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Genuß vor dem Ganzen, wenn ich seh'n muß, wie andre- leiden!] Also ich werde mir die Sache durch den Kopf gehen lassen. Adieu, Du freilich Du bist ein Egoist!" Sie tundte ein Stück Kuchen in Mielchen." den Kaffee und führte es zum Mund.„ Ein herzloser Egoist bist Du! Keinen Funken von Gefühl!"
„ Nee". Er schnitt sich gemütlich die Spize einer Cigarre ab. Ich kann doch nicht dafür. Ergo: was geht's mich an? Ich glaube fogar, es ist' n ziemlicher Beweis von Humanität, daß ich keinen Ton sage, wenn Du meine Groschens an die Fechtbrüder verpulverst."
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„ Ach! Du machst mir innerlich wohl gar einen Vorwurf daraus, daß ich mitleidig bin und gebe?"
" I wo. Gieb Du mur. Du hast doch nu mal so'n zartes Gemüt. Trotzdem es schade um jeden Sechser ist. Denn die wandern doch bloß in die Destille."
„ Meinst Du? Das wäre doch unerhört! Es giebt gewiß auch ordentliche Leute darunter."
" Hast Du schon mal einen ordentlichen Menschen gesehen, der feine Bleibe hat? Ergo-?"
Dir Frau fand nicht gleich eine Antwort auf diese Fruge. Erst nach einer Weile erwiderte sie nachdenklich:„ Neulich war einer da, der machte aber wirklich einen guten Eindruck. Der arme Mann flagte mir sein Leid
" Na ja," fiel ihr Gatte höhnisch ein:„ Vater von sechs unmündigen Kindern, wie? Die Melodie kennt man doch!"
„ Nein." Die Frau schüttelte energisch den Kopf. Behn Jahre war er in Arbeit, jagte er. Ist dann krank geworden und entlassen. Als er aus dem Krankenhause fam, wollte ihn niemand; er war noch zu schwach. Schließlich konnte er seine Wohnung nicht mehr bezahlen und mußte ins Asyl. Von dort kam er an dem Morgen und bat um eine Tasse Kaffee."
" Die hast Du ihm natürlich gegeben. Mit Schlagfahne, wie?" " Nein. Ich reichte ihm fünf Pfennig."
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Nanu?" Das flang sehr spöttisch.
Sie fuhr gereizt auf:" Ja! Wegen der Tasse natürlich! Wer soll denn da nachher noch draus trinken? Deshalb geb' ich stets lieber Geld. Dann ist man die Leute doch gleich wieder los."
Auf dem Korridor schrillte die elektrische Glocke. Die Frau fuhr erschreckt zusammen. Da ist gewiß wieder einer.. Ich geh' nicht!"
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„ Ist das Mädchen nicht da?" Er fragte es zornig, und sie verneinte stumm. Mit energischen Schritten ging er hinaus, kehrte aber besänftigt zurück: Es war nur der Briefträger. Höre ' mal, Mielchen! Das geht so nicht weiter. Du wirst total nervös dabei. Ist ja sehr schön, daß Du so ein mitleidiges Herz hast, aber eine Empfindsamkeit in solchem Maße das ist einfach frankhaft!"
Sie geriet fast in's Schluchzen: Ich hab' solche Angst vor den Leuten. Namentlich, wenn ich allein bin. Wenn mir nun einer was tut? Deshalb geb' ich schon lieber allen, damit sie gemütlich bleiben. Warum mußten wir auch aus unsrem schönen Westen in diese pauvre Gegend ziehen!"
„ Na ja! Da bist Du ja wieder auf dem richtigen Geleise! Das ist immer das Ende vom Liede! Warum wohnen wir nicht im Westen? Ja, zum Kuckuck, ich muß doch gerade früh genug auf stehen! Oder rechnest Du die zwei Stunden tägliche Wegersparung für nichts?" Er lachte grob. Soll ich etwa meinen schönen
Sie hielt ihn fest:" Sag' lieber gleich ja. Heute abend bist Du womöglich schon wieder andrer Meinung."
Er schwankte. Ich hab an der Wohnung sonst wirklich nichts auszusetzen." Er zog wieder die Uhr.
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Sag ja!" Sie bat sehr innig. Ich mache mich dann nachher gleich auf den Weg."
Er gab sich einen Ruck.„ Na, also dann: Ja! In Gottesnamen! Beim nächsten Umzugstermin rücken wir ab! Er füßte sie lächelnd:„ Bist Du nun zufrieden, Du mitfühlende Seele?" Sie nickte glücklich. -
Volkskunde.
