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Er( erstaunt):" Also mit der? Mit der Schneiderin?.. Ei, fieh' mal an!.. Wer mag Dir bloß solche Dummheiten in den Kopf gesezt haben? In meinem ganzen Leben habe ich noch keine zehn Worte mit Louison gesprochen! Aber ich Efel! Das ist ja alles nur Traum!( Beginnt zu lachen.) Hahaha! Wie kann man sich über einen Traum nur so aufregen!"( Deklamiert:). Ein Traum.. Was ist ein Traum?.. Ein Nichts. Hahaha!

Hahaha! Sie( durch seine Heiterfeit etwas beruhigt): Wirklich zu dumm! Bloß ein Traum! Aber, wenn Du wüßtest, welchen Ein­druck dieser Traum auf mich gemacht hat!"

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Er( achselzuckend): Gott, wie kann man nur so dumm sein, sich von seinen Nerven derart beherrschen zu lassen! Ein Traum was hat das weiter zu bedeuten?"

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Sie: Ohol Man sagt, Träume haben mitunter sehr viel zu bedeuten!"

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Er( voll Mitleid): Wirklich? Du willst eine gebildete Frau sein und glaubst noch an solch Alttveibergeschwäh: Träume haben etwas zu bedeuten?( Mit Pathos:) Mit Riesenschritten ist die Wissenschaft vorwärts geeilt, die Philosophie hat mit ihrem alles besiegenden Hauch den modernden Sumpf des Aberglaubens aus­getrocknet aber trotz alledem existiert im 20. Jahrhundert eine Frau, die noch an Träume glaubt!"

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Sie( vollkommen beruhigt): Ja, Du hast recht, mein Schatz. Die Gedanken, welche einem im Schlaf kommen, haben wirklich feinen Sinn!( Lacht  .) Geradezu abgeschmackt, wenn man sich daran erinnert!"

Er( ebenfalls lachend): Gott sei Dank, daß Du das endlich einsiehst! Bu träumen, ich wäre hinter der Schneiderin her!" Sie: Nein, darüber lache ich jetzt nicht. Ich dachte eben an den Traum, welchen ich vorher hatte! Beim Erwachen war er mir entfallen, aber jezt erinnere ich mich ganz deutlich!"( Lacht  .) Er( mitlachend): Natürlich habe ich Dich in diesem ersten Traum gleichfalls betrogen?"

Sie( heiter): Nein! Das war viel komischer! Beinahe der umgekehrte Fall wie im andren Traum. Stell' Dir vor: ich ließ mir den Hof machen!"

Er( etwas unruhig): Du? Nein, wirklich! Und von wem?" Sie: Von Charles, weißt Du? Deinem Better. Diesem langen Tölpel, den ich nicht ausstehen kann!"

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Er( nachdenklich):" Ja, ich entsinne mich, Du hast mir öfters gesagt, Du könntest ihn nicht leiden..

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Sie: Freilich! Und im Traum, stell' Dir vor, konnte ich ihn sehr gut leiden!( Lacht  .) Ist das nicht spaßig?"

Er( lacht mit der Miene eines Patienten, welchem der Zahn­arzt soeben drei Backzähne gezogen hat): Aeußerst spaßig!" Sie( harmlos fortfahrend):" Wenn ich mich recht entsinne, hat er mich sogar umarmt.

Er( aufgeregt):" Wo denn?"

Sie: Na, natürlich im Traum! Und ich war gar nicht böse darüber, im Gegenteil!"

Er( mit finster zusammengezogenen Augenbrauen): Ei, sieh mal an!"

Sie( heiter): Gar nicht böse! Was sagst Du dazu?" Er( schlägt mit der Faust auf das Nachttischchen, daß alle Gegenstände darauf zu tanzen beginnen): Dieser Hallunte Charles! Na, der soll mir bloß noch mal seine Pfoten hier hereinstecen dann kann er was erleben!( Drohend:) Und Du.. wenn Du noch einmal träumft, verstehst Du wohl? Nur noch ein einziges Mal träumst, dann werde ich Dir die Flötentöne schon beibringen!" Sie( erschreckt): Aber, was hast Du denn? Regst Dich über

einen bloßen Traum

Er:" Jawohl, thue ich.( Mit Nachdruck:) Du magst sagen, was Du willst: wenn nicht ein Körnchen Wahrheit dahinter steckte, hättest Du nicht vom Vetter Charles geträumt!"

