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heilige Sache. In der bürgerlichen Presse ist für solche Be- Warum wohl? Der Profeffor Meyer, der Privatarbeiter ber thätigung fein Raum. Ich glaube nicht daran, daß irgend Bommernbant, hat doch sein Cheweib auch bei sich. Aber Graf ein normaler Mensch die Ueberzeugung haben kann, die in der Bülow und der Stab seiner Minister lassen ihre Weiblichkeit daheim bürgerlichen Preise vorgetragen wird; ebenso wie ich nicht daran zum deutlichsten Ausdruck der Verachtung, die sie der Geglaube, daß hinter einem einzigen der gegen die Socialdemokratie sellschaft widmen. Dennoch ladet man die beleidigenden Herren gerichteten Wahlflugblätter und Wahlschriften ein ehrliches Bekenntnis immer wieder ein. Usancen!
steckt. Ich kann mir denken, daß der tollste Wahnsinn und der
trauseste Unsinn, der litterarisch vorgetragen wird, einer Ueberzeugung
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Trolledem hat so ein zeitgemäßer Minister nicht den mindesten entspringt, aber es ist für mich unvorstellbar, daß jemand das glaubt, Anlaß zu solchem Hochmut. Auch in ihrem Reiche herrschen die was er in der bürgerlichen Bresse schreibt. Solche Ueberzeugung Usancen. Zudem leistet selbst ein mittelmäßiger Journalist geistig wäre widernatürlich. Es sind noch die feineren, idealistischeren mehr als ein Minister. Ohne Hilfskräfte bringt er reichere ErElemente der Zunft, die sich auch nach jahrelanger llebung das Ge- zeugnisse hervor, als die ministeriellen Personen, denen ein Heer fühl dafür bewahren, wie groß die Differenz ist zwischen dem, was von Beamten das Material zusammenschleppt und vorbereitet, und sie denken, und dem, was sie schreiben. Mit Bewußtsein gegen die in deren intellektuellen Handlungen doch niemals eine Spur höherer Ueberzeugung schreiben, und das Unbehagen vielleicht in einer chnischen geistiger Kraft oder auch nur tieferen Wissens zu finden ist. Weltverachtung oder spottenden Weltgleichgültigkeit ertränken, ist Der Dünkel ist nur möglich, weil wir im bürgerlichen noch verhältnismäßig anständig. Viel gefährlicher und boshafter Deutschland überhaupt keine selbstbewußte öffentliche Meinung haben. sind die Leute, die schließlich ihre Ueberzeugung nach dem ein- Die Politik wird in Geheimkammern gebraut, die Regierenden richten, was sie schreiben müssen, und die sich unter der Folter nicht sperren sich gegen jeden zudringlichen Späher ab und die bürgerdas Geständnis entreißen lassen würden, daß sie nicht daran glauben, liche Preffe macht keine Politik, sondern tappt ohne Kenntnis der was sie zum Druck geben. Das werden dann die gemeinsten Ver- wirklichen Vorgänge im Nebel der Konjekturen. Keine Presse der leumder derer, denen der Kampf mit der Feder noch ein erhabener Welt ist von den politischen Cirkeln dermaßen abgeschnitten. Sie Beruf, nicht bloß ein Geschäft wie jedes andre ist. Aus dieser Sippe hat niemals Informationen, und für das inhaltlose Borzimmergewinnen die herrschenden Klassen ihre verworfensten Söldner. getwäsch, mit dem man sie in den offiziösen Gesindestuben abspeist, verkaufen sie obendrein ihre Unabhängigkeit.
Der Stil der deutschen bürgerlichen Presse verrät deutlich, daß sich kaum irgendwo ein starker Willen für eine große Sache zu bethätigen drängt. Nur aus der Einheit einer Ueberzeugung strömt jene geschlossene Wucht der Argumente, die ohne Widerspruch sich reihen. Der Mann aber, der berufsmäßig eine Sache zu verteidigen hat, die ihm immerlich fremd, ja widerwärtig ist, schwankt zwischen Gemeinplägen und entlegenen Tüfteleien eine etle Mischung, die unsre Publizistit charakterisiert. Die Gedanken quellen nicht von selbst, sondern es werden Einfälle fühlen Herzens und müden Hirns gellaubt, und wenn auch die Peitsche der Lohnarbeit keine Idee mehr aufzujagen vermag, dann werden aus dem Archive bejahrte Albern heiten hervorgefucht und angeflict. Deshalb fehlt unfrer bürgerlichen Publizistit jeder große einheitliche Zug. Die meisten wissen morgen nicht mehr, was sie gestern bewiesen haben, und da die größte Tugend des Publikums die Vergeßlichkeit ist, das den Anfang eines Artikels nicht mehr im Kopfe hat, wenn es am Schlusse ist, so schadet es nichts, wenn auf zehn Zeilen zehn gegensägliche Ansichten verfochten
werden.
