Eher—■* Eine wilde Leidenschaft loderte ans diesen Augen, ein sehniger Arm zog das Mädchen jäh an sich. Mit der Kraft junger Liebe, jungfräulicher Empörung riß Resl sich mit einem Aufschrei loß und floh gegen das Haus. In demselben Augenblick rasselte ein Fuhrwerk den Weg entlang, welcher dicht an der Stelle vorbeiführte. Lenz drückte sich hinter einen Baum. Es war der heim- kehrende Achcnbacher, und er sah deutlich, wie derselbe sich umwandte. Er hatte wohl den Schrei Resl vernommen, sie vielleicht erkannt im grellen, vom Lehnerhof fallenden Licht- streif, den sie eben übersprang. „Wenn i s' nur ausrotten könnt', die ganze Brut!" murmelte er vor sich hin, dem Gefährte nachblickend, das vor dem Nachbarhofe hielt. Urban saß noch immer auf derselben Stelle, wo er ihn verlassen, dumpf hinbrütend. Lenz zählte ihm grinsend die Goldstücke auf den Tisch. „An schön' Gruaß soll i Dir ausricht'n," flüsterte er dem Bruder in das Ohr,„und's sei gern g'schehn—" „Hat s' das wirkli g'sagt?" fragte Urban, und sein finsteres Gesicht erhellte sich. „Was denn? Die is a nct z'neid'n!" Ein Goldstück fehlte, es waren nur neunzehn. Das be- unruhigte Lenz, er hatte doch genau gezählt.-- Lorenz kam in selten guter Laune heim. Seine erste Frage war nach Flori, ob er etwa heimgekommen sei von der Alm.„Nacha is mir liaber," erwiderte er lachend, als Burgk die Frage verneinte. Er war in der Stadt gewesen, betreffs der Kirchen- Angelegenheit, welche er mit gewohnter Zähigkeit nicht aus den Augen verloren, beim Bischof selbst. Der hohe Herr empfing ihn äußerst gnädig, lobte seine fromme Absicht, unentgeltlich alles Holz zur Renovierun�z der Osterhosener Kirche zu geben, und versprach, im Falle einer würdigen Wiederherstellung des Gotteshauses, sein möglichstes zu thun, um den Interessen beider Ortschaften gerecht zu werden. Ja, er machte sogar eine Andeutung, welche Lorenz zu seiner hellen Freude darauf schließen ließ, daß Seine Eminenz mit der neuen Strömung in Seehamm, von welcher derselbe gut unterrichtet war, durchaus nicht ein- verstanden war. Das war Balsam für den erbitterten Lorenz, kräftigte ihn von neuem in dem Bewußtsein seines Rechtes. „Des is a Mann, so ein' muaß ma hör'n! Da geht ein'm's Herz auf. A Narr war i. a recht'r Narr, mi so zu eifern, als wenn's auf'n Bauernstand net schon mehr ein- g'stürmt wär'n und hat sich do erhalt'n. A ganz andrer Mensch bin i wieder. Mein' Burgl, hast a schlimme Zeit g'habt mit mir." Er ergriff mit einer ganz ungewohnten Herzlichkeit die Hand der Bäuerin, welche ihn gerade heute tausendmal lieber polternd wie gewöhnlich hätte kommen sehen. „Ja, was hast denn, Burgl? Hat's an Verdruß geb'n? Weißt, heut kann mi nix d'rzürna, kannst schon rausnicka damit." „Was soll's denn geb'n hab'n? Gar nix." Sie lachte gezwungen.„Grad so a fliagete Hitz Hab' i. Is all'weil so im Frühjahr." Sie trug das Abendbrot auf. Kartoffelnudel mit Sauer- kraut, das Lieblingsgericht des Bauern. Das erhöhte noch seine vortreffliche Laune. Er fühlte sich so behaglich wie lange nicht in seinem Heim, wieder ganz vollwertig. Ein Schoppen Roter mußte aufgetischt werden. „Do schad, daß der Flori net da is! Wär' so grad sein Heiliger heut! Aber der Bua is ja nirgends liaber als auf der Alm. Is mir a ganz recht, da vergeh» ihm die andern Gedank'n." „Oder sie komma ihm erst recht mit'n Alleinsein," be- merkte Burgl. „No!" Lorenz zuckte die Achseln.„Nacha kannst a nix macha, G'danken san zollfrei, und jung is jung. Sauber wird's schon,'s Madel, daß ma grad schaun muaß!" Burgl legte den Löffel weg und sah ihn erstaunt an. „Seit wann merkst denn Du so was?" „Meinst!" Lorenz lachte verschmiht.„Weil i net alle- weil's Maul mach'? Die Staden(Stillen) san die g'fähr- lichsten." Der Großvater hörte von der Unterhalwng kein Wort. „Warst Du in der Kammer vorhin?" fragte er plötzlich Burgl, wohl lediglich in dem Bedürfnis, sich auch einmal hören zu lassen.