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Endlich im dritten att in der Aussprache zwischen dem alten und jungen Markuse klingen, freilich recht stilwidrig in dieser Posse, ein paar menschlich wärmere Töne an. Der Sohn, ein arroganter, taktlos aufdringlicher Schwadroneur, ein Musterexemplar der Eigen­schaften, die der Antisemitismus jüdisch" nennt, klagt dem Vater sein Leid. Alle höhnen und verspotten ihn; aber sie sollen ihn tennen lernen! Er werde seine Bahn zu machen wissen und reichlich Haß mit Haß vergelten. Der Rabbi aber spricht gut, flug und milde zu ihm; er mahnt ihn beides, Hochmut und Kriecherei, zu meiden. Wenn die Deutschen   wieder einmal, wie Du von Deiner Generation sagst, dahin gekommen sind, daß sie uns als Deutsche nicht mehr anerkennen wollen, so laß uns um so mehr dahin trachten, Menschen zu sein. Höfer gab den moralisierenden, thesenhaft zu gespizten Worten einen Hauch lebendigster, persönlicher Empfindung. Um den Sturmgesellen die Wahrheit" zu sagen, wird dami der Alte vom Berge", ein ehemals demokratischer Landjunker und Präses des Vereins, von Sudermann herbei citiert. Er hält eine Rede nach dem bekannten Rezept: Nehmt alles nur in allem, Bismarck  war ein Mann; und der Studiosus Hartmeyer, die letzte Hoffnung des alten Sokrates, als Zeuge angerufen, demaskiert sich verlegen stotternd nun als Corpsstudent. Sofrates führt eine große Römerscene auf. Mit tragischer Geberde verbannt er beide Söhne, den Streber wie den Socialisten in spe von seinem Angesicht. Das täppischste ist der Schluß. Der Wirt der blonden Jda hat die Papiere unter dem Bett gefunden und die schlimmsten dem Landrat eingesandt. Dieser Herr, dem die lächerliche Demagogenriecherei in seiner Karriere vorzügliche Dienste geleistet, zeigt sich nun in der Weinlaume eines Sedantages erkenntlich. Er nimmt Revanche, indem er Sokrates ein Todes­urteil, das die Sturmgesellen a conto der nächsten Revolution über ihn gefällt und säuberlich protokolliert haben, zugleich mit einem Orden- Belohnung für den nicht gezogenen Hundezahn- überreicht. Die Angst des armen Kerls amüsiert ihn. Sokrates steckt seinen Orden an die Brust und sofort dünkt ihn der Sedanrummel draußen vor den Fenstern nicht mehr so abscheulich. Er zeigt sich, ruft den Passanten zu und bricht dann mit plöglich erwachendem Bewußtsein schluchzend am Tisch zusammen. Wo man hinfaßt, Wider­sprüche und Unmöglichkeiten, Flick an Flick mühsam mit groben Nähten, jedem Auge sichtbar, neben einander gestückt! Der fichere Theaterfinn, die Kunst des spannenden Aufbaues, der Stimmungsmalerei, einer wenn nicht tiefen, so doch oft eindrucksvollen Charakteristik alles was die Kraft und Eigenart Sudermannschen Talentes war, ist hier in diesem Stück, scheint mir, bis auf schwache Spuren ausgelöscht. Eher wie die Hauptfigur kann noch die und jener der Episodengestalten in etwas interessieren.

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Auch Georg Engels wußte nicht, was anfangen mit diesem Sokrates. Der Mann blieb farblos auch in seinen Händen. Höfers ausgezeichnete Darstellung des Rabbi erwähnten wir bereits. Sehr gut, in Maske und Spiel, ein echt oftpreußischer Typus, war der rot­bäckig jovial- spizbübische Landrat des Herrn Patry, echt auch die blonde Jda des Frl. Vera Witt.

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Alle Kräfte des Lessing Theaters  , Margarete Albrecht, Adolf Klein  , Willy Grunwald  , Waldow, um nur die bekanntesten zu nennen, waren in dem Stück beschäftigt und thaten das Mögliche für den Erfolg.  - Conrad Schmidt  .