Kleines feuilleton.

ng. Sonntag. Licht, Glanz und Freude überall hier draußen weit hinter den Mauern der Stadt. Blüten in allen Gärten und auf den weinumsponnenen Ballons der kleinen Häuschen. Aus dem tiefgrünen Laub der Obstbäume leuchten die Früchte. Und darüber der strahlende Himmel, ätherrein, ohne ein Fleckchen.

Strahlend auch die Gesichter der Menschen, welche hierher ge­flohen aus dem Staube der Stadt. Und nicht minder strahlend die Mienen der Gastwirte, denen das Sonnengold dort oben sich in flingende Münze verwandelt und in ununterbrochenen Strömen hineinflutet in die Kasse hinter dem Tresen.

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Kein Stuhl in den Restaurationsgärten ohne eine lebendige Last. Und so trocken die Kehlen immer wieder hallt vom Büffet der knallende Ton des Spundhammers. Auf den Kegelbahnen Männer mit aufgestreiften Hemdärmeln, so daß die braunen, sehnigen Arme zu sehen sind, welche am Wochentage wohl den Schmiedehammer führen oder den Hobel, die Säge oder die Mauerkelle. Dumpf rollen die Kugeln, die Holzpuppen tanzen und flappern... ,, Alle Neune!" Gefchrei, Gelächter. Jubelnd begrüßt die Kumpanei den treffsicheren Schieber...

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Die Kellner jagen wie gehegt von einem Tisch zum andern, Schweißtropfen auf der Stirn. In der Woche zieht sich das Leben hier schläfrig hin, aber am Sonntag treiben die durftigen Seelen zur Gile.

Hinten, auf dem Spielplatz, vergnügen sich die Kinder. In einem mächtigen Sandhaufen wühlen sie mit Löffeln, Schaufeln und Händen, eifrig wie Maulwürfe. Endlich ist die Festung" fertig mit Turm und Wall, mit Brücke und Graben. Nur das Wasser fehlt noch. Aber wozu wäre die Pumpe da. Von hier aus bauen fie eine Wasserleitung" heran; vier Knirpse mühen sich gleichzeitig am Schwengel. Dann wird die Festung erstürmt; ein Freudengeheul und es hebt ein mörderisches Pantschen an- dem Frischgeplätteten sagen? was wird Mutter zu

In der Nähe schwingen sich felige Bärchen in den Schaukeln; aus einer Schießbude brüllt der ins Herz getroffene Löwe, und die Würfel flappern am Muschelstand...

Kraut. Da

Pianogellimper im Saale  ; das schleifende Geräusch von Tanzenden... ein bunter, wirrer Hauf, in dem der Einzelne kaum Plaz zum Treten hat. Note Gesichter, blizende Augen, weiße Taschentücher fliegende Haarsträhnen. Wie in einem Staleidoskop schlingt sich's durcheinander zu wechselnden, farbigen Bildern. Farbig auch die lebendigen Linien, welche sich auf den Wegen vom Bahnhof, von den Anlegestellen der Dampfer entlangziehen. In bunten Strömen wogen sie heran, die grauen Jacken, schwarzen Röcke, hellen Beinkleider, die braunen, blauen, gelben und roten Kostüme. Mädchen, weiß von den wippenden Straußen­federn am Hute bis hinab zu den Schuhen. Wehende Spitzen, flatternde Bänder. Strohhüte, weiße Mützen, Scherzkappen aus Papier, Hüte mit Kirschen, Rosen, Sonnenblumen zwischen ehrwürdig glänzende Cylinder, zuweilen bedenklich im Ge­nick sigend. Radler und Radlerinnen sausen vorüber. Kremser, bekränzt, mit singenden Insassen. Eine bestaubte Turnerschar, Trommeln und Pfeifen voran. Ein Surren und Summen unzähliger Stimmen, ein Lachen, Jauchzen und Kreischen... Licht, Glanz und Freude Vom Podium schmettert die Dorffapelle: rattatta, rattatta bum! bum! rattatta, rattatta bum! Der Paukenschläger versteht seine Sache; mit elegantem Schwunge holt er aus und beschreibt einige Linien in der Luft, ehe der Lederkopf des Schlegels auf das Stalbfell ſauft.

