fest gab die willkommene Gelegenheit, die stolz geschmückte Brust aller Welt vorzuführen. Wer aber malt Stöpsels Erstaunen, als er am nächsten Tage ein Strafmandat erhielt wegen unbefugten Tragens eines Ordens. Wütend lief er nach dem Polizeipräsidium, wo man ihm lächelnd erklärte, daß ein Orden des heiligen Wenzes- laus überhaupt nicht existiere. Stöpsel war aus allen Himmeln ge- fallen und Böses ahnend, ließ er seine ungarischen Papiere prüfen. Wertlose Verschreibungen einer verkrachten Gesellschaft," lautete das Gutachten. v. W. Budapest, koste restante, ließ seither alle Briefe, die Stöpsel absandte, unbeantwortet. L. 3. Kleines feuilleton. tp. Beim Nachdenken. Sie waren am Morgen fröhlich hinaus- gewandert in den frischen Herbsttag in sommerlicher Kleidung noch einmal, als wollten sie erzwingen, was doch nicht mehr war. Ohne Ziel gingen sie, ohne Absicht. Auf schmalen Feldwegen ent- lang, auf fußbreiten Waldpfaden, an einzelnen Häuschen vorbei und durch die Dörfer. Zuweilen stritten sie sich lachend um die zu wählende Richtung. Konnten sie sich nicht einigen, so pflückte Ida zwei Halme von verschiedener Länge. Wer den kürzesten zog. der mußte sich dem Willen des andren unterwerfen. Wie ein frohes Spiel war's zwischen ihnen. Ausgelöscht die Arbeitswoche mit ihrem regelmäßigen Gang, in der jede Stunde ihre feste Bestimmung, jeder Tag seine gleiche Plage hatte. Es war so schön, einmal nicht zu müssen, so befreiend, der Neigung jeden Augenblicks folgen zu können. Das ging bis gegen den Nachmittag hin. Bis die Sonne sich rotglühend dem Horizont zuneigte, und es anfing, kühl über die Felder zu wehen. Ida fühlte sich unbehaglich in dem dünnen Kleide. Die fröhliche Stimmung schlug jäh in ihr Gegenteil um. Und plötzlich, ehe sie eigentlich recht wußten, woher es gekommen, war ein Streit da. Wie die meisten Zänkereien um nichts. Irgend ein lächerlicher Familienklatsch, den Ida in ihrer fatalen Laune aufgestöbert hatte, um sich nun daran festzubcißen. Franz lachte zuerst ärgerlich. Tann wurde er heftig. Schließlich schwiegen sie beide und gingen verbittert nebeneinander her, freudlos in sich hineinstarrend... Ter Dorfkirchhof liegt weitab von den Häusern nur die Turmspitze der Kirche ist sichtbar hinter den baumbewachsenen Hügeln. Auf dem Friedhof erhebt sich keine Liapelle, kein Zaun säumt ihn ein; niedrige Steine nur, weiß angestrichen, regellos hingeworfen, bilden eine Art Grenze. Niemand ist, der das Ganze dauernd in Ordnung erhält. Flüchtig zurechtgestutzt scheint alles, als hätten die Lebenden keine Zeit für die Toten. Ganz und teilweise versunkene Hügel, schiefe Kreuze, verrostete Eisentafeln, zersprungene Denk- steine, verschmutzte Schrift. Nur einzelne sorgsam gepflegte' Gräber. Und ringsum Brachland, auf dem allerlei Schutt abgeladen wurde. Raum für die, welche keinen Platz mehr zwischen den wcißgestrichenen Steinen fanden. Franz ging hinein. Ida schüttelte sich; sie fürchtete sich vor allem, das mit dem Sterben zusammenhing. Aber sie folgte doch und las die goldenen Inschriften, die in der sinkenden Sonne glänzten. Franz las die GeburtS- und Sterbejahre der Begrabenen und rechnete sich das Alter aus. Und einmal sagte er:Sieh mal, der hier ist hloß sechsundzwanzig Jahre alt geworden." Ida erschrak fast:So alt wie Du," erwiderte sie leise. Und sie blickte hinüber zu den ktindergräbern:Tie sind noch jünger ge- starben." Ja. Jedes Alter kann man hier finden." Er setzte sich auf eine Bank. Da war etwas Nachdenkliches in ihm