Anterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 160.

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Dienstag, den 18. August.

( Nachdruck verboten.)

Die Achenbacher.

1903

Einsehen, und er soll hinunter zum Fest. Er richtete das Spektiv darauf.

" Heiliger Gott  , der Lenz! Was will der bei mir?" Dann wie ein Blitz durch das Gehirn: Rest!" Weiter nichts! Wie dieser Lenz dazu kam, ihm solche Botschaft zu bringen? Welche Botschaft denn? Nichts nichts als Rest! Diesen Namen auf den Lippen, stürmte er abwärts.

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Roman von Anton v. Perfa II. Heute aber kam Flori über Seehamm nicht hinaus. Es war der Vorabend des großen Festes. Auf der Wiese vor Lenz winkte ihm von weitem schon. Er schien ebenso dem Dorfe erhob sich die Budenstadt. Die gelben Bretter atemlos als Flori selbst und warf scheue Blicke zum Fenster blizten bis herauf, und durch das Perspektiv des Vaters, hinaus. Draußen breitete sich schon die Dämmerung. welches er nicht vom Auge brachte, gewahrte er alle Einzel-" Js ja grad a Dummheit," begann Lenz, nach Atem heiten: die langgestreckten Holzhallen für das Vieh, die Ehren- ringend. Hab' was ausz'richt'n g'habt drent für morg'n, tribünen mit den flatternden Fähnchen, vor welchen die Preis- aber der Forstg'hilf glaubt ma's ja do net, hat mi d'ersehn verteilung stattfinden sollte; die Bierschänken mit den von der Schneid drüb'n grad a lang's G'red hab' i blizenden Holzbänken, das runde Zelt der Kunstreifer ima denkt, gehst zum Flori. I ja do dein Schuldner vom Luftzug sich blähend, ein andres, längliches, mit bunten, orchturm her. Weißt schon no.

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Bildern behangen, eine Menagerie oder ein Wachsfiguren- Flori war bitter enttäuscht, anstatt der heiß ersehnten fabinett, drehende Karussells. Dazwischen wimmelte es heute Nachricht ein kritisches Verlangen. Er war keinen Augenblick schon wie in einem Ameisenhausen, und ein verworrenes im Zweifel, um was es sich handelte. Geräusch drang bis herauf, gemischt aus Orgelflängen, Vieh­gebrüll, Menschenstimmen, aus dem dann und wann scharfe Trompetenstöße, Hammerschläge sich abhoben.

Flori brachte das Perspektiv nicht mehr von den Augen, er hatte noch nie ein derartiges Fest mitgemacht.

Schön müßt's schon sein, so mit' m Kranzl hintret'n vor alle Leut und den ersten Preis hol'n, die seltsam'n Sach'n anschaun und einkauf'n.

Für wen denn? Ja, wenn's Rest! Da setzte er das Fernrohr ab, streckte sich auf den Rücken und ließ mit den Wolfen über sich gar lustige Bilder vorüberziehen. Er kauft ihr ein seidenes, hellblaues Tüchl mit einem weißen Saum, grad wie da droben die Farb', er fährt mit ihr auf dem Karussell, sest den Arm um sie gelegt. Wohliger Schwindel packt ihn, flingend dreht sich die ganze Platt'n. Er führt das geschmückte, sauber gestrählte Kranzl vor einen hohen Herrn mit einer schwer goldenen Kette um den Hals, blizende Sterne auf der Brust. Auf der Seite steht Rest mit dem himmelblauen Tücht um den Hals und lacht ihm so herzlich zu. Der hohe Herr reicht ihm die Hand." Hast auch einen Schatz, Resi?"

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Mög'n thät' i freili ein, aber derf'n thua i net," sagt 18 Resl.

Net derf'n?" schreit der König ganz zornig." Ja, warum denn net?"

" Ja, weil halt mein Vater sein' Bater net leid'n kann, schaun S', Herr König.

" Ja, aber die zwei soll'n ja einand' auch net heirat'n, sondern Du und Dei Flori. Lehner, Achenbacher, daher!"

Der König schreit die beiden Namen, rot vor Zorn, die ganze Menschenmenge wogt durch einander und wiederholt die Namen. Da fracht ein Schuß, eine ganze Salve,- das Kranzl hätte ihm bald die Finger ausgerissen, einen solchen Seitensprung machte es, und der König und die Rest und die Menschen waren weggeblasen.

Flori war wirklich eingeschlafen auf dem Rücken. Er hatte sich jäh erhoben und blidte hinab. Eine Rauchwolfe schwebte an dem Hügel entlang, auf dem die Schießstätte stand und jetzt- blizz bliz! Eine weiße Wolfe, danach ein rollender Donner, der sich gerade an der Wand zu brechen schien, über der er saß.

