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Frau Bratt schüttelte leise den Kopf. Man fühlt immer, wie bei Abraham alles gleichsam von selber kommt."
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Ja, jede Laune wurde ihm erfüllt. Man kann nicht sagen, daß seiner Originalität die Zügel angelegt sind!" Wenn ich von diesen großen Meistern lese, die zu Ende des fünfzehnten Jahrhunderts in Italien gelebt haben!" er eiferte sie sich. Ich muß immer daran denken, wie es ihnen in ihrer Jugend ergangen ist, der eine sollte Maurer, der andre vielleicht Schmied werden. Ich bin überzeugt, fie müssen einen ebenso melancholischen Ausdruck in den Augen gehabt haben wie Abraham , ehe sie die Flügel entfalteten, und diese Dinge schufen, die wir nun"
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" Ja, wenn wir so genau wüßten, daß ein Rafael oder Leonardo in ihm steckte," lächelte Johnston. Aber da ist so vieles, was eine müßige Phantasie wie die feine aushecken fann, schweben und schweben, um ein Genie zu werden, auf Grund von ein klein wenig Talent!"
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Frau Bratt wurde ganz warm.
,, Wir Aelteren waren so daran gewöhnt, daß die Menschen nicht ihren rechten Platz im Leben ausfüllten, Johnston.-- Aber das ist eine Art und Weise, langsam hinzusterben, halb, oder auch mehr, so daß man vielleicht nur noch mit dem kleinen Finger lebt."
,, Wohl wahr, aber wie kann man nur wissen-
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Es ist wie eine große Liebe, die aus dem Leben abgeschieden ist," sagte sie in Gedanken versunken- Und ich weiß wirklich nicht," sie suchte nach einem Ausdruck für das, was sie meinte, ob die Menschen, die es gelernt haben, alle ihre Gefühle und Leidenschaften zu unterdrücken und zu bekämpfen, ob von denen im Grunde recht viel übrig bleibt. Eines Tages, wo man Kraft und Natur verlangt, ist sie vielleicht gar nicht mehr vorhanden."
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Und hier war alles so zu sagen für ihn zurechtgelegt," fuhr Johnston leise fort, bielleicht die Möglichkeit, die alte Familie wieder zu Namen und Ansehen zu bringen."-
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Ja, wer weiß, wer weiß!" Frau Bratt schaute in ihre eigne Welt. Es geht so wunderbar zu in der Welt mit diesen alten Familien. Vielleicht kann aus all der Kultur eine feine Blume der Kunst aufsprießen!" Er antwortete nicht. Die Dämmerung hatte sich über das Bimmer gelegt.
„ Ja, ja-ja, ja! Der, welcher nichts hat, heißt das alte Sprichwort, von dem wird genommen werden," sagte Johnston endlich.
" Rieber Johnston, glauben Sie vielleicht nicht, daß Sie in Bezug auf ihn jetzt accurat so einsam umhergehen? Ein inhaltsloses Leben zu führen, das wollen Sie Ihrem einzigen Sohn doch wohl nicht wünschen?"
Fräulein Rönneberg jaß da und lauschte dem Gespräch und strickte, so daß die Nadeln klirrten. Keiner von ihnen tam auf den Einfall, die Stille zu unterbrechen und die Lampe anzuzünden, ehe sie die Stimme des Direktors draußen auf der Diele vernahmen.
VII
Es war bereits halb ein Uhr in der Nacht, als Johnston, das Licht in der Hand, die Treppe zu Abrahams Dachſtübchen hinaufstieg.
Er öffnete leise und lauschte.
Auf dem Kopffissen, dicht unter der schrägen Wand, lag ein abgewandter dunkler Kopf und ein Körper in einer Stellung, als habe er sich im Born hingeworfen und sei eingeschlummert.
Er sah sich im Zimmer um, hielt das Licht geistesabwesend zu einem der bemalten Lappen hinauf, die an der Wand hingen, und stand eine Weile regungslos da.
Diese Sache mußte ein Ende haben, er konnte es nicht wieder zurücknehmen! Er fürchtete, daß er schwach werden würde und seinen Entschluß bereuen könnte, und trat deshalb schnell an das Bett heran.
" Du, Abraham, Abraham!"
Abraham wandte sich verwirrt dem Lichte zu.
Ich komme zu Dir herauf, um Dir zu sagen, daß, wenn Du Mut und Lust hast, fortzureisen und Maler zu werden, so glaube ich, daß das das einzig Richtige ist. Meinst Du das nicht quch?"
Abraham lächelte verschmitt. Er hatte einen Instinkt, daß er auf seinem Bosten sein müsse, und profitierte ein wenig von der halb unzurechnungsfähigen Schläfrigkeit.
Wie? Was sind das für Geschichten? Gjertrud, Vater, was die redet, das nimmst Du Dir doch wohl nicht zu Herzen?" rief er.
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Denn ich bin mir jezt ganz klar darüber, daß Du nicht zum Geschäftsmann taugst. Das haben wir nun zur Genüge ausprobiert. Du hast weder Sinn noch Talent dafür. Und niemand soll zu einer Thätigkeit gezwungen werden, für die er sich nicht eignet. Du hast nun einmal ein gewisses Talent zum Zeichnen und Malen. Und weshalb nicht lieber das ausbilden, was man hat, als das, was man nicht hat?- zusehen, ob man es zu etwas bringen kann?"
