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Flori achtete nicht auf ihn und fuhr gefaßt fort:" I net, und a der Vater hat's net so g'meint. Grad packt hat er's a bißl grob. Da is hing'fall'n und abg'rutscht über'n Hag ' nunter und auf a Wurzel aufg'fall'n."

In Lehners Antlig zeigte sich freudige Ueberraschung. Ah, do der Alt,' dacht' hab' i mir's glei."

Der Lenz hatte sich vor ihm hingepflanzt mit gespreizten zwischen den Fortschritten, welche der Technik, dem praktischen Leben Beinen und blinzelte ihn höhnisch an. zu gute kommen, und den Fortschritten, welche die Wissens schaft fördern. Beides schließt sogar in vielen Fällen einander aus, und so drohte bereits der große wissenschaftliche Strom in Chemie und Physik eine Zeitlang in Stagnation au geraten. Besonders herrschte eine Zeitlang eine gewisse Abneigung gegen die Erörterung der hohen philosophischen Probleme und der Welträtsel", zu deren Lösung doch gerade die Chemie und Physik den Boden bereiten muß. Die Atomenlehre, die Aetherlehre, die die Gesetze der Chemie wie die der Mechanik und Optik und die Erscheinungen des Lichtes und der Wärme, und wohl auch der Elektricität bis zu einem gewissen Buntte erklären, blieben auf derselben Stufe stehen. Allein in den letzten Jahren hat die Beschäftigung mit der Theorie eine An­regung sondergleichen erfahren. Und es ist nicht zu viel gesagt, wenn man behauptet, daß Chemie und Physik an der Schwelle einer neuen Epoche stehen, in der sie sich ein neues deutlicheres Bild von den Kräften, die die Welt zusammenhalten, machen werden.

" Nacha wird halt der Achenbacher auf a paar Monat ins Häust wandern. Wenn's no guat geht," bemerkte Lenz, seinen Körper wiegend.

"

Und warum hat er's nacha grob anpact,' s Reserl, Dein Vater?" fragte Lehner weiter.

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Jetzt verlor Flori einen Augenblick seine Sicherheit. No, halt weil weil er uns I hab' der Reserl bei der Schneewalz'n g'holf'n, weil's mi g'ruf'n hat, und das hat ihm net paẞt."

" Dem abgedankten Bürgermeister!" ergänzte Lenz lachend.

Diese Worte reizten Flori auf das äußerste. Sie er­innerten ihn an das heute erst seiner Familie geraubte Recht, zunehmen. das er dem Großvater gegenüber angezweifelt, jetzt erschien es ihm wirklich voll begründet.

" Da irrst Di, Lenz," erwiderte er trotzig. Den heutigen Tag hat's nimmer braucht. Zwischen uns und Euch is die Sach schon längst glatt, und ganz recht hat er, der Vater. Hab' a nir 3'suach'n bei Euch herüb'n, a bei der Rest net" ,, Also mach, daß D' naus kommst," brüllte Urban, in dessen Adern der neu angefachte Streit rumorte. Das Di ' s Resl nimma ruaft, das werd' i schon b'sorg'n."

In diesem Augenblick schwebte der Name Flori" wie aus einer andren, friedlichen Welt durch die Stube.

Aller Blick wandte sich auf das Lager. Reserl hatte sich aufgerichtet. Das aufgelöste Blondhaar umhüllte die ganze Gestalt. Die fieberglänzenden blauen Augen waren in der Verzückung einer glücklichen Vision auf den Jüngling gerichtet, ein erstauntes, fremdartiges Lächeln.umspielte den kleinen Mund.

Der Lenz schwieg, der Urban, alle. Sie sahen Flori auf das Bett zueilen, niederknien, die Hand Reserls erfassen, und schwiegen. Etwas Unerklärliches sprang ihnen auf den Nacken und lähmte sie förmlich.

Reserl, kennst mi denn?"

Das Mädchen strich die wirren Haare aus dem Geficht und sah sich fremd im Raume um, bis ihr Blick zu dem Jüng­ling vor ihr zurückkehrte. Da lächelte sie traumverloren.

,, Bist endli da? Und i hab' Di so lang g'ruaf'n. Der Bürgermeister hat's ja erlaubt. Und die schöne Musik, die f' g'macht hab'n und die Kränz! Der eine is übern Berg nunterfugelt, und wir san ihm nachg'lauf'n- und dann dann hast' n mir aufg'sett."

Sie legte die Hand auf das Haupt. Und danno, das hat so weh' than, so weh." Antlitz drückte den heftigsten Schmerz aus.

Flori? Blumen thuan do net weh?"

Warum

Sie sant in die Kissen zurück, mit ihrer Hand in Haar Floris wühlend.

rote

"

"

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so schön

Ihr denn,

dem aber rote, lauter

Die sind ja so schön Der Arzt war hinzugeeilt und legte seine Hand auf die feuchte Stirn. Da schloß sie die Augen wieder. Der Lehner, sich des weichen Gefühles schämend, das ihn übermannte, wollte wieder losbrechen, doch der Doktor befahl mit Strenge Ruhe.