Kleines feuilleton.

oe. Damenhüte. Am Hutlager im Großbazar. Lange Tische, vollgetürmt mit Damenhüten, garnierten und ungarnierten. Bitternde Frauenhände, die darin wühlen. Glühende Gesichter, funkelnde Augen. Rufen, Plaudern, Lachen, Schwazen, Schreier. Man prüft, fragt, horcht, wählt, kritisiert sich und die andren. " Den Hut da, sieh' Dir bloß den Hut an! Na, die Alte sollte auch sonst was thun, als sich solchen großen Hut aufsehen."

" Die denkt wahrscheinlich, wenn die Krempe recht breit ist, sieht man ihre Runzeln nicht so sehr.".

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" Nun setzt sie ihn auch noch hinten über. Nein, sieh' doch bloß!" Ach, laß mich! Wenn ich nur erst selbst einen hätte!" Gott  , Du suchst ja schon bald' ne Stunde. Bist Du denn noch nicht fertig?"

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Aber Friz, Du siehst doch: hier ist nichts!"

" Na, ich danke, nichts?" Der Mann pfeift durch die Zähne und wirft einen ironischen Blick auf die Hutgebirge.

Die junge Frau schluchzt beinahe: Aber, wenn doch nichts für mich da ist! Nein, nun fang' bloß nicht an zu triezen. tauf ist doch keine Hafenjagd!"

' n Hut

" In fünf Minuten bin ich mit fertig," brummt der Mann, aber die Freundin lacht: Na ja, Ihr Männer!" Sie hat die Alte mit dem großen Hut endlich genug bestaunt und ihrem Schicksal über­laffen. Mit einem Aufschrei wendet sie sich zu der jungen Frau: " Du, Klärchen, ist das nicht füß? Klärchen, den nehme ich!" Mit einem graziösen Griff drückt sie den großen Rembrandthut auf den blonden Lockenkopf.

Entzückend!" ruft der Mann, nehmen Sie ihn, Fräulein Käthe." Die junge Frau wendet rasch den Kopf und horcht auf; sie verzieht den Mund: Der? Der steht Dir gar nicht!"

" Wie fannst Du nur so was sagen, Klärchen?" Frik wird empört: Er steht ihr brillant."

" Du mußt es ja wissen." Klärchens Stimme fängt an au zittern. Mir hast Du vorhin das Gegenteil gesagt."

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Na ja, Du... Das ist auch mehr was für junge Mädchen."

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,, Ach, und ich bin wohl' ne alte Frau?" Klärchens Stimme zittert immer mehr. Ich bin nur' n halb Jahr älter als die, aber' s Kokettieren unter'm Hut hab' ich allerdings nicht raus." Klärchens Augen sprühen. Die Freundin hat das letzte nicht gehört. Sie steht vor dem Spiegel und beäugelt sich, dann kommt sie näher und ruft:" Ich nehme ihn ich nehme ihn. Ich geh' jetzt und kaufe mir Federn dazu. Wir treffen uns nachher im Wintergarten." Sie ist im Gewühl verschwunden, Klärchen wirft ihr einen Blick nach, der biel  " sagt. ,, Stofette Gans!... Jezt hilfst Du mir aber suchen!" Das lekte gilt ihrem Manne. Er hat sich auf einen Sessel niedergelassen und gähnt:" Ja, such nur, ich kann warten."

" Frib, Du bist einfach empörend roh! Ich kann doch nichts finden! Klärchen weint beinahe, dann schießt sie plötzlich wie eine Wilde auf eine Dame los, die nach einer feitwärts liegenden Façon greift: Lassen Sie' mal liegen, den nehme ich."

" Ich denke, er macht Dich zu alt?" frägt der Mann in seiner leisen Fronie?

Was macht er mich? Ich hab' gleich gesagt, ich nehm' ihn." Wenn Sie ihn nicht haben wollen.. Er ist sehr hübsch," bemerkt die Frau.

,, Gewiß will ich ihn haben." Klärchen faucht. Sie preßt den Hut auf den Kopf:" Na, also."

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Der Mann lacht: Endlich! Wir sagten Dir schon vor' ner Stunde, daß Tu ihn nehmen sollst!"

