atomert«ßgeitennl. Wenn nun diese sich zersetzenden Atome des X-Thör nach und nach ihre Radioaktivität verlieren, so heißt das nichts andres als: sie sind am Ende ihres Umwandlungsprozesses angekommen, sie sind neue Körper geworden, die sich physikalisch von den alten unveränderten Thor-Atomen unterscheiden In dem eigentlichen Thor erscheint nach einiger Zeit die Radioaktivität von neuem, das kann nur so erklärt werden, daß nach und nach unter der Schar der unveränderten Atome einige in den Zustand der Auflösung geraten. Diese Veränderung der Atome ist ein Gedanke von weittragender Bedeutung. Danach hat man auch diese nicht für das letzte un- wandelbare Teilchen eines Elemente» zu halten, vielmehr sind auch sie in der Entwicklung begriffen. Rutherford und Soddy gehen nun weiter. Sie sagen, die Radioaktivität kommt nicht nur dem Thor und den andern radioaktiven Substanzen zu, sie ist vielmehr eine Eigenschaft aller Elenrente. Aber die andern Elemente sind bereits in ihrer Entwicklung so weit gekommen, daß ihre Atome sich nicht nrehr zersetzen können, vielmehr den Grad der Auflösung erreicht haben, bei dem eine Gleichgewichtslage eingetreten ist. Im Thor, Uran, Radium dagegen sind die Atome noch nicht bis an diesen toten Punkt gelangt, sie sind noch jetzt in Umwandlung begriffen, sie zerspalten sich noch in kleinere Teile. Es ist bezeichnend, daß diese radioaktiven Stoffe die höchsten Atomgewichte besitzen. Die Atome stirb eben sehr komplizierte Körper, die sich unter geeigneten Ver- Hältnissen noch in viel kleinere Teilchen spalten lassen. So erhöht zum Beispiel die Wärme die Radioaktivität dieser Stoffe. Die Atome der andren Elemente dagegen sind einst in grauer Vorzeit ebenfalls komplizierter gewesen, sie haben sich aber im Laufe der Erdentwicklung zu allereinfachsten Körpern zerspalten. So weicht nach den Anschauungen der beiden Forscher auch die Ewigkeits- dauer der Atome den Gesetzen der Entwicklung, die das ganze All umspannen. Nachdem es nun als feststehend betrachtet werden kann, daß die Kathodenstrahlen negativ geladene Jonen und die Becquerelstrahlen eine gasförmige Ausströmung kleinster Atomteilchen sind, werden wir mit der Thatsache zu rechnen haben, daß die Wissenschaft noch mancherlei Arten von Strahlen auffinden wird. Jüngst hat ja auch Blondlot, ein französischer Forscher, die sogenannten X-Strahlen entdeckt, die ebenfalls durch Metalle hindurchdringen. Wir stehen hier offenbar vor einer neuen Welt von Kleinkörpern, so wie vor etwa einem Jahrhundert die Naturforschung vor der Welt der Mikro- Organismen stand. Die gewaltige Bedeutung der letzteren im Haushalt der Natur wird niemand bestreiten. Aber diese Welt der Kleinkörper, in die wir jetzt einen Einblick gewinnen, ist wohl noch bedeutungsvoller für den Haushalt des Weltalls. Sie sind ja die Bausteine, durch deren Zusammenfügung erst alle die Großkörper und die Erscheinungen zu stände kommen, die wir mit Sinnen wahrnehmen können. F. A. Schulze in Marburg hat jüngst in der„Naturwissenschaftlichen Wochenschrift" (Nr. 33) die Bedeutung auseinandergesetzt, welche die unsichtbaren Bewegungen kleinster Teilchen zur Erklärung physikalischer Er- scheinungen besitzen. Er weist dabei auch auf Hertz hin, der die Begriffe Kraft und Energie beseitigen und an ihre Stelle die Masse und ihre Belvegung setzen wollte. Natürlich können wir nicht alle Masse wahrnehmen, sie besteht eben zum Teil aus sehr kleinen Teilchen. Jetzt aber sind wir doch nahe daran, Licht, Elektricität, Wärme als Bewegungen kleinster Körperchen zu begreifen. Zum Schluß neigt sich F. A. Schulze freilich niehr der Richtung zu, die alles, auch die ponderable Masse als Erscheinung einer Kraft auffaßt. Die negativen Jonen, die als Kathodenstrahlen zur Beobachtung konimen, sind eine elektrische Er- scheinung, ihnen