht nur ein dürrer Papierregen, der in die deutschen Wahlurnen gerauscht ist! Es ist die Flut der Verheißung.
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In der Dämmerstimde des Morgens nach der Wahlnacht streiften wir durch das schlafende Berlin , todmüde und doch herrlich wach und feierlich. Die Nacht über hatten wir mitten im Lärm derer, die den Sieg begrüßten, gerechnet und gezählt, die nüchternen Buchhalter des Jubels. Das Morgenblatt war fertig. Bis 9 Uhr vormittags aber sollte das mittags erscheinende Extrablatt redigiert sein, so mußte ein Spaziergang gen Morgen den Schlaf ersehen.
Berlin war noch nicht erwacht. Stahlblau blühte der Himmel auf, ein Vorfest der Sonne. Und alle Häuser schliefen, groß, stumm, geheimnisvoll. In die Nachtcafés dringt der Morgen ein, daß die Glühbirnen welfen.
Eine einsame, verlorene Dirne, das Elend nicht mehr unter der Schminke verhüllend, streift noch immer suchend über das leere Pflaster. Sie lacht uns an:" Ihr habt aber lange gewählt." Wir empfinden den Lockruf des armen Wesens nicht als Spott und nicht als schmutziges Gewerbe. Es ist uns, als ob auch in diesem girrenden, franken und ermatteten Lachen die leise Ahnung glimmt: Auch meine Erniedrigung wird ein Ende haben, wenn Euer Sieg am legten Ziele jauchzt.
Kleines feuilleton.
Joc.
th. In der Plättstube.„ Sehen Sie sich nur da ans Fenster, Fräuleinchen," sagte die Plätterin, wenn Se nu doch mal warten wollen; aber sonst schic' ich Ihnen die beiden Blusen ganz bestimmt um Viere hin sowie meine Liese aus der Schule kommt."
Nein, lassen Sie nur, ich warte lieber." Das" Fräuleinchen", das übrigens ein recht elegantes Fräulein war, nahm den gebotenen Blah. Sorgfältig breitete sie das zarte Mousselinkleid um sich her, damit es nicht knitterte. Sie sagte: So haben wir die Blusen doch schon um drei drüben. Was denken Sie, Frau Günther, um vier Uhr da soll der Koffer schon gepadt sein. Wir wollen ja morgen früh um 6 Uhr schon fahren und es ist noch so viel " Dies glaub ich, so vor de Reise." Die Plätterin nickte über ihre Arbeit fort.
zu thun!"
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Und ich muß noch nähen," sagte das Fräulein, ich muß mir noch Spizen an drei Blusen heften und Mamas Seidenkleid mit Sammetschleifen garnieren... und zur Bukmacherin muß ich auch noch gehen und nun lassen Sie mich auch noch warten." Das Leyte flang etwas vorwurfsvoll. " Ja, ich konnt doch aber wirklich nicht eher." Die Blätterin fagte es in einem entschuldigenden Ton:" Haben Sie' ne Ahnung, Fräuleinchen, jetzt, wo die Saisong is, und wo se alle Blusen tragen und helle Kleider; ich hab die janze vorchte Nacht jestanden und muß die Nacht wieder stehen, um fertig zu werden. Sonntach, wenn die andern ausgehen, liege ich auf'm Rücken und schlaf aus."
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Na ja, leicht haben Sie's wohl nicht?" fragte das Fräulein. Blätten Sie die Falten auf dem Brustteil recht schön steif, ja!" Sie verfolgte jede Bewegung des Eisens mit den Augen:" Wie sind Sie eigentlich auf's Plätten gekommen, Frau Günther, daß ist doch ' n gräßlich schwerer Beruf."
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„ Na, was is denn nich schwer, Fräuleinchen? Wenn' ne arme Witwe mit drei Kinder von leben foll?" Frau Günther hielt einen Moment mit der Arbeit inne: Senn is alles schwer und bei's Blätten verdient man noch' s meiſte, wenn' s auch wenig jenug is. Aber ja schwer ist's, so' n janzen Tag stehen und de schweren Eisen heben. Man fühlt seine Knochen.'"
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Macht für drei Menschen auf' n Mittag' n Thaler," sagte die Blätterin trocken." Fräuleinchen, das soll billig sein? Dafür kocht unsereins Mittagbrot für' ne janze Woche.
Na ja, wenn Sie so rechnen wollen, Frau Günther," das Fräulein berzog geringschäßig den Mund. ,, Gott , hier zu Hause braucht Mama für uns drei zu Mittag auch nur fünfzehn Groschen oder höchstens zivei Mart, aber denken Sie doch mal für's Seebad. Da ist das doch riesig billig!"
" Na ja, wenn man's geben kann." Die Plätterin nickte. " Die reichen Leute geben ja noch viel mehr," erzählte ds Fräulein.„ Denken Sie mal, wer so im Hotel ist, der muß wo möglich pro Person zwei Mark zahlen, und für die Portin Staffse fünf Groschen. Wir zahlen für die Kanne fünf Groschen, und dann habe wir genug für drei. Das macht an Staffee pro Tag für uns alle eine Mart. Ist das nicht billig?"
