Anterhaltungsblatt des HorwiirlsNr. 121. Mittwoch, den 24. Juni. 1903(Nachdruck verboten.)«i Köle packte.Roman von Jonas L i e.„Wischt sich die Petroleumfinger am Rock ab,, zum angenehmen Beigeschmack für die Gläser," murrte Bäkkevold.---„Und die Linie, die wie eine Stahlfeder von derFerse an über den Rücken läuft,— stark und mager undlang und elastisch, und unter dem Tuch endet!" Abrahammalte eifrig im Halbdunkel auf einem Stück Papier hinterdem Hut.„Gieb acht, wenn sie wieder herunter springt, sie machtkeinen Lärm dabei.-- Nun, was sagte ich,— wie eineKatze!—— Und sieh sie jetzt einmal an,— wie sie mit derFlasche, die sie am Korkenzieher hält, hin und her schlenkert,— so hoch in den Hüften,-- die kleinen, grünen Augengucken zu uns herüber!"Klaus zwinkerte Bäkkevold nur kritisch zu.Die Tabakswolke sammelte sich dicht und grau um dieParafinlampe. Einige Arbeiter riefen und schrieen und- drängten einander an den Schenktisch. Die Thürglocke schellteunablässig: einige zogen sich zurück, andre kamen.„Sie gehört in diese graue, schwindelige Nebel-atmosphäre,—" lächelte Abraham still vor sich hin: bleichund interessiert saß er vor seineni Grog und beobachtete, wieOtta ihren Scherz mit einem langen Koch trieb* der jedesmal,wenn sie ihm das Verlangte brachte, den Versuch machte, sieum die Taille zu fassen.„Sie sollten lieber in die Kajüte hinabgehen und achtauf ihre Erbsen geben!" lachte sie,„sonst könnten sie an-brennen."„Jetzt Hab' ich die Stellung, in der sie gezeichnet werdenmuß, wenn sie sich so lang und voller Schelmstücke über denKoch beugt!" rief Abraham aus und lehnte sich über denTisch, so daß sein Glas umfiel.„Es taucht wirklich etwas Interessanteres bei ihr auf,"nieinte Klaus,„etwas tiefer Verborgenes."„Sie ist, hol' mich der Teufel, den Aufenthalt hier indieser Höhle wert," stimmte auch Bäkkevold bei.„Otta,Otta!" rief er, als sie in ihre Nähe kam.Sie that, als höre sie es nicht.„Ach, Jungfer, wollen Sie sich nicht über uns erbarmenund uns mit einer neuen Ration versehen?" sagte er galant,als sie sich endlich einfand.„Otta! das ist ein hübscher, frischer Name," brachteAbraham mit Anstrengung heraus, über das ganze feine Ge-ficht errötend.„So, meinen Sie das? Ich dächte, mein Name gingeSie nichts an!"Abraham wurde plötzlich überlegen.„Ich sage nur, Gott bewahr' Sie vor einem Schnür-leib, Otta! Und tragen Sie stets Ihre Kleider.so lose undnachlässig und weich um den Körper!"Sie stutzte, während sie den Präsentierteller aufnahm,nicht ohne Abraham einen Blick zuzuwerfen, ob er sich wohllustig über sie mache.„Es kleidet Sie nämlich!" fuhr er fort.„Sie sind vielleicht Damenschneider?" schleuderte sie ihmins Gesicht, warf den Kopf in den Nacken und entfernte sich.„Das hast Du für Deine malerische Auffassung,Abraham," lachte Bäkkevold.„Du hättest nur sagen sollen,daß sie sich auch niemals waschen müßte,-- denn sie sahziemlich malerisch im Gesicht aus von Schweiß und all-dergleichen!"Klaus rauchte und grübelte mit starrem Blich, er mußtesie wirklich studieren.„Ottas Augen schweifen verteufelt neugierig zu unsherüber, Abraham, sie thut, als sähe sie uns nicht, aber—"„Es kommt nur darauf an, den Magnetismus in Wirk-famkcit zu setzen," erklärte Abraham voller Selbswertrauen.„Jungfer Otta!"rief er dann, als sie an den Tisch nebenihnen trat,„wir möchten gern noch ein wenig Bier haben,und dann, Sie würden ungleich schöner sein, wenn Sie dashäßliche Tuch abnehmen wollten. Das verunstaltet IhreFigur."Sie zuckte nur mit den Mundwinkeln.„Hier ist es doch warm genug," begründete er seine Be-merkung.