gleichen die Becquerelstrahlen, die demnach, obwohl sie als Teilchen eines Gases aufgefaßt werden, doch im Grunde auch eine elektrische Kraftäußerung sind. So wie diese kleinsten Teilchen sei daher vielleicht die ganze ponderable Masse eine elektromagnetische Erscheinung. Hier herrscht offenbar eine erkenntnistheoretische Unklarheit. Wir fassen eben infolge der Einrichtung unsrer Sinne und unsres Verstandes die Welt teils als Materie, teils als Kraft auf. Nun sehen wir aber nicht die materielle Grundlage aller Kräfte, ebenso wenig wie wir die hinter jeder Masse schlunnnernde Kraft wahrnehmen können. Unsren Sinnen wie unsren geistigen Fähigkeiten sind eben große Schranken gesetzt. Allein wären unsre Sinne und unsre Vernunft ideal, so könnten sie alle Kraft als Materie, alle Materie als Kraft erkennen, denn beides ist mir die verschiedene Betrachtungsweise eines und desselben Dinges. Wir werden daher in der Erforschung der Welt nicht eher ruhen können, bis wir entweder das ganze In- einander der Kräfte oder das Aneinander der gesamten Materie kennen. Da aber das Materielle, selbst wenn es nicht sichtbar ist, in vielen Punkten anschaulicher ist, so kann es einen großen Fort- schritt bedeuten, wenn wir von gewissen Kraftäußerungen die materiellen Grundlagen erkennen. In dieser Lage sind wir jetzt. Wir stehen vor der Entdeckung einer gewaltigen Welt von Kleinkörpern.— Kleines Feuilleton. .'— Ucbcr die künstliche Fischzucht in der Lünedurger Heide wird der„Vossischen Zeitung" berichtet: Seit undenklichen Zeiten behcr- bergen die klaren Flüsse und Bäche der Heide die edle Forelle, die aber Gefahr lief durch die herrschende Raubfischerei, die sich nicht um Nachwuchs kümmerte, vollständig ausgerottet zu werden. Jetzt«ber. wo eine rationell? Fischzucht"sich eingebürgert hat, enthält die Heide wieder die Edelforelle in großer Zahl und ihre Ausfuhr nach den größeren Städten, wie Hamburg . Hannover u. a. bildet einen wichtigen Erwerbszweig ftir den Fischzüchter. Die natürliche Ver- mehrung der Forelle würde bei weitem nicht die Aussichten auf größeren Erwerb bieten, weil die Natur wenig Wert darauf zu legen scheint, ob sich viele oder wenige Individuen entwickeln. Man greift deshalb zur künstlichen Fischzüchterci, die bei rationeller Ausübung eine sehr lohnende Beschäftigung ist. In den Monaten November bis März, je nachdem die Forelle laichreif ist, wird die künstliche Befruchtung der Eier vorgenommen. Den Eintritt der Laichzeit beobachtet man am besten bei den klaren Flützchen in der Heide, die über reinen Sandboden dahinrollen. Die Forelle wühlt dann tiefe Löcher in den Kies, und Steine von mehreren Pfunden Gewicht werden aus ihren Stellen bewegt. Dies alles geschieht hauptsächlich an solchen Plätzen, die früher schon von den Fischen als Laichplätze benutzt und daher der Fischerei mehr oder weniger bekannt sind. Bei diesem Geschäfte werden die Forellen niemals von den Fischern gestört, da die ganze Erscheinung für sie nur den Zweck hat, die ein- getretene Laichzeit zu erkennen, damit alle einschlägigen Arbeiten der Zucht zur rechten Zeit vorgenommen werden können. Die Zucht- forellen werden vielmehr im Sommer gefangen und in besonderen Teichen, durch die ein Strom fließenden Wassers geht, ausbewahrt. Nachdem der Fischzüchter nun aus den oben beschriebenen Er- scheinungen den Eintritt der Laichzeit erkannt hat, werden die Teiche mit den Zuchtforellen abgelassen und jede einzelne wird ans ihre Laichfähigkeit untersucht. Man hat zu dem Ende eine weiße Schüssel, die mit Gaze überspannt ist. in Bereitschaft, über die man den Fisch mit der einen Hand hält, während die andre ihm die Eier abstreift. Die Forelle zeigt hierbei nur anfänglich etwas Unruhe, während sie gleich darauf sich das Abstreifen der Eier ruhig gefallen läßt. Da die Forelle verhältnismäßig