Die Plätterin antwortete nicht. Sie stellte das Eisen auf den Rost und begann die Bluse zusammenzulegen, das Fräulein stand auf: Ja sehen Sie, Frau Günther, wir müssen uns auch einrichten, wir müssen auch mit den Groschen rechnen. Brot und Butter halten wir uns da oben allein, und Aufschnitt hält Mama auch selber; uns kostet solch Tag im Bad höchstens acht Mark; na, das ist doch furchtbar wenig. Aber dann kann ich wohl gehen." Ste griff nach den Blusen, die Frau Günther inzwischen eingetidelt hatte.
„ Acht Groschen macht es, Fräuleinchen," sagte die Blätterin, die seidne mit die Rüschen hat so viele Arbeit gemacht, die hab' ich fünf Groschen rechnen müssen."
" Fünf Groschen," das Fräulein zog ein Gesicht, sagte aber doch nichts weiter, sondern griff nach dem Portemonnaie und suchts darin. Sie nahm eine Mark heraus, hielt aber plößlich inne:„ Ach ja, Frau Günther, jetzt hab' ich zu wenig Geld hier; ich will doch noch zur Puhmacherin. Ich schicke Ihnen die acht Groschen nachher mit unserm Mädchen rüber."
" Sonst kann ich ja auch Lieschen nachschicken," meinte die Blätterin, wenn Sie heut doch zu thun haben, Fräuleinchen, da wer'n Sie doch Ihr Mädchen brauchen."
" Na nein, Frau Günther, so schlimm ist es nicht; für den Sprung hat Marie noch Zeit und wir gehen auch noch fort, was zu besorgen. „ Es ist nämlich nur..." Die Plätterin zögerte.„ Ich hab'
Sonntag was zu zahlen und da möcht' ich alle Groschen zusammenfraßen.
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Sie sagte es entschuldigend.
" Na ja, ich sage Ihnen ja auch; ich schicke es," das Fräulein wurde förmlich beleidigt." Adieu, Frau Günther, ich vergeß es nicht. Sie wandte fich zur Thür.
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,, Adieu auch, Fräuleinchen, glückliche Reise!" rief die Blätterin. Ein paar Sekunden stand sie und sah der Entschwundenen nach, dann wandte sie sich feufzend wieder ihrer Arbeit zu:„ Und sie wird's doch vergessen... sie will es ja vergessen."
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k. Einige neue Erklärungen alter Redensarten werden in der legten Nummer der Grenzboten" versucht. Zum Verständnis der Wendung„ Einen Bod schießen" wird darauf aufmerksam gemacht, daß in England, Frankreich und Deutschland die volkstümliche Sprache etivas innerhalb seiner Gattung Fehlerhaftes oder Schlechtes mit einem Tiernamen bezeichnet, wie Tiernamen auch häufig als Schimpfwörter für Menschen gebraucht werden. Der Engländer nennt ein grobes Versehen a bull", der Franzose einen überspringenden Ton einer Trompete ebenso wie eine falsche Nachricht ,, un canard"; auch der Deutsche redet von einer Ente, einem Pudel, und die deutschen Schützengilden des 16. Jahrhunderts nannten ebenso einen Fehlschuß einen Bock. Bock und Wolf waren von diesem allgemeinen Gebrauche her in der altdeutschen Schneidersprache insbesondere auch Bezeichnungen eines schlechten Gewandstücs. Laß dich nicht ins Bodshorn jagen!" oder, wie es in der ältesten Form immer heißt, in ein Bockshorn jagen, in ein Bockshorn zwingen", hat ursprünglich den Sinn: einen so klein kriegen, daß er in ein Bockshorn schlüpft, sich von dessen breiter Deffnung aus nach dem spizen Ende zu hinein verkriecht. Es könnte damit auch ein wirkliches Bockshorn " Jleich, Fräuleinchen, fleich. Das heiße Eisen fuhr mit er- gemeint sein; wahrscheinlicher aber ist, daß ursprünglich an eine neutem Eifer über den feinen Blusenstoff. Nur noch die Stulpen Pflanze, den Bockshornklee, gedacht wurde, dessen kleine, harte, eng trocken plätten, denn können Se jehn Ja, schön is de Luft röhrige Hülsenfrüchte in Tirol z. B. schlechthin„ Bockshörndl" heißen, hier nich in de Plättstube; überhaupt in Berlin nich im Sommer. und der im Mittelalter wie schon im Altertum für sehr heilkräftig Ja, wer's so gut haben kann wie Sie und jeht auf Sommerwohnung! galt und viel gebaut wurde; ähnlich sagt einmal Walter von der Aber des is ja bloß für de Reichen." Sie sagte das letzte nach einer 1 Bogelweide von seiner hohen Sommerfreude:„ daz jaget der winter
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Und dann die Luft hier," sagte das Fräulein und schüttelte fich, diese Gluthike und jetzt im Sommer das ist ja kaum auszuhalten! Mir ist jetzt schon schlecht. Sind Sie denn noch nicht bald fertig?" Sie fächelte sich mit dem Taschentuch Kühlung zu und trippelte nervös mit der Fußspike.