(Fortsetzung folgt.) (Nachdruck verböte».) Vorstellungen. Von Leon Xanrof . Nutorifierte Uebersetzung aus dem Französischen. Sie(ans die Uhr sehend):„Schon sieben I Und Mama ist noch immer nicht dal Das ganze Essen wird wieder kalt I" Er(die Nase von der Zeitung erhebend):„Die Gnädigste ist natürlich noch bei ihrer Toilette I Ich wollte ihr eigentlich schon lange mal sagen.. Sie(unruhig):„Ach neinl Ach nein! Ich bitte Dich, wahr- haftig I Wozu denn immer Vorwürfe? Soll sie wieder weinen?" E r:„Wer spricht denn davon?" Sie:„Na, Du weißt ja gar nicht, wie wütend Du aussiehst, wenn Du schiltst I(Gerührt.) Die arme, kleine Mama l Wie sie dann zittert!" E r:„Das sind die Nerven! Wenn ich in solchen Augenblicken doch bloß mal in ihrer Seele lesen könnte! Ich wette, sie würde mich am liebsten vergiften!" Sie:„Durchaus nicht. Wenn Du wenigstens Deine Vor- würfe in sanften, Tone machen wolltest! Aber nein! Keine Spur von Selbstbeherrschung! Du läßt Dich immer so gehen." Er:„Ich schwöre Dir..." Sie:„Was willst Du ihr überhaupt sagen? Was hast Du denn noch gegen Mama?" E r(protestierend):„Gar nichts habe ich gegen Mama! Ich finde nur, daß sie kokett wie'ne alte Katze ist!" S i e(verletzt):„Eine recht gewählte Ausdrucksweise, wahrhaftig! Du iveißt ganz genau, daß Mama eine seelensgute Frau ist, daß sie Dich über alles liebt." E r(erstaunt):„Aber was hat daS mit ihrer Eitelkeit zu thun? Liebe ich Dich ettoa nicht? Und hindert mich das vielleicht, bei Ge- lcgenheit auch einen guten, alten Cognak oder eine feine Cigarre zu lieben? Aber Deine Mutter— entschuldige I— läßt sich denn doch etwas zu sehr den Hof ma..." Sie:„Ol Den Hof!" E r:„Jawohl, jawohj, den Hof machen! Mein Gott, ich sehe das ja nicht als Kapitalverbrechen an! Aber ich finde, sie müßte sich dabei auf... hm... auf moralische Mittel beschränken, z. B. eine lebhaste, geistreiche Unterhaltung, statt, wie neulich auf dem Balle, gerade ihre Reize zu entfalten." Sie:„Eine Idee!" Er(ironisch):„Ganz recht, mehr als Ideen sind es kaum noch; aber trotzdem läßt sie sie zu sehr sehen, diese... Ideen!" Sie:„Hat jemand einen Schaden davon?" E r:„Na, Vergnügen ganz gewiß nicht, fürchte ich!" Sie:„Kurz, Deine Vorwürfe werden ihr Schmerz verursachen, viel Schmerz! Besonders da ich jetzt weiß, mit welcher Brulalttät Du ihr diese Vorwürfe ins Gesicht schleudern wirst!" Er: Ich? Als ob ich ein bärbeißiger Unteroffizier wäre I" Sie:„Ich meine. Dir fehlt der richtige Takt, die Herzens- güte, welche uns, uns Frauen allein angeboren ist. Ohne es zu wollen, ohne es zu bemerken, kränkst und verletzt Du mit Deinen Worten." Er(gereizt):„Na. wenn Du Dich auf Takt und Herzensgüte so fein verstehst, iveißt Du, dann mach' Du doch Deiner Mutter die Vorstellungen!" Sie(entzückt):„Aber gerne! Gewiß I Mit dem größten Vergnügen I Ich bin ja viel ruhiger als Du." Er:„Du bist ruhiger? So? Freilich, Du hast ja nicht gehört, was neulich abends dieler Schafskopf Sifonier sagte, als er Deinen Ausschnitt und den Deiner Mutter sah." Sie:„Was hat er denn wieder Geistreiches vom Stapel ge« lassen, dieser Sifonier?" Er:„Ach, Lieber, stagte er mich, welche von den beiden ist eigentlich Deine Frau?" Sie(wütend):„Wie? Er..." (Es schellt.) E r:„Na endlich I Da kommt Deine Mutter I" (Mama tritt ein. Sie sieht noch recht einnehmend und frisch aus, was sie übrigens sehr wohl weiß. Elegante, jugendliche Toilette. Haare und Teint von den feinsten Lieferanten. Umarmungen. Man setzt sich zu Tisch. Während der Suppe herrscht ttefes Schweigen. Man hört nur das hastige Klappern der Löffel gegen die Teller.) S i e(lauernd):«Sag' doch, Mama, hast Du Drch neulich abends auf dem Ball nicht erkältet?"(Mit einem verständnisvollen Blick zum Gatten, um sich für die geschickte Einleitung bewundern zu lassen.) Mama(gerührt von soviel Besorgnis):„Aber durchaus nicht. mein Kind! Erstens weißt Du, daß ich nicht empfindlich bin. Und dann fühle ich mich ja überhaupt gesund und stark, wie eine Zwanzig« jährige I" Sie(gereizt):„Ja, leider glaubst Du immer noch, zwanzig Jahre alt zu sein I"(Der Gatte wird etwas unruhig bei diesem Ton seiner Frau.). � Mama(erstaunt):„Ich verstehe nicht, was Du damit sagm willst?" S i e(sich mehr und mehr erregend):„Natürlich I Wenn D» mich verständest, würdest Du nicht allen Leuten zum Gespött dienen, wie Du es jetzt thust,(mit ausdrucksvoller Handbewegung) mit
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20 (30.8.1903) 169
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