479 des Heizmaterials entstehenden Gase abgesaugt werden. Mit Aus- nähme der Ventilatorengeschwindigkeit ist dieser künstliche Zug von allen Nebenumständen unabhängig. Die durch den Ventilator ab- gesogenen Gase werden durch ein kurzes Ausblaserohr ins Freie befördert. In der Anordnung von Ventilatoren zum Ersatz des Schornsteinzuges hat man bei dem Saugsystem ziemlich freie Hand. Eine vielfach übliche Aufstellung wird in der Weise ausgeführt, daß man den oder die Ventilatoren über den Dampfkesseln anordnet. Die Frage eines Ersatzes eines Schornsteins durch zwei Ben- tilatorcn nach dem Saugsyftem ist in einer Fabrik in Amerika   in einer Weise gelöst worden, die verschiedene Vorteile gegenüber dem alten Zustande gebracht haben soll. Daß man durch eine solche Anlage den oft nicht unerheblichen Platz für den Schornstein spart, komnit als Vorteil in Betracht. Man kann z. B. durch die Auf- stcllung einer Ventilationsanlage auf den Kesseln oft einen Platz im Keffelhause ausnutzen, der für eine anderweitige Verwertung kaum in Frage kommt. Bei dem ersten Ersatz eines Schornsteins durch Ventilatoren hatte man in Amerika   die Vorficht gebraucht, den alten Schornstein noch zwei Jahre nach Inbetriebnahme stehen zu lassen, und ihn dann erst niederzureißen. Das Ausblaserohr dieser ersten Anlage hat nur eine Höhe von 9,3 Meter über Fußboden des Kessel- Hauses, so daß es nur sehr wenig über das Dach dieses Gebäudes hinausragt. Während nun die Anhänger des künstlichen Zuges davon nur Gutes zu sagen wissen, find die Anhänger des Schornsteinzuges nicht müßig gewesen. Bedenken mannigfacher Art gegen die Neuerung vor- Zubringen. Dem künstlichen Zuge kann jedenfalls zugestanden werden, daß er bei gutem Funktionieren der Ventilationsanlagc die Abgase so ins Freie befördert, daß die unangenehme Qualmerscheinung nicht Zu beobachten ist; es läßt sich auch nicht bestreiten, daß die Ersparnis an Grund und Boden in Großstädten eine Rolle spielen kann, wenn man auf den Schornstein verzichtet und zum ki'mstlichen Zuge über- geht. Andererseits stehen die Berechnungen, welche dem künstlichen Zuge noch eine Kostenersparnis nachweisen wollen, auf sehr schwachen Füßen, da die zur Bewegung der Ventilatoren erforderliche Kraft immer gebührend berücksichtigt werden muh; endlich darf nicht ver- sannt werden, daß eine Ventilatorenonlage zur Beseitigung von Ab- gasen der Feucrungsanlagen immer zwei von einander unabhängige Ventilatoren erfordert, damit nicht der gesamte Betrieb sofort in Un- ordnung gerät, wenn einmal an dem einen Ventilator etwas in Un- ordnung gekommen ist. Für diesen Fall ist es in keinem großen Betriebe denkbar, daß man ohne die Sicherheit eines Reserve- Ventilators die Feuerimgsanlage erbauen und in Betrieb halten wird. Wenn mau aber in den Städten usw. Ventilatoren zur Be- seitigung der Fcnerrmgsabgase verwenden will, dann wird man immer gut thun, die Anlage in den obersten Etagen zu errichten, damit die Abgase aus dem kurzen Ausblaserohr so hoch ins Freie befördert werden, daß sie zu keinerlei Belästigungen Veranlassung geben, was Ivohl zu befürchten wäre, wenn man mit kurzen Rohren die Abgase der Lokomotive in die offenen Fenster der einzelnen Wagen befördert. Es liegen also zur Zeit noch lange nicht genug Erfahrungen vor, um die Frage als geklärt betrachten zu können. Es wird sich darum handeln, die im Betrieb befindlichen Anlagen des künstlichen Zuges viele Jahre hindurch eingehend zu studieren, ihre Fehler und Schwächen genau zu ergründen und durch einwandsfreie Berechnungen und Untersuchungen ihre Vorteile gegenüber dem Schornstein unter Berücksichtigung der bei uns maßgebenden Verhältnisse nachzuweisen. Zweifelsohne ist der Uebergang