aufgestiegen, das ihm noch unklar war. Nur im Gefühl wirkte es erst. Er ließ seine Blicke über die Hügel gehen. Wüst sah's hier aus. Herbstlich. Papierkränze zerrissen, andre, ehemals grüne, faulten. Blumen und Blattpflanzen geknickt, verdorrt. Und an den Weiden   und Eschen alles so öde mit zerbrochenen Zweigen. Verwilderung, die eine schmerzliche Empfindung erregte. Seine Augen richteten sich auf ein schwarzes Kreuz in der Nähe, das die Worte trug: Die Stunden vergehen, die Tage verwehen Wie Blätter im Wind; Freu' Dich der Pracht, leicht kommt die Nacht, Eh' wir müde sind. Er hatte es lgut gelesen. Und nun zwang es ihn, darüber nachzudenken.Leicht kommt die Nacht..." Die Werkstatt stieg plötzlich vor ihm auf mit ihrem blinkenden, rasselnden Maschinen- gewirr... ja. wenn man nicht vorsichtig war... einmal hatte er's gesehen, wie ein Riemen sich um einen jungen Leib schlang... es brauchte ja nicht auch ihm passieren... Tausende blieben heil bis in ihr Alter... aber es konnte doch, es konnte... die Möglich- teit stand zu jeder Minute handgreiflich neben ihm-- Wie eine große Helle erfüllte es ihn jäh. Da verschlug man sich die wenigen freien Stunden mit ärgerlichem Klatsch. Ist ja Dummheit, was?" Er wandte sich lächelnd zu Ida. Die verstand ihn gleich; in ihr selber war's ebenso lebhaft und deut- kich geworden. Sie hatte ihn schon eine Weile von der Seite an- gesehen. Nun umarmte sie ihn schluchzend... Er hing seinen Paletot um ihre fröstelnden Schultern. So gingen sie inS Dorf hinein. Allmählich erwachte das frohe Spiel wieder zwischen ihnen. Und als sie sich im Kruge im Tanze drehten. zitterte es aus der Violine, sang es jauchjmd die Flöte immer wieder:Freu' Dich der Pracht, leicht kommt die Nacht..." Die obere Temperaturgrcnze des Lebens. Me Temperatur- grenze, bei welcher noch Leben möglich ist. läßt sich am besten an Organismen beobachten, welche in heißen Quellen leben. Außer in den heißesten Quellen oder in solchen, welche schädliche chemische Substanzen enthalten, werden überall Organismen gefunden Während mehrerer Jahre hat der amerikanische   Forscher W. A. Setchell verschiedene Thermalquellen und Gehser in den Vereinigten Staaten  untersucht. So verbrachte er, wie dieUmschau" berichtet.z.B. 1893 zehn Tage im Jellowstone-Nationalpark. Bei seinen Untersuchungen stellte sich bald heraus, daß die Temperatur derselben Quelle an verschiedenen Punkten ganz verschieden war. Bei Strömungen, so schwach, daß sie nur durch das Thermometer erkenntlich waren, zeigte sich häufig in nur wenigen Centimetcr Entfernung ein Unterschied von 10 bis IS Grad Celsius. Die Mehrzahl der lebenden Organismen fand sich dann auch gewöhnlich in den kühleren Teilen. Die unter Be- rücksichtigung aller Vorsichtsmaßregeln angestellten Untersuchungen bei heißen Wässern von 43 45 Grad Celsius ergaben folgendes Resultat: Es wurden keine Tiere geftmden, ebensowenig lebende Diatomeen(niedere Algen); einige darin gefundene leere Hüllen mögen wohl hineingeweht worden sein. Von lebenden Organismen wurden nur niederste bakterienartige Pflanzen gefunden; chloro- phyllhaltige Pilze(Cxanoplixces) kommen bis zu öS 68 Grad und in einigen Fällen bis 7S 77 Grad vor. Die chlorophyllfreien Schizomyceten(Bakterien) ertragen von allen lebenden Organismen den höchsten Wärmegrad, indem sie bei 70 71 Grad Celsius noch reichlich und in nicht unbeträchtlicher Anzahl bei 82 Grad, ja sogar noch bei 89 Grad vorkamen. 