Urban war eben im Begriffe, sich in seine Kammer zurück-zuziehen. Das war ein aufregender Tag, er fühlte sich wiezerschlagen. Er kramte seine Taschen aus und legte denInhalt auf den Tisch, Geldbeutel, Knicker, Uhr. Das warso sein Brauch Tag für Tag. An der schweren Stahlkette derletzteren hing ein Charivari, Hirschgrandl, Geierkrallen, Reh-kröneln, ein Schlagring und ein dreieckiger, schwarzer Steinin Silberfaffung, ein sogenannter„Trudenstein"; LiebendePflegen ihn sich zu schenken, da sie ihm geheime Kräfte zu-schreiben. Er drehte den letzteren lange zwischen seinen derbenFingern. Dann hielt er ihn dichter an das Licht der Lampe,ein Buchstabe war mit dem Messer eingeritzt in groben, eckigenZügen, ein„B". Seine eigne Handschrift. Da knirschte derSchnee drauszen.Urban blickte erschreckt auf. Auch Lenz hatte das Geräuschgehört und schlich zu ihm her.„Wenn er's is, net glei nachgcb'n, mürb muatz er werd'n,"flüsterte er.„Du kriegst'n nimma bald so."Urban preßte den Stein in seiner Faust und atmete schwerauf, dann stellte er sich in Positur, die Faust auf den Tisch,den Blick auf die Thür gerichtet. Lenz blickte lauernd überseine Schultern, bereit zu hetzen.Die Thür ging weit auf. Urban konnte einen Ausrufdes Erstaunens nicht unterdrücken. Der Stein brannte wieFeuer in seiner geschlossenen Faust— Burgl trat herein—die Achenbacherin!„Niinm Di z'samm I" flüsterte Lenz, sich hinter seinemRücken duckend.Burgl war in der Haustracht, nur ein rotes Tuch warum den Hals geschlungen und die Haare sorgfältig geordnet.Zwei silberne Nadeln mit Rubinen hielten die Zöpfe. KeinerleiErregung war in den starken, aber regelmäßigen Zügen erkennbar, nur bleich war sie, wachsbleich.„Was willst Du heut no von mir?" fragte Urban.„Grad a paar Wort—" Sie riß das rote Tuch ab. Derweiße Hals, die nackten Arme leuchteten in dem Halbdunkel.„Aber—" sie neigte sich zur Seite, Lenz erblickend,„allci'mit Dir,,'s is ja nacha no imma Dci Sach, was thuanwillst."Jedes Wort kam gepreßt, mit stockendem Atem.Lenz ttat vor, Burgl unverschämt angrinsend.„Sag nurglei da Dein Spruch. I bin ja gar keiner für Di, oder meinst,er wirk! bess'r— allei'?"Burgl antwortete nicht, sie warf nur einen fragendenBlick auf Urban.„Laßt Du mi wirkli verhöhna von dem Mensch'n?" daslas dieser deutlich darin.Er wandte sich barsch um.„Misch Di net d'rein, Lcnz lKümmer Di um d' Resl, das is g'scheitcr."Er wies auf das Bett. Auch Burgl blickte hin, machtesogar einige Schritte dagegen.„Graust Dir net selb'r vor dem Rohling?" fragte Urban,sich an die Bäuerin wendend.Da blieb sie stehein„Also willst?"Urban zündete das' Kerzenlicht an, das auf dem Tischestand. Der dreieckige Stein hing gerade über der Tischkante.Als er aufsah, bemerkte er, daß Burgl ihn erkannt, er warvon ihr. Sie wandte rasch den Blick davon ab, als sie sichbeobachtet sah.„Komm I" sagte er, in die dunkle Kammer neben sichweisend.Burgl folgte ihm.„G'hört scho Dei," flüsterte Lenz kichernd.Urban schloß die Thür.Der enge Raum war angefüllt mit altmodischen Schränken,auf deren Thüren von bunten Blumengewinden umranktepurpurne Herzen loderten, steife Heilige verzückte Blicke zumHimmel sandten. Auf den Gesimsen, auf dem Boden, in Reihund Glied lag das Winterobst, schweren herbstlichen GeruchVerbreitend.„Dich schickt er also, der Achenbacher? Daß er sich netschämt," begann Urban, das Licht auf eine niedere Truhestellend.„Da muaß i Di schon glei aufklär'n," erwiderte Burgl.„Der Bauer schickt mi net, er weiß nix von mein'm Gangund darf nix wiss'n.'s Schama war also nur an mir,Urban."Es lag trotz der scheinbaren Kälte etwas in ihrem Tone,das ihn ganz verwirrte. Eine Schwäche fürchtend, raffte erfeine ganze Kraft zusammen.»So Hab' i's net g'meint,� sagte er barsch.»Aber dassiehst do ein, daß er her g'hört und net Du. Du— Duhast mir ja nix than und hast ma a nix abz'bitt'n, undsonst— sonst mein' i, giebt's a nix z'red'n zwisch'n unszwei."Er atmete sichtlich erleichtert auf wie nach einer schwerenAufgabe.