vom Schornstein zum künstlichen Zug durch Ventilatorenanlagen für jeden Betrieb ein derartig verantwort- licher Schritt, daß er ganz selbstverständlich nur mit größter Vorsicht und nach genauer Prüfung aller in Betracht kommenden Faktoren vorgenommen werden kann. Gelingt es aber, dem Schornstein den Garaus zu machen durch Anwendung zweckmäßiger technischer Mittel, so kann dies nur geschehen, wenn in dieser oder jener Hinficht da- durch Vorteile zu erzielen sind. Da die Mißstinimung, die sich vielfach gegen den Schornstein bemerkbar macht, hauptsächlich auf die allzu große Qualmvroduktion zurückzuführen ist, so dürfte es angebracht sein, hier noch darauf hin- zuweisen, daß eine technisch gut eingerichtete Heizungsanlage nicht Rauchbelästigungen mit sich bringt. Leider wird nur so oft der Fehler gemacht, daß mit der Bedienung der Feuerungsanlagcn billige Hilfskräfte betraut werden, was sich dann auch fast immer durch große Oualmproduktion in Folge des schlecht ausgenutzten Feuer- Materials bemerkbar macht. Wird aber eine Feucrungsanlage durch einen erfahrenen Heizer bedient, so kann durch dessen Tüchtigkeit leicht eine derartige Ausnutzung des Brennmaterials erzielt werden, daß sich auch beim Schornstein die Abgase als fast farblose Wölkchen entfernen. P. M. G r e m p e. Kleines feuilleton. rc. Ein Zollkrieg und seine Folgen. Die Biedermänner, die leichten Herzens Deutschland   in einen Zollkonflikt mit aller Welt verwickeln wollen, sind augenscheinlich zu kurzsichtig, um ermessen zu können, was alles der erste leichtfertig unternommene Schritt nach sich ziehen kann. Die neuere Geschichte enthält warnende Beispiele genug, zu welch unerwarteten! Folgen ein anfangs unscheinbar er- schienencr Zollstrcit führen kann. Kaum ein andrer Fall ist in dieser Hinsicht so lehrreich, wie ein Zollkrieg, der in die holländische Ge- schichte des siebzehnten Jahrhunderts gehört. Die Industrie der Niederlande   hatte nach der Mitte des Jahrhunderts allmählich be- gönnen, die erste Stelle unter den Konkurrenren auf dem Welt- markt einzunehmen. Die bis dahin bedeutendste Industriemacht Europas  , Frankreich  , wurde nach und nach zurückgedrängt. Der in wirtschaftlichen Fragen leitende Minister Frankreichs  , Colbert, versuchte nun, mit den Hausmitteln der Schutzzöllnerei dem Prozeß Einhalt zu thun. Der französische   Tarif von 1ßl>7 legte ungeheuer hohe Zölle auf eine große Anzahl ausländischer Importartikel. Davon ward nun bor allem Holland   schwer betroffen. Die General- staaten begannen Verhandlungen mit Frankreich  , um günstigere Einfuhrbedingungen zu erzielen. Aber Colbert wollte sich natürlich auf nichts einlassen. Als alle Liebesmüh verloren war, betraten die Generalstaatcii den Weg der Bergeltungsmaßregeln: 1671 ver- boten sie die Einfiihr der französischen   Jndustrie-Erzeugnisse und auch von französischen   Weinen und Spirituosen, die iw Holland  massenhaft konsumiert wurden. Das war ein harter Schlag für Frankreich  . Die Staatsmänner Ludwigs XIV. aber verfielen auf den Gedanken, den also begonnenen Zollkrieg nicht mit ökonomischen Machtmitteln, sondern mit Waffengewalt zum Austrag zu bringen. Im Jahre 1672 brächen große französische   Heere in die Nieder- lande ein, um das kleine, wirtschaftlich aber mächtige Land zur Uiiterwerfimg unter Ludwigs XIV. Gebote zu zwingen. Die re- gierende»Käpitalistenclique Hollands, an deren Spitze die Brüder Jan und Cornelis de Witt   standen, ließ sich ganz unvorbereitet überfallen; so war im Handumdrehen fast das ganze Land erobert. Gleichzeitig legte das mit Frankreich   verbündete England den holländischen Seehandel lahm. Eine kolossale Panik brach aus. Jeder ließ seinen Kopf hängen," sagt