Und ich nehm' ihn doch nicht!" Der Hut fliegt auf den Tisch: Na ja, und überhaupt, wenn Käthe schon sagt, er steht mir! Wenn ' ne Freundin sagt, n' Hut steht einem, steht er einem ganz bestimmt nicht."

" Bravo!" ruft eine Stimme aus der Menge.

" Frechheit!" Klärchen wirft einen wütenden Blick nach der Richtung, dann leuchten ihre Augen plößlich auf; sie hat eine neue Façon entdeckt: Aber der Ach, ist der reizend. Wo ist denn' n Spiegel? Ist denn kein Spiegel hier?"

Hier sind überhaupt so wenig Spiegel," entrüstet sich eine andre Dame. " Ja, es ist ein Skandal: die Hutabteilung und fast gar kein Spiegel.

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Der ganze Damenflor" ist empört über die fehlenden Spiegel. " Aber, meine Herrschaften," beruhigte eine Verkäuferin, der Saal hat fünfundzwanzig Spiegel."

" Na ja, fünfundzwanzig! Was sind denn fünfundzwanzig Spiegel?" Die Zahl imponiert offenbar gar nicht.

Klärchen ist endlich an einen Spiegel' rangekommen. Sie dreht und wendet sich, sie ist eitel Entzücken:" Nun, hier' n paar dicke Federn her, und da' ne Sammetschleife und quer' rüber eine Agraffe und hinten einen Puff und Sonst noch was?" fragt der Mann.

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Friz, werde nicht schon wieder brutal. Den Hut nehme ich!" Sie haben ihn ja aber ganz verkehrt auf, gnädige Frau!" bemerkte eine Verkäuferin. Sie haben ja die Hinterseite nach vorn gesetzt."

" Bei den Hüten soll man überhaupt wissen, was born und was hinten ist," ruft eine lachende Mädchenstimme.

Klärchen hat den Hut richtig auf dem Kopf, fie schleudert ihn ingrimmig auf den Tisch zurück: Nein, so sieht er ja geradezu verrückt aus, so kann ich ihn nicht tragen!"

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" Dann trag' ihn verkehrt," sagt der Mann. Es ist ja über­haupt ganz egal, wie Du die Dohle ſetzft!" um und greift nach dem Hut. Wie nennen Sie die Façon?" Eine alte Frau dreht sich rasch um und greift nach dem Hut." Façon Dohle? Das ist wohl das neueste?" Ein jubelndes Gelächter.

Das allerneueste!" tönt es aus der Menge. Façon Dohle Jawohl!" Dann ruft eine Stimme: Junge Frau, lassen Sie sich und heißt auf deutsch   Niffe." Das Gelächter schwillt an. Die Alte nischt weiß machen, dett is überhaupt teene Façon, dett is berlinisch entschuldigen Sie, ich will ihn meiner Nichte mitnehmen starrt mit großen runden Augen erschreckt umher: So- ja- ich bin nämlich nicht von hier." handelt mit der Verkäuferin. Erneutes Lachen. Klärchen hat einen Velpelhut. Sie unter­

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Ich,

nicht an. " Fünfzehn Mark die Façon? Na ja, auf den Preis kommt's Und hier die Hahnenfedern darauf und das seidene Band. Lassen Sie alles zusammen einpacken."

Das Wagenrad willst Du nehmen?" Der Mann ist näher getreten und weist auf den Riesenhut. fäuferin. Sehen Sie, so... " Der muß erst gefältelt werden, mein Herr," belehrt die Ver­Mit drei Handgriffen hat sie das Wagenrad zusammengebogen.

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Ach so, man muß ihn erst ordentlich knautschen." Frib, jetzt laß Deine Redensarten und bezahle." Klärchen nimmt ihn beim Arm: Fünfundzwanzig Mark macht das ganze und wenn er mir zu Hause nicht gefällt, tausch' ich ihn morgen wieder um.

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-Makart- Anekdoten. In der Frankfurter Beitung" frischt Einer Erinnerungen an Makart   auf: Für Makarts Art zu schaffen ist folgende Geschichte sehr charakteristisch. Einige Piloty  - Schüler gingen einmal eines Morgens auf den Landelmarkt", wo die Maler