Johnston schlenderte im Zimmer auf und nieder und redete in einer gewissen erregten, efstatischen Stimmung.
" In Bezug auf Geld will ich Dir geben, was Du brauchst, Junge. Es wird das beste sein, wenn Du sogleich reist. Ja, denn wir haben im Grunde ein paar kostbare Jahre vergeudet!"
Er hielt inne und sah zu Abraham hinüber, der halb aufgerichtet im Bett faß, in einer lauschenden Stellung, als traue er seinen Ohren nicht. Eine ganze Weile hatte er geglaubt, daß er nur träume, und war dann einen. Augenblick ängstlich besorgt, daß er wirklich verrückt geworden sei. Er sah mitten in der Nacht den Vater in seiner Bodenkammer auf und nieder gehen und mit ihm über alles mögliche Herrliche, über sein Malen, reden. Dann treiben wir jeder das Seine, siehst Du," schloß Johnston, sich kurz fassend, indem er sich nach der Thür begab, Du auf Deinem Gebiet da draußen, und ich bin bemüht, hier zu Hause die Sache so weit wieder in die Höhe zu bringen, daß Du nicht zu betteln und zu schachern brauchst, um Deine Bilder verkauft zu bekommen."
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Das hatte er glücklich hinter sich! Er nickte dem Sohn hastig zu und entfernte sich wieder.
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Johnston hatte eine gewisse Eile, wieder ins Bett zu kommen. Er erwartete nicht, daß er schlafen werde. das Kopfkissen und die Dunkelheit hatten doch ihren Frieden, und er war gerade im Begriff, das Licht zu löschen, als Abraham im Nachthemd und Pantoffeln zu ihm hereinstürzte. ,, Hat Dir vielleicht irgend jemand erzählt, daß ich meinem Kummer, nicht Maler werden zu können, irgend welchen Ausdruck gegeben habe? Dann ist das ganz einfach eine Unwahrheit, eine verdammte Lüge."
( Fortsetzung folgt.)
( Nachdrud verboten.)
Die Höbenluft als Kurmittel.
In der Reihe der klimatischen Kurorte nehmen heute die Höhen orte zweifellos eine hervorragende Stellung ein; nicht allein Gesunde, in der Alltagsarbeit ermatteten Nervensystems bedürfen, auch Stranke die nur einer Auffrischung ihrer Körperkräfte, einer Erholung des der verschiedensten Art suchen heute mit Vorliebe hochgelegene Bläse auf. Fragt man nach der Ursache dieser Erscheinung, so ist jedenfalls die bessere Ausgestaltung des Verkehrswesens, die Leichtigkeit, mit der man heute auch abgelegene Gegenden zu erreichen vermag, ebenso von Einfluß, wie die eigenartige Schönheit der Gebirgslandschaft, die mit ihrem Zauber jeden, der sie einmal gekostet, immer wieder von neuem anlodt; doch ist sicherlich auch in vielen Fällen die Ueberzeugung von dem heilsamen Einfluß des Gebirgsaufenthalts maßgebend. Derartige Wirkungen sind auch durch vielfältige ärztliche Erfahrungen bewiesen, wenn wir auch noch weit davon entfernt sind, sie in ihren Einzelheiten zu übersehen oder gar in ihrem Wesen erklären zu fönnen. Selbst der Einfluß des Gebirges auf den gefunden Menschen ist noch keineswegs nach jeder Richtung hin geflärt. Es ist das auch nicht zu verwundern, da die Verhältnisse sehr kompliziert und je nach der Eigenart des Touristen, seiner Stonstitution, der Ernährung, der geleisteten Muskelarbeit äußerst wechselvoll sein müssen.
Man hat sich in früheren Jahren, bei der Schwierigkeit der direkten Beobachtung damit zu helfen gesucht, daß man an Tieren oder auch an Versuchspersonen im luftverdünnten Raume Beob achtungen anstellte; man hat aber einsehen gelernt, daß es falsch war, jene Beobachtungen furzer Hand zu verallgemeinern und die Ergebnisse des Experiments einfach auf die Wirkungsweise des Hochgebirges zu übertragen. Ist es doch nicht die Luftverdünnung allein, obschon ihr mächtiger Einfluß nicht zu bestreiten ist, sondern noch mancher andere Fattor, so die Eigenartigkeit der Luftströmung, die Gewalt der Lichtstrahlen in der dünnen Atmosphäre, die geringere Feuchtigkeit der Luft u. v. a., was nach den verschiedensten Richtungen hin auf den Organismus einzuwirken und eigenartige Veränderungen hervorzurufen vermag. Wenn nun auch bis jetzt unfre Kenntnisse recht lückenhaft sind und namentlich unsre Einsicht in das Wesen der Hauptsächlichsten Veränderungen noch viel zu wünschen übrig läßt, so genügen die Forschungsergebnisse der letzten Jahre doch, um wenigstens in allgemeinen Umrissen die Bedeutung des Gebirgsaufenthaltes zu kennen und seinen Einfluß auf gewisse Strants