ein holländischer Zeitgenosse der Ereignisse,die Geschäfte standen still, die Gerichw waren ge­schlossen, die Schulen machten Ferien... Die Landesobligationen fielen auf SV Proz., die ostindischen Aktien sanken von 372 auf 259 Gulden." Am schwersten drückte die wirtschaftliche Krijis natürlich auf die Arbeiterklasse, und so bekamen die Kapitalisten noch obendrein Angst vor einer socialen Revolution im Heugabel- sinne.Es ist wahr," so klagte Arend Tollenaer,wir werden jetzt von zwei so ansehnlichen und mächtigen Königen von außen wohl sehr stark und schwer angefochten und bestritten, aber es liegt cnif der Hand, daß diese Republik   im Winter sehr stark durch ihr eignes Volt infolge des Elends und der hart und schwer herein- brechenden Stot cm den Lebensbedürfnissen(die ohne Ansehen und Ausnahme alle Gesetze bricht) angefochten und bestritten wird." Hungeraufstände erfolgten in der That. Zu der befürchteten socialen Revolution kam es natürlich nicht: zu planmäßiger Politik waren die holländischen Arbeiter noch gar nicht reif. Eine Re« volution erfolgte aber doch. Sie ging von dem Teil der herrschenden Klassen aus, der mit der korrupten Staatslenkung der Gebrüder de Witt und ihrer Kumpane unzufrieden war. Die beiden wurden gestürzt und buchstäblich in Stücke gerissen. Dann ging es den Franzosen energisch zu Leibe, indem die Deiche durchbrochen und die Meeresfluteu ins Land gelassen wurden, um die Eindringling« zu vertreiben. Die Elementargewalten waren denn auch wirksame Der Krieg mit Frankreich   währte aber noch bis zum Jahre 1673. Da ward in Nymwegcn Frieden geschlossen, und zwar auch auf dem Gebiet der ökonomischen Beziehungen, indem Frankreich   eine An- zahl Zollsätze herabsetzte. Dafür hob Holland   das Einfuhrverbot auf. So endigte der achtjährige Zollkrieg, dessen Ausdehnung und Dauer zu Beginn sich gewiß niemand hatte träumen lassen. Theater. Im Thalia-Theater gastiert seit Sonnabend das Ensemlle des Sächsischen Volks-Theaters aus Chemnitz  . Dies Theater verdankt sein Entstehen den Bemühungen deS Dialekt- chriftstellers Georg Zimmermann, von welchem es auch geleitet wird, und bezweckt vor allem die Pflege jener boden- tändigen, von der Zeit nicht abgeschliffenen Mundarten, wie sie namentlich den Bewohnern des obersächsischen Erzgebirges ein individuelles kraftvolles Gepräge geben. Hier spielt denn auch das vorgeführte VolksschauspielKarl Fiedler" von Richard D e m ni l e r. Wer nun etlva eine lustige Komödie erwartet hatte, wird sicher enttäuscht gewesen sein. Die Erwartung lag ja nahe I Statt dessen kommt uns der Autor mit einem tragischen Stück, das obendrein seine Verwandtschaft mit HauptmannsWebern  ",Fuhr- mann Henschel" und Philipp LangmannsBartel Turaser" nicht verleugnet. Mußte das sein? Und ist mit diesem neuen Elends- drama etwa diemdividuelle kraftvolle Bodenständigkeit" der ächsischcn Erzgebirgler   bewiesen? Zwischen Demmlers Drama und seinen bereits genannten Vorbildern lassen sich die uns nun schon zum Ueberdruß gewordenen gleichen Parallelen ziehen. Wir treffen dieselben profitgierigen, hartherzigen Fabrikanten, die- clben leideirden Proletarier. Diesmal stnd's Maschinen- und Posanrentenfabrrkantcir- und-Verleger nebst deren Arbeitern. Der alte Werkführer Karl Fiedler wird von seinem Hypothekenglänbiger wegen rückständiger Zinsen rücksichtslos bedrängt, bis zur bevor- teheirden Versteigerung des Hauses. Seiir Brotgeber, der Fabrik- iesitzer Aurich   kann ihn davor bewahren wenn er einen Meineid schwört. Aurich   ist nämlich von einem andren Fabrikanten gerichtlich belangt worden, weil er eine neue zu Patent gemeldete Maschine des letzteren nachkonstruiert haben soll. Fiedler, von fernem , . ,,-v