" Geh, Flori", wandte er sich zu dem jungen Achenbacher. Die Kranke braucht Ruhe, und das siehst selber ein, daß Deine Gegenwart für den Augenblick nicht dazu beitragt." ( Fortsetzung folgt.)

neueren

Das Wesentliche, das die neue theoretische Bewegung in der Chemie und Phyfit charakterisiert, besteht wohl in der Erkenntnis der förperlichen Grundlagen der früher mehr immateriell gedachten Naturkräfte. Es drängt alles darauf hin, kleinste Körperchen als Träger aller Erscheinungen, selbst von Licht und Elektricität, an Die Kathodenstrahlen sind nach den Forschungen nichts andres als negativ geladene unendlich kleine Teilchen, die sich mit einer gewaltigen Geschwindigkeit fort­bevegen. Licht und Elektricität sind hier nicht nur eine Bewegungs­erscheinung, also eine Naturkraft, fie sind eine Maffe, eine Summe kleiner Körperchen. Die alte Emanationslehre Newtons fällt uns ein, die das Licht als einen Stoff ansah, der von einem Körper aus­gefandt wird. Aber in den Becquerelstrahlen wird nun vollends die Emanation, die Strahlenaussendung, ganz und gar förperlich. Nach den Experimenten Rutherfords ist es gar kein Zweifel, daß die Strahlen, welche die Elemente Thor, Uran und Radium aussenden, ein gasförmiger Stoff sind, der also wirklich von den genannten Elementen wegfliegt.

Sauptinteresse der Physiker und auch der Chemiter in Anspruch. Es Diese radioaktiven Substanzen nehmen mm gegenwärtig das bergeht kaum ein Monat, daß nicht über sie etwas Neues berichtet würde. Zwar sind diese Berichte zunächst nur dem Fachmann vera ständlich, allein alle tragen doch etwas dazu bei, das Rätsel, das über diesen Strahlen schwebt, zu lösen und uns zugleich einen Schritt weiter in eine neue Auffassung der Weltkräfte zu führen. Bom all­gemeinsten Interesse sind besonders die jüngsten Theorien von Rutherford und Soddy . Die Arbeitsgemeinschaft dieser beiden Männer, eines Physikers und eines Chemikers, illustriert übrigens aufs beste das Bündnis, das diese beiden exakten Wissenschaften jetzt vereint. Den beiden englischen Forschern, sowie dem Franzosen Becquerel ist es gelungen, die radioaktiven Elemente Thor und Uran auf chemischem Wege in je zwei verschiedene Arten zu zerspalten. Es wurde also z. B. das Thor in zwei in ihrer chemischen Natur zwar gleichartige, in ihren physikalischen Eigenschaften aber von einander abweichende Körper zerlegt, in das( eigentliche) Thor und in das X- Thor( Th X). Das Thor hatte nach der Trennung seine Fähigkeit zu strahlen, seine Radioaktivität verloren. Dagegen war das X- Thor außerordentlich viel stärker radioaktiv als das ver­einte Element. Num zeigt sich aber außerdem noch die höchst wichtige Erscheinung, daß nach einiger Zeit auch das eigentliche Thor wieder radioaktiv wird, das X- Thor dagegen diese Eigenschaft nach und nach verliert.

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Die beiden englischen Forscher bauen auf dieses seltsame Ver halten von Thor und X- Thor eine außerordentlich schwerwiegende Theorie. Es giebt Prozesse, die eine freisläufige Zustandsänderung eines Körpers zeigen. Wenn auf elektrischem Wege die negativen Jonen von Atomen abgetrennt werden, so vereinigen sie sich doch wieder mit dem positiven Teil des Atoms, nachdem die elektrische Einwirkung aufgehört hat. Das Atom kehrt zu seiner alten Ur­sprünglichkeit zurück. Indes giebt es auch geradläufige Umwandlungen,

bei denen nie das alte Stadium erreicht wird, sondern immer neue Körper aus den alten entstehen. Eine solche geradläufige Um­wandlung haben wir bei den radioaktiven Elementen. In dem ver­einten Thor ist radioaktives Thor und nichtstrahlendes vereint. Es sind also Atome, die unveränderlich sind und solche, die bereits in der Berſegung sind, noch mit einander vermischt. In dem abgetrennten X- Thor dagegen sind nur sich umwandelnde Atome vorhanden. Denn die Ausstrahlung, dieses ausstrahlende feinste Teilchen ist nichts andres als ein Prozeß, der im Innern der Atome vor sich geht. Darauf deutet teils die ungeheure Winzigkeit der aus strahlenden Teilchen, die weit Kleiner sind als das kleinste Atom, das Wasserstoffatom. Darauf deutet auch die große Energie, mit der eine winzige Menge von Thor ununterbrochen Strahlen, also Teilchen, aussendet, ohne merklich ant Gewicht zu ber= Aber eine Abnahme des Gewichts und das ist

Naturwiffenfchaftliche Uebersicht.ieren.

Bon Curt Grottewiz.

Jm modernen praktischen Leben genießen wohl von allen Wissen­schaften die Chemie und Physik der größten Wertschäzung. Sind fie es doch, auf denen unsre Technik beruht, die Mutter unsrer In­dustrie und unfres Verkehrslebens. Es ist klar, daß diese Wert schäzung ihrerseits dazu beiträgt, jene Wissenschaften zu reger Arbeit anzuspornen. Aber es besteht doch ein großer Unterschied

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fehr bedeutungsvoll für die förperliche Auffassung der Strahlung ist wirklich konstatiert worden. Es gehen also in solch einem radioaktiven Element wie dem Thor im Innern des Atoms Umwandlungen vor sich, das Atom zerfällt, es sendet eine Menge von Teilchen ab, die dann eben als Becquerel- Strahlen zur Erscheinung kommen. Aber diese Umwandlungen gehen keineswegs in allen Atomen vor sich, vielmehr sind es immer nur eine gewisse Menge, die sich zersetzen. Und im X- Thor sind eben auf chemischem Wege alle die sich zersetzenden Atome von den unveränderlichen Thor­