All die Schreiberei ist schließlich auch einflußlos. Die liberale Presse ist immer noch am weitesten verbreitet, und eine liberale Partei giebt es kaum mehr. Die drei Millionen socialdemokratischer Stimmen zeigen die Ohnmacht der bürgerlichen Publizistik. Die Wähler bekennen sich eben zu dem, was die bürgerlichen Redakteure denken und wogegen sie deshalb schreiben.
Ruht aber der journalistische Beruf nicht auf dem Grunde einer leidenschaftlichen Ueberzeugung, so ist wirklich kein Grund einzusehen, warum sich der Gewerbetreibende der Feder nicht das sonstige Leben so angenehm wie möglich gestalten und die Usancen ausnuzen soll.
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Durch den Pommernbank- Prozeß wurde es gerichtsnotorisch, daß die Berliner Presse sich durch Bankgauner einmieten ließ, zum Unter schied von andren Eingemieteten nicht um ihrer schönen Augen willen. Auch das entspricht lediglich den Ulsancen.
Die Unterstügungskassen des Vereins Berliner Presse werden seit jeher von Gönnern gespeist, die sich die öffentliche Meinung etwas kosten lassen. Zu diesem Zwecke veranstaltet man Feste, die sich aus zeichnen durch eine progige, steife und temperamentlose Langeweile, durch ruinös tostspielige Toiletten der Weiblichkeit, die unmittelbar zu Privatarbeiten für Banken führen müssen, und ungeheure Lebensmittelpreise; ohne Freundschaft mit Romeid kann man sich auf solchen Veranstaltungen nicht einmal einen Heringssalat leisten. Ich habe niemals begriffen, warum die Leiter dieser Aus stattungs- Zusammenrottungen dulden, daß ihren doch der Wohlthätig= feit bedürftigen Berufskollegen durch die Wirte derart das Geld aus der Tasche gezogen wird. Sollten da doch auch Usancen im Spiele fein, vielleicht Gegenleistungen an die Vereinskassen? Allerdings tönnte auf diesen Schriftstellerfesten die Mehrzahl der Besucher aus Analphabeten bestehen, wenn sie nicht gelegentlich verpflichtet wären, Wechsel zu unterschreiben; denn Stelldicheins können auch telephonisch verabredet werden.
Die deutsche Presse ist korrupt und hat nicht einmal Macht; es ist die bescheidene Schäbigkeit von Kleinbürgerlichen Parvenus ohne Selbstbewußtsein und Stolz.
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lk. An der Havel hin. Vom Bahnhof Potsdam aus wenden wir uns links über die Brücke und biegen dann gleich wieder rechts ein in die Teltower Vorstadt, um am Fuße des Brauhausberges entlang die Michendorfer Waldchaussee zu erreichen. Bald ist auf dieser eine Försterei erreicht, bei der wir wieder rechts abbiegen und nun nach einigen weiteren Minuten die Havel erreichen. Von hier an bleibt unser Weg dem Havelufer auf eine lange Strecke treu. Links steile Hänge mit Mischwald, üppigem Buschwert und reichem Blumenschmuck, rechts unter uns ein Wiesen- und Schilffumpfstreifen zwischen Chauffee und Havel , auf dem Störche bedächtig ihr Frühstück zusammensuchen, ohne sich viel um uns zu kümmern. Weit schweift der Blick über die bläuliche Wasserweite zu den dunklen Linien der Pirschheide und des Wildparkes am andern Ufer, während hinter uns das Stadtbild Potsdams auftaucht. Hier und da eine Lichfung im hohen Schilf, die uns erlaubt, den Wasserrand zu betreten, wo der Fuß über angespülten leeren Muschel- und Schneckenschalen fnirscht und das Spiel der Fischlein im Sonnenschein uns eine Weile fesselt.