89 Grad war somit die höchste Temperatur, bei welcher Setchell überhaupt einen lebenden Organismus fand. Interessant ist noch, daß in kieselsäurehaltigem Wasser(7S 77 Grad für chlorophyllhaltige, 89 Grad für chloro- phyllfreie) lebende Organismen bei höheren Temperaturen vor- kommen als in kalkhalttgem(60 63 Grad für chlorophyllhaltige, 70 71 Grad für chlorophyllfreie). Die in Thermalquellen vor- kommenden Organismen sind entweder fadenförmig oder einzellig, in jedem Falle jedoch sind die Zellen in einer Gallerte ein- geschlossen. Theater. oe. Luisentheater.Mönch und Soldat". Charakterbild mit Gesang von Friedrich Kaiser.   Das waren doch andre Zeiten damals, als den Menschen von Fleisch und Blut noch die Bühne verschlossen war und der Dichter nur erzinfamigte Jesuwiter und unergründlich edle Tugendbolde zu schaffen brauchte. So einen schwarzen Gesellen im breitkrämpigen Hut durchschaut das Publikum auf den ersten Blick und es freut sich seiner überlegenen Intelligenz, wo doch den Leuten auf der Bühne immer erst im letzten Akt die Augen aufgehen. Da schiebt der ränkenvolle Pfaffe. der sich auf dem Bauerngut eingenistet hat, den von Manncskraft und Thatendurst erfüllten Sohn des braven Pächters ins Kloster. Und warum? Ja, wenn noch edle Motive in Frage kämen I Aber ausgerechnet der in Sünden erzeugte Sohn dieses Pfaffen soll den Hof erben, und darum muß ein Mutterhcrz gebrochen, ein holdeS Licbesglück vernichtet werden. Doch das Gute bricht sich unvermeid- lich Bahn. Die Kriegsfackel ist ins Land geschleudert. Wilhelm, der in Mönchskleidern eingezwängte Held überschaut die Situation. stellt sich an die Spitze der frommen Brüder, und den vor dem Kloster liegenden Feind sehen und schlagen ist das Werk eines Augen- blicks. Solcher unerhörten Leistung winkt entsprechender Lohn: Triumphierend führt der künftige Weltmarschall die Braut heim, und der olle Jesuwiter muß mit seinem Sproß zerknirscht von bannen ziehen. Warum wurde diese verstaubte Scharteke hervorgezogen? Welche Frage, wo der Erfolg doch entscheidet! Das Publikum war ordentlich hingerissen und spendete dem Stück ehrlich gemeinten Bei- fall. Die Mitwirkenden ließen die Marionetten, die sie darzustellen hatten, in möglichst geschraubter Rede sprechen und verstanden so, die gute alte Zeit recht naturgetreu zu kopieren. Kulturgeschichtliches. lieber die ehemaligen Weinkulturen ver- öffentlicht Jos. Reindl im letztenJahresbericht der geographischen Gesellschaft in München" eine kulturgeschichtliche Skizze. Zunächst weist der Verfasser darauf hin, daß zwar die Weinkultur ihren Weg von Osten nach Westen genommen hat. daß aber der Weinstock bereits im Tertiär in Europa   ein bekanntes Gewächs war, ja daß wahrschein- lich vor den Eingriffen des Menschen in die ursprüngliche Vegetation die Rebe weit verbreiteter als gegenwärtig gewesen ist. Die Römer verpflanzten die Rebe wohl an die Donau  , doch ging der Rebbau in den späteren unruhigen Zeiten wieder ein. Dagegen brachte das 13. bis 16. Jahrhundert wieder einen Aufschwung in der Kultur des Weines, bis der 30jährige Krieg von neuem Einhalt gebot. Regens- bürg bildete damals den Hauptmittelpunkt des Weinhandels. Aber erst die Napoleonischen Kriege und die Aufhebung der Möster ver- setzten dem Weinbau dort den Todesstoß. Noch 1839 konnte man im Donaugebiet 514 Tagwerke Weingärten zählen, welche freilich pro Tagwerk nur mehr 0,6 Eimer hervorbrachten; 18S3 waren es nur 498 Tagwerke, 1869 brachte man knapp 300 zusammen. Im Jsarthal kannte daS Mittelalter bedeutende Weinberge, und auch sonst