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mehr begreift man, daß wer zum Groschen geschlagen ist, nie ein Thaler wird."

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Aber jetzt, dünkt mich, stehen wir am Ziele, Nils, da wir unser eignes kleines Heim bekommen."

" Ja freilich. Und Du wirst eine kleine tüchtige Haus­frau werden."

Er streichelte fie, doch seine Gedanken waren nicht recht dabei. Was ihr ausschließlich als Lebenszweck erschien, war es ihm nicht. Er hatte sich eine andre selbständige Thätigkeit gedacht. In ihm arbeiteten so viele Pläne, von deren Ver­wirklichung er geträumt hatte. Statt dessen sollte er sein ganzes Leben hindurch als Zeichner in eines andren Comptoir stehen, von andrer Ideen gebunden, mit Kopieren beschäftigt, während eine Menge brauchbarer Projekte totgeboren in seinem Gehirn lagen, weil er ihnen keine Zeit und Pflege widmen konnte. Die Zeit, da er Marie Luise gebeten, sein eigen zu werden und sich mit ihrem Jawort so unsäglich reich gedünkt hatte, schien ihm weit zurück zu liegen. Er tadelte sich wegen der Nebengedanken, die ihm jetzt kamen und ihm die Zukunft so dunkel erscheinen ließen, und wunderte sich über sich selbst.

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Nach Beendigung der Trauung wurde dem jungen Baare gratuliert. Die Oberstin hauchte einen Auß auf Marie Luisens Stirn und drückte Nils Hand mit einem Ausdruck, der sich fast in die Worte:" Ja, nun ist es vorbei mit den Süßbrot­tagen, junger Mann," übersetzen ließ.

Tante Selma fagte beim Hinausgehen zu der Schivester: ,, Marie Luise ist wohl so verständig gewesen, den Schleier zu leihen, denn das ist doch eine ganz unnötige Ausgabe." ( Fortfehung folgt.),

( Nachdruck verboten.)

Die Infel der Schiffbrüchigen.

Sfizze bon D. Drtwin.

Purpurn steigt sie auf aus dem glänzenden Azurblau des Mittel­ländischen Meeres, von starren klippen umschlossen, die zadig zum ewig lichten Himmel empordräuen, mit farger Ackerfrume kaum die wenigen Bewohner ernährend, aber im Frühling blütenüberschüttet und düfteberauscht: die Insel der Schiffbrüchigen!

Mein Nini," sagte sie und füßte seine große, braune allein, weil die Insel keinen eigentlichen Hafen besitzt, sondern nur Warum der raunende Volksmund ihr den Namen gab? Nicht Hand, Du kannst Dir nicht vorstellen, wie ich mich über jede eine mehr oder weniger sichere Einfahrt, der zudem bei Sturm fein Kleinigkeit freue, die ich für unser Kleines Heim zusammen- Schiff sich zu nahen wagt. Die Wogen des Lebens werfen mehr sparen kann. Heute bin ich aus gewesen und habe mir Wohn- Schiffbrüchige an den felsigen Strand, als die schaumgetrönte, stubengardinen angesehen, ein wunderhübsches Muster und nur schillernde Welle, die zur Zeit der Stürme Blanken und allerlei Gerät fünfundsiebzig Dere das Meter, ist das nicht billig?" über die Klippen spült, wo sich jauchzende Fischerkinder über den Fund hermachen. . Es war ein Spätnachmittag im April, als ich langsam den

" Ja, sehr. Nun, nahmst Du sie?"

" Nein, ich wollte erst Deine Meinung hören. Wir gehen wohl einmal einen Nachmittag zusammen aus?"

Ja, wenn ich Zeit habe. Ich habe ja die Schule jetzt auch," setzte er mit schwerem Seufzer hinzu.

" Du Aermiter, aber Du sollst sehen, daß ich Dir helfen fann. Erstens und vor allen Dingen werde ich die Wirtschaft sehr verständig führen, und dann werde ich alle die häßlichen Sorgenfalten ouf Deiner Stirn mit vielen, vielen Küssen glätten. Nils, das ist ja alles so wenig, aber ich weiß nicht, was ich nicht für Dich thun möchte."

Er drückte sie dankbar an sich, sie war ein so feines, fleines zartfühlendes Wesen, und er fam sich wie ein großer, un­geschlachter Bär neben ihr vor.

Marie Luise war eigentlich keine hübsche Braut, wie sie da in ihrem einfachen, schwarzen Seidenkleide von den fröhlich nedischen Strahlen der Aprilsonne beleuchtet stand. Das Glück hatte nicht das Vergrämte, vor der Zeit Geafterte und Berblichene auszulöschen vermocht, ihren sanften Zügen jedoch eine zuversichtliche Ruhe gegeben.

Nils dagegen war ein stattlicher Bräutigam, und die meisten, welche außer den Verwandten der Trauung bei­wohnten, widmeten ihre Aufmerksamkeit ihm. Das einzige, was Marie Luise an ihrem Hochzeitstage entbehrte, war, daß keiner ihrer Brüder zugegen sein konnte; Günther hatte das Anerbieten erhalten, noch den Sommer über in Schonen zu bleiben, und eine Heije Svens stand natürlich außer aller Frage. Die Familien Lejer und Hedwin nahmen nicht mehr als eine Bank in Anspruch, Tante Selma von Harder und die Oberstin waren gnädigst erschienen und saßen vornehm und imposant da.

Sie hatten Nils nur das eine Mal gesehen, als Marie Luise ihn vorgestellt hatte, aber sie geruhten anzuerkennen, daß er recht nett ausjähe.