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Inzwischen hat sich Petrus   auch ein Sonntagsvergnügen erlaubt und eine fleine schwarzgelbe Wolfe über die Häupter geschoben. Niemand hat sie kommen sehen. Nun fällts in spärlichen, aber dicken Tropfen. Ein allgemeiner Aufruhr entsteht. Der Gastwirt ist vor die Thür getreten und schneidet ein wütendes Gesicht hinauf. Dichter fallen die nassen Kügelchen. Sonnenschirme entfalten sich wer schleppte fich heute mit einem Regendach? Alles schimpft, lacht, schreit, rennt und schlägt die Röcke über den Kopf.

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Es war nur Scherz. Kaum fünf Minuten, und der Himmel ist wieder hell und rein wie ein lachendes Auge. Freudenthränen warens. Weil die Lust noch lebt, die Sonntagsfreude, welche über den grauen Alltag fiegreich triumphiert.

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Die Brotfrucht der Alemannen. Aus Stuttgart   wird der Frankfurter Zeitung  " geschrieben: In langsamem Abnehmen scheint die specifische Brotfrucht der Alemannen und Schwaben, der Dinkel   oder( außerhalb Württembergs) Spelz, begriffen zu fein. In Württemberg   liefert diese Weigenart seit altersher zum größten Teil das Brot und heißt darum schlechtweg auch Korn oder in Gestalt der" gegerbten", d. h. enthülsten Frucht, Kern. Nach dem kürzlich erschienenen ersten Heft der Württembergischen Jahr­fläche für Dinkel   im Jahre 1901 nur 168 751 Hektar, während bücher für Statistik und Landeskunde für 1903 betrug die Anbau­im Jahre 1854 noch 209 803 hektar mit Dinkel angebaut waren. Im Laufe eines halben Jahrhunderts ging die mit Dinkel be= baute Fläche also um genau 20 Proz. zurück. Besonders start ist die Abnahme im letzten Jahrzehnt gewesen, die Verminderung be­trug in diesem Zeitraum 7% Broz. Den Hauptvorteil von diesem Rückgang des Dinkel  - Anbaus hat die Kartoffel( deren Anbaufläche von 45 022 Hektar im Jahre 1854 auf 97 110 Hektar im Jahre 1901 gestiegen ist), ferner der nächste Verwandte des Dinkels, der eigentliche Weizen, und der Hafer gehabt. Weizen wird in Württem berg noch immer wenig angebaut, die mit Weizen bestandene Fläche betrug in dem genannten Jahre 30 161 Heftar, was allerdings gegen 11 493 Heftar im Jahre 1854 einen starken Zuwachs be­deutet. Immerhin wird auch heute noch mehr als ein Drittel der für Körnerfrüchte verwendeten Anbaufläche dem Dinkel zugewendet, und von der gesamten im Deutschen Reich auf den Anbau von Dinkel  verwendeten Ackerfläche stellt Württemberg   allein über die Hälfte. Außerhalb Württembergs wird diese Frucht nur in Baden, einent Teile von Bayern  , Hohenzollern  , Hessen  , Elsaß  , der Rheinprovinz  ( oberhalb Koblenz  ), Thüringen  , Tirol, der Schweiz   und auf der Insel Sardinien   angebaut. Es handelt sich also zum größten Teil um Gebiete, die von Alemannen und Schwaben besiedelt worden find. Was insbesondere den Anbau des Spelz in Thüringen   bes trifft, so ist es vielleicht von Interesse, zu erfahren, daß die Vor­fahren der heutigen Thüringer  , die Hermunduren, ein suevischer Volksstamm waren, und daß es am Fuße des Harzes inmitten nieder­sächsischen Gebietes bis ins zwölfte Jahrhundert einen Schwabengau gab, dessen Bewohner ihr Boltstum noch bis in die Zeit der Ents stehung des Sachfenspiegels hinein bewahrten. Es ist auch wohl