„Also was is? Was willst?"„Warna will i Di, Lehner."Urban trat einen Schritt zurück, um das Licht besser aufBurgl fallen zu lassen und allenfalls in ihrem Gesichte zulesen, so unerklärlich schienen ihm die Worte.Doch diese sah ihm fest in das Auge.„I glaub' alleweil,es sputt a bißl bei Dir. Mi willst Warna? Heut? Javor was denn?" Er lachte unterdrückt.„Daß kein Dummheit net machst in Dein'm Haß—"„Das nennst Du abbitt'n? Ah, das is guat."„'s giebt nix abz'bitt'n," erwiderte Burgl mit einer durch-dringenden Schärfe.„Du weißt so guat wia i, daß net demAchenbachcr sein Sach is. Dein Dirndl a Wund'n beiz'bring'n,daß das nur a unglücklichst Zufall sein kann, aus dem erstdie Hcrre vom G'richt was'rausschnitzcln könna, wenn Dud' Anzeig' machst. Paßt Dir das? Glaubst, daß damit a Ehr'einlegst bei die Leut'?"(Fortsetzung folgt. �(Nachdruck verboten.)träume.Von Leon T a n o r f. Autorisierte Uebersetzung.(Ter Morgen— ein verschlafener, mürrischer, trauriger Morgen— ierweckt Herrn Gigot, der an der Seite seiner kleinen Frau ge-schlummert hat. Er dehnt sich schwerfällig, als wenn ihm Ccntncr-gewichte an den Gliedern hingen, reißt gähnend den Mund wie einSchcunenthor auf, neigt(ich dann über sein besseres Drittel(MadameGigot ist zu klein, um die Bezeichnung„Hälfte" zu verdienen) unddrückt, alter Gewohnheit gemäß, einen Vtorgenkuß auf die Stirn derreizenden Schläferin.)S i e(mit einem Seufzer erwachend, zunächst mit einem un-bestimmten, aber unzufriedenen Blick):„Wa— as?(Allmählichihren Gatten erkennend und ihn wütend anschauend.) Ach, Du...lLass' mich gefälligst in Ruhe, ja?"Er(erstaunt über diese Begrüßung):„Aber was hast Tudenn? Mein süßes Mauscschwänzchenl Mein geliebtes Zucker-schnauzchenl"(Will sie umarmen.)Sic(rückt entsetzt von ihm ab und verteidigt sich mit Ellbogen-stoßen. Glücklicherweise thun diese Stöße nicht sonderlich weh. weildie Ellbogen hübsch rund und voll sind.)„Rühr' mich nicht anlDu bist mir widerlich wie alter Kasel Ich verabscheue Dich! Ichhasse Dich!"Er(trostlos):„Aber, was habe ich Dir denn gethan?"S i e(mit unerschütterlicher Ucbcrzeugnng):„Du hast michbewogen I"Er(ruhig im Gefühl seiner Unschuld):„Was? Ich? IchDich betrogen? Ich, das Muster ehelicher Treue? Den man ,mganzen Viertel kennt?.. Noch gestern sagte man mir im Cafe, ichkönnte mich für meine Tugend unter eine Glasglocke setzen lassenals Clou für die nächste Weltausstellung,, Wann hätte ich Dichdenn Deiner Meinung nach bewogen?"Sic:„Diese Nacht l"Er(malt):„Und wo?"Sie(sehr ernst):„In meinem Traum!"E r(auffahrend):„In Deinem Traum?.. Tu willst michwohl uzen? Eines Traumes wegen machst Du hier'ne Seene?"S i e(ernst):„Jawohl, denn das war kein gewöhnlicherTraum! Ich sah Euch ganz deutlich. Dich und Deine Mitschuldige;auch Eure Unterhaltung habe ich mitangehört.. Wort für Wort!(Triumphierend:) Du siehst: Leugnen hilft Dir gar nichts!"..Er:„Aber zum Teufel! Das ist doch der reine Blödsinn!Du sagst ja selbst, daß es nur ein Traum war!"S i c(unbeirrt fortfahrend und sich beim Erzählen ihres Un»glücks mehr und mehr erregend):„Uebrigens habt Ihr Euch meinet-wegen keinen Zwang angethan! Ab— so— lut keinen Zwang an-gethan! Ihr saht mich sehr genau, jawohl, aber das hinderte Euchnicht im mindesten, mit Redensarten herumzuwerfen.. Gott, wasfür Redensarten!.. Ferkel würden sich schämen, solche Worte in denMund zu nehmen!"..Er:„Notabene, wenn Ferkel überhaupt reden können, waSmir in meiner Praxis noch nicht vorgekommen ist!"Sie:„Und dann diese Wahl I(Verächtlich:) Einen feinenGeschmack hast Du. das muß ich sagen, wahrhaftig! Mich mitLouison zu betrügen, der Schneiderin, die jeden Montag zu unskommt! Pfuil".