Und von Osterhofen   her wurde das Feuer erwidert, Salve auf Salve.

Von dem Abhang des Lehnerhofes erhob sich eine Rauch­wolfe. Er vergaß über dem Anblick den sonderbaren Traum. Herrgott, wenn das wirklich Ernst wäre! Eine richtige, offene Schlacht zwischen hüben und drüben, da wollte er schon mit­thun, zuvorderst als echter Achenbacher, aber das heimtückische Kämpfen hinterrücks, das war ihm in der Seele zuwider. Wieder blitte eine Salve auf in Seehamm.

" No, wird's!" rief er ungeduldig, als von Osterhofen  nicht gleich erwidert wurde.

Da drang ein Geräusch von der Almhütte her herauf, das Knarren der Thür, seinem feinen Ohre deutlich vernehm­bar. Er wandte sich rasch, die Thür stand offen, und jetzt trat ein Mann in die Oeffnung. Offenbar jemand, der ihn suchte. Botschaft von zu Hause! Vielleicht hat der Vater ein

Was willst denn eigentli von mir?" fragte er unwirsch. ,, Gar nix weiter i bin schon a Stund lang da, sagst, wenn ma fragt."

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" Ja, wer denn?" fragte Flori.

Lenz hatte sich erhoben und blickte vorsichtig zum Fenster hinaus. Plötzlich fuhr er zurück, heftiger Schreck zeigte sich in seinen scharfen Zügen. ,, Da kommt er schon," flüsterte er. A Stund sagst, das langt

Flori erblickte den Forstgehilfen von Seehamm, der über die Almfläche her gerade auf die Hütte zukam. Seine Ahnung hatte ihn nicht betrogen. Im strengen Rechtssinn auf­gewachsen, teilte er nicht im geringsten die leichtfertigen An­schauungen vieler seiner Altersgenossen über den Wildfrevel; für einen Achenbacher war das ein Diebstahl, so gemein wie jeder andre. Daß Lenz denselben betrieb, machte ihn in seinen Augen nur noch verächtlicher.

,, Unser Alm is fei Unterkunft für d' Schüß'n, des könntst do schon lang wiss'n," erwiderte Flori, fest entschlossen, dem Anfinnen nicht zu folgen. Wenn'st Di selb'r' rauslüag'n fannst, i weiß nir weiter. Mitlüag'n, das kann i net." Um d'Resl net?" flüsterte Lenz hastig. Flori stuzte. Er wollte etwas erwidern. Da is er schon."

Lenz setzte sich eilig auf den Herd, und in demselben Augenblic trat der Forstgehilfe ein, ein junger, rütiger. Mann, die Büchse auf dem Rücken. Als er den Lenz er­blickte, lachte er auf. Bist endli einganga, Tropf schlecht'r?"

Flori war zurückgetreten und harrte mit klopfendem Herzen des Ausganges. Die Beschwörung von eben klang verhängnisvoll in sein Ohr.

Lenz' Antlitz verriet nichts als das größte Erstaunen. " einganga? Wia moanst denn das, ha?"

Gehilfe.

glaub gar, Du willst no leugnen," erwiderte der

" Leugna? Was soll i denn leugna?"

Flori bewunderte jetzt die ihm unfaßliche Verstellungs­kunst. Auch der Gehilfe verlor sichtlich seine Sicherheit. " Daß Du g'schossen hast vor einer Viertelstund am Wolfseck? Wenn i Di selb'r g'sehn hab'?"

Wia i g'schofs'n hab? Ah, wirkli? Da hast Du mi g'sehn?" fragte Lenz höhnisch.

Wia'st g'schoss'n hast, grad net, aber danach. Grad eben, wia'st über d' Schneid übri bist. Willst am End des a leugna?" Daß i über d' Schneid übri bin? Na, das leug'n i net." Lenz kniff lachend die Augen zusammen. ,, No, das langt schon, Bürschl."

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,, Moanst? Weiß net! Wird do drauf ankomma, wann

i übri bin über d' Schneid."

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Wann? Des is guat! Vor fünf Minuten. Langt's no net?" erwiderte der Jäger, seines Sieges gewiß.

,, Langat schon- wenn's wahr wär." Lenz sprang auf und trat zu Flori. Sag Du eam, wia lang i da bin, dem Herrn Forstg'hilf'n."

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Flori befand sich noch nie in seinem Leben in einer so peinlichen Lage. Er las in diesem Blick von neuem den lieben Namen. Des Lenz Schande war ia die Schande ihres Sauses