Schlitten wieder den Berg hinauf. Solche Fahrten find mit großenGefahren verknüpft. Wie oft, wenn sich die Schlepplast ablöst, oderdie Sperren brechen, wird nicht ein Zieher an den Baumstämmenzerschmettert oder büßt sonstwie Gesundheit und Leben ein! ImFrühjahr, sobald die Bäche durch die Schneeschmelze anschwellen, beginntder weitere Transport des Holzes, die«Trist". Diese mituntergroßartigen Tristanstalten sbei Fürsteneck, Hals u. a.) find gleich denWegbauten eine Errungenschaft der rationellen Forstkuliur. Dieerste Triftklause wurde 1319 erbaut. Alle bedeutenderen Bäche sinddurch Klausen, Sperren und Schwellwerke tristbar gemacht und zueinem großen den ganzen Wald durchziehenden Wassertransportnetzvereinigt, dessen Hauptstraßen der Regen und die Jlz bilden.Der Holzreichtum de? Bayrischen Waldes bestimmte den Industrie-charakrer; die Verarbeitung der Hölzer hingegen, vielmehr die An-regung dazu, kam von Siebenbürgen. Die Vorführung diesergetarnten Industrie bildete auf der letzten bayerischen Landesausstellungzu Nürnberg<1896) eins der interessantesten und lehrreichsten Kapitel.Kaum ein„Waldler", der nicht sein Teil Hausfleiß auf die Her-stellung von allerlei Gebrauchsgegenständen verwendet. Seit Jahrennun konzentrierte sich die Holzindustrie in zahlreichen Klein- undGrotzfabrikbetrieben des Waldes Da sind Jalousie-, Stab- undFournierfabriken, solche für Holzschuhe. Eß- und Tranchicrteller, fürSchnee- und Getreideschaufeln, für Holzspunde, Kübel, Schneeschuhe(Ski>, Spulen, Pinselstiele, Rundstäbe, Metzger- und Bäcker-mulden, Radfelgen, Kummete für Ochsen und Pferde,Rund- und konische Stäbe aus Buchenholz zur An-fertigung von Stühlen usw., Siebzargen, Bersandkisten,Zündholzstäbchen bis zu 6 m Länge, Baukastenteile usw. Da sindZiindholzsabriken und solche Betriebe, die die Herstellung von allerleiAckergeräten, oder von Fußbodenbelegen, Decken- und Wandver-täfelungen aus Buchenkopfholz betreiben. Wieder andere befassen sichausschließlich mit der Anfertigung feiner Weidenfourniere zu Geigen,Decken, Resonanz- und Klavierhölzer, Guitarre- und Zither-böden usw. Ist doch gerade der Wald die eigentlicheHeimat aller Jnstrumentenhölzer. Die Fichte— Spitzfeichtegenannt— giebt das beste Resonnanzholz her. Um dieses ausfindigzu machen, beklopfen die Jnstrumentenbaucr den Stamm mit einemHammer.„Singt" der Baum, so hat er das rechte Holz. Die bis2 Meter langen„Blöcher" wurden früher der Länge nach in„Museln"gespalten. Die„Wtusel" wurde alsdann in Brettchen verschiedenerZollstärke von der Peripherie gegen den Kern gespalten, sodaß die Spaltfläche„nicht über die Jahre ging", dasheißt die Längenfasern nicht quer durchschnitten wurden.Heute wird der Block wegen Mangel an geradem undspaltbarem Material auf der Säge geschnitten, wodurch aberdie Resouuanz verringert wird. Um diesem Nachteileinigermaßen zu begegnen, werden die gesägten Brettchen numeriert,damit sie vom Jnstrumentenmacher nach der Lage, wie sie vonNatur gewachsen sind, wieder aneinandergefügt werden können.Den Großbetrieb im Bayrischen Walde vollenden die Glashütten,die in ziemlicher Anzahl vorhanden sind und Tausende von Arbeiternbeschästigen. Neben all den: steht die Leinenindustrie in hoher Blüte.Sie liegt zum größten Teil noch in den Händen der gesamtenWaldbevölkerung und gedeiht in den Häusern. Endlich möchteich auch noch der Schwammwaren-Fabrikation erwähnen. Ausden' auf den Buchenstämmen schmarotzenden Schwämmenwerden allerhand Kleidungsstücke verfertigt. Auch dieser eigen-artige Industriezweig, der