wenig Eier erzeugt, so ist die Arbeit mit mehreren Weibchen(Rognern) rasch beendet, was auch durchaus nötig ist, wenn die Befruchtung gut gelingen soll. Sind auf diese Weise bis etwa fünf Rogner ihrer Eier auf der Gaze entledigt, so wird der Same eines Männchen(Milchner) in derselben Weise darüber gestrichen und die Befruchtung tritt augenblicklich ein. Man übergießt nun das Ganze mehrmals mit frischem Wasser, wobei die Eier von allen Jremdstoffen befreit und gereinigt werden. Die be- fruchteten Eier werden nun in Fischkästen init Kiesgrund gesetzt. wodurch ein schwacher Strom kalten Waffcrs fließt, und täglich wird morgens nachgesehen, wie sie sich weiter entwickeln. Eier, welche Fleischfarbe annehmen, sind gut befruchtet, dagegen solche, die ab- bleichen und weiß werden, nicht. Diese sterben ab und werden aus dem Kasten entfernt. Nach vierzehn Tagen erkennt man bereits den Nückcnmarksstreifen der Embryonen und nach zlvci bis drei Monaten — je nach der Witterung— bringt man die junge Fischbrut in eigne Teiche, womöglich mit weichem Wasser, da sie sich hierin besser ent- wickelt als in kalkhaltigem harten Wasser. Im ersten Jahre erreichen die Fischchcn eine Länge von etwa zwanzig Centimetcr, wenn aber die angegebenen Wasscrbedingungcn erfüllt sind, können sie nach drei Sommern und zwei Wintern ein Gewicht bis zu anderthalb Pfund erreichen. Will man auf den Verkauf der Fische hinarbeiten, so läßt man sie nicht so groß werden, sondern man zieht sogenannte Portionsforellen, von denen etwa drei ein Pfund schwer sind. Diese sind für feinere Restaurants die beliebtesten Fische. Der Fisch- züchter hat in der Regel eine ganze Anzahl Teiche zur Verfügung, die alle von einem Strom klaren Wassers durchzogen werden. Durch Drahtnetze sind bei allen Zu- und Ausgang gesperrt, damit keine Fische entschlüpfen können. Wegen der räuberischen Natur der Forelle dürfen in einem Teiche sich nur gleichaltrige Fische befinden. da die jüngeren von den älteren unnachsichtlich aufgefressen werden.—, ■— Aaron und die ägyptischen Schlangenbändiger. In einer neuen Arbeit über die Schlangen des alten Aegyptens komnit Hippolyte Boussac auch auf die biblische Erzählung von Aarons Stab. der zur Schlange wurde, wenn er ihn zu Boden warf, und wieder zum Stabe, wenn er die Schlange am Schwänze ergriff, und von der Nachahmung dieser Produktion durch die Zauberer am Hofe Pharaos (2. Mose VII, 9— 12) zu sprechen. Man weiß, daß die Schlangen- bündiger noch heute dieses Wunder allgemein zeigen und daß es sich um die Uräusschlangc oder Aspis, auch Kleopatraschlange genannr, handelt. Boussac gicbt aber einige weitere Einzelheiten über die Behandlung, die hier angeführt seien:„Man sieht manchmal", sagt er,„auf den. Straßen Kairos die Nachfolger, vielleicht sogar die Nachkommen der alten Pshllcn— eines libyschen Volkes, welches schon im Altertum als giftfest galt— mit gezähmten Najas, denen fic� vorher die Giftzähne genommen haben, spielen. Eine der über- raschendsten Vorführungen besteht darin, die Aspis in einen Stock zu verwandeln und sie zu zwingen, sich tot zu stellen. Um diese Wirkung hervorzubringen, speit ihr der Schlangenzauberer in den Schlund. legt sie auf die Erde und drückt ihr dann plötzlich eine bestimmte Stelle des Nackens zusammen. Die Schlange wird sofort starr und fällt in eine Art Katalepsie. Er erweckt sie, indem er ihren Schwanz ergreift und ihn stark zwischen seinen Händen rollt." Die alten Aegypter nannten diese Verwandte der indischen Brillenschlange oder Cobra di Capello, mit der sie die Eigenschaft teilt, den Hals zu einem Schilde aufzublähen, Ära, hielten ihren Biß für unbedingt tödlich und ihre Könige nahmen jie als Spnchol der
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20 (7.8.1903) 153
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