Zlnterhaltungsblatt des Worwärts Nr. 174. Sonntag, den 6. September. 1903 (Nachdruck verboten.) 2� Die)Zckenbacker. Noman von Anton v. Perfall. Lenz erinnerte sich eines Falles, der sich vor vielen Jahren in der Umgegend ereignet hatte. Ein Jagdgchilfe war abgestürzt. Man fand ihn tot in einem steilen Graben. Ein schmaler Steg, welcher in schwindelnder Höhe oberhalb denselben überbrückte, war durch- gebrochen. Das fiel auf. Der Steg war noch nicht alt und fest ge- baut. Nähere Untersuchung ergab, daß die zwei Träger durch- gesägt waren. Nach langen Bemühungen gelang es der Behörde, den Thäter zu ermitteln. Die gemeinsame Geliebte führte auf die Spur, Eifersucht war das Motiv. Das war einfach dumm angestellt, man durchsägt die Träger nicht, sondern bricht sie auf irgend eine Weise. Außer- dem schwatzt man nicht so dumm mit einem Weibsbild, wie der Esel es gethan hatte. Aber sonst war die Idee vortrefflich. Ein Schuß macht Lärm: mißlingt er, ist es noch schlimmer, außerdem und darauf legte der feige Mensch in seinem verworrenen Moralbegriff einen besonderen Wert braucht man den Finger nicht zu krümmen, net amal dabei z'sein. Aber solche Stegl san halt hübsch rar, wo grad ein B'stimmt'r'nüber geht! Und wcnn's a wär', zweimal laßt sich so was net mach'n! Aber a Beispiel wär's, a praktisch's! Er verfolgte den Achenbacher im Geiste auf allen seinen Wegen. Es war nicht weit, auf die Alm und in den Wester- Wald. Und was soll da passier'n? Unifür den Fall" sein Gewissen wenigstens zur Hälfte zu entlasten, horchte er Urban in vorsichtiger Weise aus, wie er sich dazu stellen würde. So kam er einmal wieder von der Wildbahn heim. Urban stellte ihn schon längst deshalb nicht mehr zur Rede. Es war ja Mangel an Bargeld. Herrgott, heut hat's ma aber bizelt im Zeigfinger. Wen glaubst, Hab' i vor der Muck g'habt den Achenbacher! Den Ziehweg is er grad'runterkemma von sein' Schlag." Er beobachtete Urban scharf, und ihm entging nicht das Aufleuchten in seinen Augen. Wenn i losdruckt hätt'?. Was? Wie? Jetzt wär' all's vorbei." Des wär's a, all's vorbei: wenn i wüßt', daß mein Bruder a Mörder word'n is, grad an ihm! So hofft ma no alleweil," entgegnete Urban. Lenz machte ein pfiffiges Gesicht.Ah, so meinst das, wenn Du's wüßt'!" Er betonte scharf das letzte Wort. Da schlug Urban zornig auf den Tisch.A Ruah laß ma, Wortverdreher verdammter!" und verließ hastig die Stube. Lenz pfiff leise nach seiner Gewohnheit, wenn er etwas durchschaute. Jetzt kenn' i mi aus! Wenn i wüßt'.! Er braucht's ja gar net z' wissen." Länger wie zwei Monate war der Hof nicht mehr zu halten, dann kam die Gant. Der Achenbacher steckte den Hof ein, und die Lehner können wandern der Urban, er selber und die Resl! Wird ihm einfall'n, dem geizigen Alten, dem Flori sein' Will'n z'thuan, eher jagt er den auch aus dem Hause. Und das soll ma ganz ruhig all's abwart'n? Ein Streich nach dem andern? Der schwarze Entschluß war reif in ihm, nur um das Wie handelte es sich noch. Der Herbst war gekommen. Lorenz hatte im Westerwald einen starken Hieb geführt. Das Bauen kostete Holz und Geld! Ein mächtiger Haufen entrindeter, in der Sonne blitzender Sägprügel war bereits von der Schlagfläche zum sogenannten Schindlgraben gebracht worden, einem mächtigen, steil ab fallenden Wassergraben, welcher seit vielen Jahrzehnten zur Holzförderung aus der Höhe des Westerwaldes zu Thal, zum sogenanntenFöllern". benützt wurde. Die Unebenheit des Gefälles war teils durch menschliche Nachhilfe, teils durch die Fahrt des Holzes selbst ausgeglichen, so daß