Frau Lejer nickte ihrer Schwester zu und flüsterte zurück­gelehnt, mit einem gewissen Air von früher Frau Hedwin zu, daß dort ihre Verwandten säßen; mit der Oberstin prahlte sie besonders gern, trafen doch bei ihr Stellung und Reichtum zufammen.

Frau Hedwin antwortete mit einem etwas zerstreuten " Ja so!" und folgte mit Thränen in den Augen den jungen Leuten, die jetzt vor dem Altar knieten. Sie fühlte so deutlich in dieser Stunde, daß ihr kleiner Nils, das Kind ihrer stolzen Mutterhoffnungen, von ihr ging zu einer andren. Sie würde fünftig nicht mehr seine Vertraute sein, nicht mehr seine Leiden und Freuden teilen. Sie war Nummer zwei in seinem Herzen und bald würde sie noch weiter daraus entfernt werden. Ge­duldig neigte sie das graue Haupt und lauschte andächtig den Worten des Geistlichen, der vorschriftsmäßig diesen christlichen Bund segnete. Sie hörte das Brautpaar mit jugendlich klarer Stimme die Gelübde ablegen, und ein wehmütiges Lächeln glitt über ihr gefurchtes Antlig. So hatte auch sie einmal vor Gott dem Allwissenden" gelobt, und nie, nie hatte sie dies Gelübde bereut.

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Berghang hinaufstieg zum San Michele. Der Hügel hebt sich geschnittene Thal. Durch füßduftende Vignen und filberglänzende ziemlich in der Mitte der Insel breit über das sattelförmig ein­Olivengärten stieg ich empor, daz Städtchen mit seinen weißen Häuserreihen und gartengebetteten Villen unter mir lassend, von Terrasse zu Terrasse, dem mächtigen Mauerkranze entgegen, der den flachen Scheitel des Hügels krönt.

An der Cantina, einer fleinen Kellerei, die dem Besizer des Oliveniväldchens gehört, blieb ich stehen und blickte empor. Scharf zeichneten sich die Linien des grauen Gemäuers gegen den dunkel­blauen Himmel ab, aus dem es zu strömen schien wie ein Meer von Licht, wenngleich die Sonne schon tief im Westen stand. Eine Olive breitete ihre silbergrauen Aeste über die weinumwachsene Wand; flar ließ die durchsichtige Luft jeden Zweig erkennen, jedes Blatt an den fugeligen Büschen der wilden Myrten, jeden Faden des grünen Gerants, das aus allen Rizen des Gesteins quoll.

Mein Auge schweifte weiter, die graue Mauer entlang bis zur Westseite des Kegels, wo sich ihm gegenüber die Wand des Monte Solaro in scharfen Konturen vom Himmel abhebt.

Plötzlich haftet mein Blick an einer Stelle des Plateaus. Auf der Höhe des westlichen Vorsprungs zeichnen sich deutlich zwei Ge­stalten ab gegen die blaue Luft, ein Mann und ein Weib. Sonderbar scharf erscheinen ihre dunklen Silhouetten, wie aus schwarzem Stein gemeißelt. Unbeweglich stehen die Beiden, wie leblos. Trügt ein Sput meine träumenden Sinne?

Gewand der Frau. Ich sehe ganz deutlich, wie es ihre Gestalt um­Jetzt ein plöblicher Windstoß erhebt sich und faßt das lange flattert und wie ihr Schleier im Winde weht, gleich einem dünnen Wolfenbande in der leuchtenden Luft.

Warum berührt mich das Bild so eigen, beinahe geisterhaft? Ist es doch ein bloßer Zufall, daß gerade ich den San Michele immer einsam fand! Warum sollen nicht auch andre Fremde den wunder vollen Punkt zum Ziel ihrer Wanderungen machen?

Ich raffe mich auf und flimme weiter hinan. Unwillkürlich beschleunige ich meine Schritte. Als ich auf der Plattform anlange und hinüberschaue nach der Stelle, wo die Beiden standen, sind die Gestalten verschwunden. Kahl und grau liegt der Fels wie immer. ihren glänzenden Beglein prüfend an; sonst nirgends die Spur Eine grüne Eidechse huscht an mir vorüber und blickt mich mit eines Lebenden Wesens.

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Indessen hat sich der Himmel grau umzogen. Ein jäher Wind­stoß fegt über die Hochfläche und wirbelt flirrend das loſe Geröll unter meinen Füßen den Abhang hinunter.

vor mir die Wand des Solaro auf. Wie gleitende Schlangenleiber Ich trete bis an den Rand des Vorsprungs. Dräuend steigt friechen die Nebel daran empor. Dunstkreis und wirft einen düsteren Schein auf das graue, regungs­Die Sonne steht in einem roten lose Meer. Keine Vogelstimme, kein Laut. Nur in den Lüften braut es und saust es wie unterdrückte Stimmen.

Plötzlich dringt ein leises Gemurmel an mein Ohr. Woher tommen diese Töne? Aus dem Fels unter mir? Aus der Luft? metallene Klang einer Frauenstimme:" Mah, Federigo c'è Und dann, als wenn er die regungslose Luft durchschnitte, der mio marito!*) Dann Stille, und darauf wieder das leise Ge metallene Klang einer Frauenstimme:" Mah, Federigo murmel, gleichmäßig, ruhig, wie das Geräusch eines fernen Waffers.

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den Fels gehauen sind. Sie führen zu einem zerfallenen Thorbogen. Jch wende mich und steige die bröckelnden Stufen hinab, die in

*) Es ist mein Mannl