nun zwar mehr und mehrzurückgegangen ist, weil durch die Abholzung die Schwamm-erzeugung vermindert wird, ist von Siebenbürgen herüber-fiefornrnen. Der Prozeß der Zubereitung des Schwammes getaktet sich folgendermaßen: Nachdem dessen äußere Rinde ab-geschält ist, wird er zun: Weichen in Wasser gelegt und dann mitdem Hammer ausgeklopft. Danach kommt er wieder dreibis vier Wochen lang in Wasser und wird nun durchKlopfen weich gemacht. Die Verfertigung von Mützen geschieht inder Weise, daß man einen Schwamm über eine nach Belieben zuverengernde oder zu erweiternde Form treibt. Außer Mützenwerden auch Westen gemacht. Man rühmt ihre gesundheitlicheWirkung und Dauerhaftigkeit. Die stüher allerwärts gebräuchlichenFeuerschwämme wurden ebenfalls aus jenen Buchenschwämmcn her-gestellt. Daß auch der„Schmalzler" oder„Brasil"- Schnupftabakein waldlerisches Produkt ist, sei nebenbei erwähnt.Ein eignes Volk sind diese«Waldler": gleichmütig, abgeschlossenwie ihre Tanneicheimat, in der sie aufwachsen, leben und sterben,ohne mit der Außenwelt diel in Berührung gekommen zusein. Die bisherige Abgeschlossenheit brachte eS mit sich, daß beiihnen alte Sitten und Gebräuche, sowie Natürlichkeit des Wesens,neben stoher, wenn auch dem Fremden gegenüber etwas wortkargerlauernder Sinnesart bis auf den heutigen Tag erhalten blieben.Lust am Gesänge, die Jmprovisationsgabe für witzig kecke Schnada-hüpfln und„Trutzg'sangln", Freude am Tanz und Spiel teilen sieübrigens mit den Hochlandsbayern. Die Zither aus demhelltonenden Holze der„Spitzfeichte" ist das Haus- Musik-instrument jedes Waldlers. Der Schrott- oder Schreitetanz nebstandren originellen Tänzen bildet ihre Specialität— das Raufenzuweilen nicht minder. Die„Nationaltracht" wird noch getragen,obwohl auch auf diesem Gebiet Mode und Zeit manches geänderthaben. Die Mode schnitt dem Waldler die Haare vom Nacken undSchöße vom ehemals langgetragenen dunkelblauen Tuchrock, der zum„Janler" oder„Spcnser" mit blanken Silber- oder gewöhnlichenMetallknöpfeil wurde. Die lederne Kniehose verlängerte sich zumPantalon. Damit waren die blauen Strümpfe mit ihrenzierlichen Zwickeln beseitigt und Schnürschuhe und blankgewichste Schaftstiefel traten an ihre Stelle. Auch derschwarze, breitkrämpige Hut mit uiederm„Gupf" undSchnallenband veränderte sich. Der„Gupf" wurde höher und indas Band steckte man künstliche Blumen von Silberdraht undFlitter. Nur das silberne„Besteck" in der Seitentasche der Hoseund die silberne Uhr mit dito Kette im Brustlatz sind unverändertgeblieben.Die weibliche Tracht hat sich weniger gewandelt. Sie bestehtim wesentlichen aus einem faltenreichen dunklen, nicht zu kurzenRock von Zwirnzeug oder Wollstoff, nebst blauer oder schwarzerSchürze, einem schwarzseidcnen, mit Goldborten reich verziertenMieder und dem Halsweh aus dunkelfarbigem Madras oder Seiden.Ernst Kreowski.kleines feuilleton.<»- In Wassersnot. Aus der Feder eines Lehrer? veröffentlichtdie„Brcslauer Morgenzeitung" folgende Schilderungder schlesischen Schrcckenstage:„Als ich am 13. d. M. von einerKonfercnzreisc abends nach Hause kam, fand ich mein stilles Dorfin fieberhafter Aufregung. Zwar hatte ja die Zeitung schon Berichteüber kolossales Steigen der Oder gebracht, aber daß das Unglück hierso schnell hereinbrechen würde, hatte niemand erwartet. Nun wardas Wasser den ganzen Nachmittag in rapider Weise gewachsen, undes mutzte zunächst an die Rettung des Viehs gedacht werden. Dieganze Nacht zum Dienstag machte niemand ein Auge zu. Jetzt konnteman einmal