„Dann können solche feine Herren ja nur fortbleiben."„Nein, das kann ich gerade nicht, wie Sie sehen. Aberhören Sie jetzt!" bat er,„ich bin so einer, der Bilder zeichnetund dergleichen, wenn ich etwas sehe, was schneidig und schönist! Und nun müssen Sie gut sein* Otta! Stehen Sie nureinen Augenblick hier vor dem Tische still— so wie nun, ja—nur so, daß ich den Kopf und die Haltung abzeichnen kann."Es schien, als wollte Otta ihm wieder eine schnippischeAntwort geben. Sie sah ihn ein paarmal prüfend an, lachtedann geniert und sprang davon.„Gerade in dem Augenblick, als ich sie beinahe hatte!"fuhr Abraham heftig auf.„Nur ruhig Blut!" nickte ihm Bäkkevold zu und klopfteseine Pfeife aus.„Sieh ihr nicht nach! Ich kenne die Art!Du kannst sie an der Neugier ziehen, so weit Du willst. Aber,"versicherte er mit etwas schwerer Zunge,„es ist nicht gutKirschen essen mit solchen Frauenzimmern."„Sie ist gar nicht so übel," erklärte Klaus, ihr mit denAugen folgend.„Ich fange beinahe an zu glauben, daß dasGesicht so mopsmäßig fein kann, wie es will; es kommt nurdarauf an, was für ein Frauenzimmer dahinter steckt. Wurdesie nicht ganz jungfräulich verschämt, als sie hier stand? Undseht nur, die Anstalten, die sie jetzt macht! Sie reckt sich undfetzt Flaschen und Gläser über die Schultern der Gäste aufdie Tische."„Ja, sie weiß, daß sie hier gleichsam vor einem Spiegelgeht," meinte Bäkkevold.„Ich denke, die hast Du, Abraham!Na, seht Ihr, das Tuch kam doch weg?" triuinphierte er,„undsie selber kommt mit dem Bier hierher."„Ja, nicht wahr, es war zu warm, Otta?" begannAbraham treuherzig,„schrecklich warm!"„Sie wünschten doch vorhin Bier?" fragte Otta, indemsie es vermied, die Augen aufzuschlagen. Sie setzte dieFlaschen auf den Tisch.„Ja, und dann wünschten wir, daß Sie liebenswürdigsein möchten, wissen Sie?"Sie lachte ein wenig mißtrauisch.„Ich will Ihnen nur sagen, Otta, je häßlicher ein Mädchenist, desto prüder ist sie!"Otto zog die Flaschen auf. Sie benutzte die Gelegenheit,während sie sich herabbeugte, auf Abrahams Papier zu gucken.Ihr Gesicht verzog sich zu einem breiten Grinsen.„Ja, das sind Sie!" sagte Abraham.„Aber Sie sindauf dem Papier nicht halb so geschmeidig und schön* wie Siewerden würden, wenn Sie einen Augenblick still stehen wollten.Und dann müssen Sie mich so ansehen, wie vorhin, als Sieden Koch neckten."Das war unmöglich. Sie war nahe daran, loszuplatzen.„Necken Sie den Koch! sage ich Ihnen!"Sie riß den Mund weit auf vor Staunen, die Augenaber leuchteten.„Nun ja, dies geht auch," meinte Abraham,„bewegenSie nur den Kopf nicht, Otta! Wenn Sie doch jetzt den Kochnecken wollten!"„Ja, ja, den Korkzieher!" antwortete sie laut.—„Nunmuß ich fort, sonst kommt Mutter mir auf den Buckel!"„Wir wünschen nachher noch etwas mehr Bier!" flüsterteihr Abraham eifrig nach, als sie fortstürzte.„Sie ist wirklich eine köstliche Entdeckung, diese Dirne!"stammelte Klaus ganz überwältigt. Er schenkte sich aus derBierflasche ein, so daß der Schaum über den Tisch trieb.--„Großartiges Gaudium, an so einem Malerzug teilzunehmen!"„Du bist eine so leichte Beute für die Mädchen," ermahnteBäkkevold.Abraham saß da, die Augen bald auf die Zeichnung,bald auf Otta gerichtet, die zwischen den Gästen umhersprang.„Ich habe sie doch nicht gekriegt," sagte er in ärgerlichemTon und mit finsterem Blick,„zu zahm, viel zu zahm. Ichsah etwas andres in ihr. Ich ärgere mich noch gelb undgrün," rief er aus und warf das Papier hin.„Ich mag eSgar nicht einmal mit nach Hause nehmen. Solch ein Pfuscherin der Kunst I Ich will mich betrinken."