Bei einer vorspringenden Landzunge liegt das Wirtshaus Templin , ein beliebter Ausflugspunkt; dann folgt wieder der Weg dem Ufer und endlich taucht aus grünen Obstgärten, die an das nahe Werder erinnern, das Dorf Caputh auf. Ziemlich am Ende des Dorfes erreichen wir das Fährhaus, verbunden mit einem hübsch am Wasser gelegenen Wirtshaus. Hier ist der mächtige Havelſee durch die Insel des sogenannten Wentorfs so verengt, daß wenige Schläge des Fährmanns uns an das andere Ufer bringen. Aus der stillen engen Bucht sehen wir vor uns den großen Tornowsee, an dem wir bisher entlang gewandert waren, hinter uns den noch mächtigeren Schwielowsee . Segelboote kreuzen kühn auf der Fläche, Schwäne mit ihren Jungen ziehen würdevoll dahin und Möven mit weiten Schwingen manöverieren gewandt in der Luft, bisweilen gefolgt von den plumperen Nebelfrähen, die es ihnen gleich zu thun fuchen. Zu unseren Füßen die weiße und die gelbe Seerose in dichtem Gemisch, über dem grünen Teppich ihrer glänzenden großen Blätter und in voller Blüte. Ein echt märkisches Seeuferbild in seltener Schönheit. Am Nordufer des Schwielowsees geht es nun über den Wentorf weiter gen Baumgartenbrück, im schönen Mischwalde hin und neben mächtig entwickelter Ufervegetation, die nicht immer den Ausblick auf das Wasser gestattet, aber in ihrer Art ebenso reizvoll ist. Unumschränkt herrschen hier große Binsen- und Schilfgewächse. So wird Baumgartenbrück erreicht, wo die große Havelbrücke uns abermals erwünschte Gelegenheit giebt, von diesem günstigen Plaze aus das Treiben auf dem Wasser zu beobachten. Wir warten noch ab, wie Die ungeheuere Vornehmheit der Veranstaltungen besteht darin, die Zugbrücke aufgezogen wird, um einem hochbemasteten Havelkahn daß alles so teuer wie möglich ist. Man will zeigen, daß man den Durchgang zu gestatten und wenden uns dann wieder zurück, am Kommerzienrats würdig ist. Aber auch in andrer Hinsicht erstrebt man Restaurant Baumgartenbrück vorüber, der Chaussee nach Potsdam Hoffähigkeit. Seit einigen Jahren giebt es in der Wandelhalle des zu. Sie führt uns durch das hübsche Dörfchen Alt- Geltow und dann Reichstags Preßkonzerte. Der Raum eignet sich für musikalische Dars durch schönen Wald, rechts die Pirschheide, links der Wildpark. Der bietungen etwa so wie die Central- Markthalle. Dafür wimmelt's Weg ist nicht kurz, aber schön. Endlich biegen wir nach Wildpark ab, aber von Offizieren, Marinisten und Ministern. Auf dem Programm um den Einmarsch in die langen Häuserreihen Potsdams zu vers aber steht allemal die Komposition eines leibhaftigen Hohenzollern - meiden und gelangen so wieder durch Wald zur Station Wildpark , Prinzen wahrhafte Serenissimus- Musik. Aber was thut's! Die von wo ein schneller Zug uns heimführt. Breffe hat auf die Weise einen erlauchten Gönner mehr und Uniformen zu Gast. Usancen!
k. Ueber die Auszahlung der Diäten an die französischen Auf den Pressebällen sizen in einer Parterreloge die Minister Deputierten bringt der Figaro" eine Plauderei, der wir das Reklame, der lächelnde Graf Bülow und der glänzende Freiherr Folgende entnehmen: Zu den sehr zahlreichen französischen Bürgern, b. Rheinbaben. Unten staut sich die Menge und blödet hinauf. Die die Geld aus der Staatskasse beziehen und deshalb mit mehr oder Minister sind die Leutseligkeit selber. Es ist ein überwältigender weniger Ungeduld das Ende des Monats erwarten, gehören auch Anblick. Aber die Leutseligen bringen ihre Frauen niemals mit. die Deputierten. Wie viel sie bekommen, ist männiglich bekannt,