sehen, wieviel Vieh es in einem solchen Dorfe giebt.Himmel, was für eine Menge von Tieren ist hier vorbeigeführtund-gefahren worden. Das Brüllen der Rinder, das Schreien derSchweine, das Meckern der Ziegen, das Schnattern der Gänse, dasWiehern der Pferde, die antreibenden Worte der Männer, dasWeinen der Frauen und Kinder, es giebt zusammen einen geradezunervcnzerreitzcnden Lärm. Die Hühner werden schnell in Säckegesteckt, immer hinein, solange noch Platz ist. Die Tiere protestierenzwar mit vielem Geschrei gegen eine derartige ungewohnte Be-Handlung, aber der Sack wird zugebunden und auf Wagen oderSchicbkarre geworfen. Um das Chaos vollständig zu machen, bellensämtliche 69 bis 79 Hunde des Dorfes mit völligster Aufbietungaller Lungenkraft. Wagen auf Wagen rast vorbei nach der hinterdem Dorfe gelegenen Sandgrube, um schwer beladen zum Dammezu fahren, wo Männer aus der ganzen Umgegend rastlos thätig sind.den Sand in Säcke zu schütten und diese hinter- und nebeneinanderaufzustapeln. Andre Wagen bringen Steine, Bretter, Balken,Dünger.Sobald das Vieh nach den höher gelegenen Dörfern gebrachtworden ist, geht man an die Rettung der Möbel. Frauen und.Mndcrtragen Stück für Stück auf den Boden, und man sieht schwache WeiberKräfte entwickeln, die man ihnen nie zugetraut hätte. Woher sollich Leute nehmen, die mir helfen, meine Möbel zu bergen? AlleMänner arbeiten aus dem Damm, und wer»och in den Häusern ist.hat mit sich zu thun. Für Geld und gute Worte bekomme ich endlichvier Männer, die mir helfen, das Piano auf die Schulbänke zulegen; nachdem sie das gcthan und ihre Mark in Empfang ge-nommen, sind sie fort. Nun stehe ich mit meiner Frau und unsrenzwei kleinen Kindern da. das Mädchen trägt kleinere Gegenstände,Geschirr usw. auf den Boden; es vergitzt auch nicht, sein Spielzeugzu retten. Meine Frau und ich schleppen, was wir fortbringenkönnen, hinauf. Aber die großen Möbelstücke, Schreibtisch, Schränke,Divan usw. sind zu schwer; auch ist die Bodentreppe viel zu schmalund winkelig gebaut, als daß man die großen Möbel hinauftragenkönnte....Jetzt fangen wir die Hühner und bringen sie auf den Wäsche-boden; wir geben ihnen Körner auf längere Zeit und stellen mehrereSchüsseln voll Wasser hin. Nun tragen wir die Bienenstöcke in dieStube und stellen sie auf Schemel und Stühle. Das Sopha wirdauf den Tisch gestellt, das Vertikow auf den Divan gelegt. Allesgeht� in größter Eile, denn schon bringen einzelne die Kunde insDorf, das Wasser laufe über den Damm. Schnell etwas Wäscheund Kleider in den Koffer gepackt, und nun Abschied genommen vonWeib und Kind. Sie machen sich auf den Weg zur Eisenbahnstation,um zu den Großeltern zu fahren. Ich bleibe hier, um das meinigevor den Hochwasserpiraten zu schützen, die in Kähnen auf Diebstahlausgehen. Schnell noch ein paar Brote, etwas Butter und einigeKrüge Trinkwasser geholt, und nun komme, was nicht zu verhindernist. Der Deichhauptmann, hoch zu Rotz, sprengt vorbei und erklärt,daß für daS Geschick derer, die freiwillig in ihren Häusern zurück-bleiben, keine Bürgschaft übernommen werde. Nun kommt dertraurige Zug der Heimatlosen vorbei; schluchzend, mit thränendenAugen eilen sie auf den rettenden Hügel hinter dem Dorfe. Es istein herzzerreißender Anblick; wohl dem, der das nie zu sehenbraucht IJetzt schießt das Wasser über den Damm; wie hungrige Wölfestürzen sich die tosenden Fluten hinein in die lachenden Gefilde,hinein in die herrlichen Getreidefelder. Schon sind Kartoffeln undRüben bedeckt� nun kommt das Wasser auß die Straße....