der Graben eine glatte, steile Rinne bildete, in welcher die oben abgelassenen glatten Stämme in rasendem Lauf ab- wärts schössen. Unten am Auslauf befanden sich sinnreiche Hemm- und Fangvorrichtungen, welche weiterer Gewaltthat des herabstürzenden Holzes Einhalt thaten. Seitwärts im Hochwald stand die Holzhütte des Achen- bachers, aus mächtigen Stämmen fest gefügt, für dm strengsten Winter gerüstet, von Jugend auf die zweite Heimat des Lorenz, wenn ihm die erste einmal verleidet war, und somit seit einigen Monaten sein Hauptaufenthalt. Flori kam überhaupt die Woche über nicht nach Hause. Er arbeitete wie ein einfacher Holzknecht in Reih' und Glied, so war es immer Sitte bei den Achenbacheru. In dieser Waldeinsamkeit, am heimlichen Herdfeuer, fand nun eine wunderbare Annäherung zwischen Vater und Sohn statt. Flori horchte begeistert dieser ihm bisher ganz fremden Sprache, welche wie eine Aufforderung klang, auch sein Innerstes bloßzulegen. Und nachdem einmal der Bann gebrochen war, da strömte es ihm mit Frühlingsgewalt vom Herzen. All die unzähligen Selbstgespräche auf der Alm, auf der Platten, im Stalle, im Bett, im Wald, die ihm bisher hinweggeholfen über die Leere um ihn her, wurden jetzt laut, all die kleinen und großen Leiden seiner Jugend. Und immer wieder flocht sich der Name der Geliebten hinein, in goldenen Buchstaben leuchtend. Und Lorenz horchte und horchte und blickte in die leuchtenden Augen des Sohnes. In einem plötzlichen, sehn- süchtigen Verlangen fing er an zu begreifen, daß es ein Wiederaufleben gebe im Glück seines Kindes. Noch bäumten sich die Vorurteile auf: der alte Familien- haß. Bedenken aller Art, der Widerstand Vurgls, den er am Ende selbst groß gezogen, Lenz, dieser Giftkerl, den er um keinen Preis als Beigahe nehmen wollte. Dann wie eine Annäherung herbeiführen? Sollte er selbst dem Urban damit kommen, als Reumütiger? Am Ende noch abgewiesen werden? Andrerseits war keine Zeit zu verlieren. Er wußte am besten, wie es mit dem Lehnerhof stand. Sollte er ihn auf die Gant kommen lassen? Einsteigern, wie es seine Absicht schon lange war? Damit die Erbitterung von neuem nähren und zuletzt Resl doch aufnehmen als Bettlerin, zum Gespött der Leut'? Jetzt war noch alles gut zu machen. Er fühlte sich zwar noch in vollster Manneskraft, aber wer blickt nur in die nächste Woche? Und dann dann! Wenn er einmal so weit war, trieb es ihn rastlos umher, und das Blut stieg ihm zu Häupten. Im nächsten Frühjahr muß der Flori zum Militär. und zuvor muß die Sach im reinen sein. Diesen Umstand log er sich dann als letztes und gewichtigstes Motiv selbst vor. Xtf*' f-k''-. Es war ein Samstag, nach Feierabend, da trat der Achenbacher im Lehnerhof ein, zum erstenmale seit jenem ver- hängnisvollen Auftritt. Urban war sprachlos vor Erstaunen. Dieser Besuch konnte nur neues Unheil bringen, neue Schmach. Er griff unwillkürlich nach seiner Messertasche, indem er von seinem Sitz aufstand. Einen Augenblick standen sich beide Männer schweigend, abwartend gegenüber. Es war, als ob der Kampf von neuem ausbrechen sollte, an derselben Stelle. Urbans Blick schweifte unwillkürlich zur Wand hinüber, an welcher noch immer das Blut Burgls klebte. Er hatte dem Lenz Wort gehalten bis jetzt. Lorenz brach zuerst das peinliche Schweigen. Daß i komm', muaß Dir schon sag'n, daß i mit nix Schlimm'n komm'!" Urban zuckte die Achseln und sah in einer Weise auf Lorenz herab, daß diesem schon wieder der Kamm zu schwellen drohte. Das sagt's ma grad net. A Achenbacher hat allewe' no watz hint' für an Lehner."-