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k. Wie weit verbreitet der Brauch gewesen ist, mit Bildern eines Menschen einen Zauber auf ihn aus zuüben, darüber macht Siegmund Fränkel in dem neuesten Heft der Zeitschrift für Volkskunde" einige interessante Mitteilungen. Um einen eigenartigen Liebeszauber handelt es sich in folgendem Brauch, über den der arabische Schriftsteller al Gahiz berichtet. Man macht zwei Wachskerzen und giebt ihnen die Gestalt zweier Menschen. Dann vergräbt man sie insgeheim. Wenn dies nun so geschieht, daß ihre Gesichter einander zugewendet sind, dann neigen sich die dargestellten Personen einander in Liebe zu; wenn sie einander den Rücken fehren, dann hört die Liebe der beiden auf." sich auch in einigen Versen des„ Testaments des heiligen Ein merkwürdiger Verfluchungszauber findet Ephraem": Die nahmen, ägyptischen Zauberkünstler Mosen zu verderben, etwas von seinen Haaren und seinen Kleidern. Dann machten sie ein Bild Mosis, legten es auf ein Grab und riefen ihre Dämonen gegen ihn an." Die Haare, die von Moses selbst stammten, sollten den Zauber kräftiger machen. In früher arabischer Zeit wurde von einem Mann, der die Treue gebrochen hatte, ein Bildnis in Ton angefertigt und aufgestellt. Dann rief persisches Wörterbuch berichtet über einen zauberischen Brauch, nach „ Er hat die Trene gebrochen, also verfluchet ihn." Ein dem der Fettschwanz des Schafes mit Nadeln durchstochen, dann unter Zauberformeln auf einem alten Grabe aufgehängt und eine brennende Laterne darunter gestellt wurde. Wie durch die Hizze das Fett allmählich sich löste und verging, so sollte auch der, dem der Bauber galt, in Abzehrung dahinſiechen und sterben.
man:
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Humoristisches.
Aus einem Schulaufsay.„ Erwägen wir alle erörterten Umstände, so sind wir mit dem großen Dichter Schiller berechtigt zu sagen: Das ist der Fluch der bösen That,
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Daß sie vor Zeugen Böses muß gebären!"
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- Der Gipfel. Ihr Herr Neffe wünscht bei uns einzutreten ist er denn auch fähig?"
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Bitte: sogar hoffähig!"
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Die geziemende Belehrung". Amtsrichter ( eines ländlichen Amtsgerichts, nach Verkündigung des Urteils, zu den Bauern): So, Leute, das Urteil habt Ihr gehört. Wenn Ihr Schafsköpfe Euch nun noch den Allerwertesten voll Kosten holen wollt, dann geht hin und erhebt Berufung gegen das Urteil.( Bu Roften beega aufgeben, weil das Geschäft zufällig hier im hohen sen als Gerichtsschreiber fungierenden Referendar gewendet):„ Herr Referendar, nehmen Sie zu Protokoll, daß die Parteien in ge= ziemender Weise über das Rechtsmittel der Berufung belehrt worden sind." („ Jugend.")
Norden liegt?"
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Wenn nur das Asyl nicht in der Nähe wäre!"
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Das Afyl! Das Asyl!" Er lief wütend auf und ab. Man hat wahrhaftig teine gemütliche Stunde mehr im Hause. Bloß wegen dieses dummen Humanitätsinstituts! Jeder Bettler erhält ein Gratisquartier. Unsereiner hat für sein schweres Geld noch nicht mal' ne ruhige Wohnung. Das ganze Familienleben wird einem zerrissen! Jede gute Laune zerstört! Du hast Dich aber auch! Die Leute sind zufrieden, wenn man ihnen nichts thut. Aber diese verdammte Weichherzigkeit! Weiß der Teufel, wie Du dazu gekommen bist. Früher ich weiß es ganz genau littest Du nicht an über
triebener Sentimentalität.".
Weil wir im Westen wohnten und ein verschlossenes Haus hatten. Auf der Straße sah man überhaupt nichts Ergreifendes. Alles Leute aus unserm Stand fast. Dazu doch auch ein paar interessante Toiletten. Und im Hause? Na, der Portier ließ auch nicht einen durch, der kein anständiges Zeug auf dem Leibe hatte."
„ Dafür wohnen wir hier um so billiger."
„ So. Und die Gaben?"
" Ja!" Er blieb wie in plöglicher Erleuchtung vor ihr stehen. Sag mal: wie viele kommen denn hier so durchschnittlich auf einen Tag?" „ Durchschnittlich?" Sie rechnete. Na, so ungefähr acht bis zehu werden's wohl sein."
Er staunte. Und jeder kriegt fünf Pfennige?" „ Mindestens. Die besonders graulich aussehen, zehn." „ Na, Du! Das macht eine anständige, Summe im Jahr." " Sag' ich ja. Wenn wir das zur Miete hinzulegten und uns weiter hinein nach der Stadt ein verschlossenes Haus suchten, viel teurer fäm's uns auch nicht."
" Allerdings." Er überlegte. Plößlich griff er nach der Uhr: Donnerwetter! Höchste Zeit!" Er lief nach Paletot und Hut. Berantwortl. Redakteur: Julius Kaliski in Berlin .
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Notizen.
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Ein neues Schauspiel Arthur Schnizlers einsame Weg" wird noch in diesem Winter erstmalig im Deutschen Theater in Scene gehen. Die Neue Shakespeare Bühne des Dr. Erich Pätel bringt als nächste Vorstellungen Timon von Athen " und Maß für Maß " heraus. neues Versspiel, erlebt am 9. d. M. im Hamburger deutschen Wenn wir altern", Oskar Blumenthals Schauspielhause die Premiere.
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Im dritten Philharmonischen Konzert( 9. November) gelangt Edvard Griegs Peer Gynt Suite" zur Aufführung. am Sonnabend im Deutschen Theater zu Prag erstmalig Eugen d'Alberts neue Oper„ Im Tiefland" wird gegeben. erzielte bei der Erstaufführung im Münchener hoftheater -Des verstorbenen Hugo Wolfs Oper Corregidor" einen starken Erfolg.-
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Blanquettes seit Jahren nicht in Berlin gegebene Operette, Rip Rip" wird in der zweiten Novemberhälfte, tertlich völlig umgearbeitet, im Theater des Westens aufgeführt werden. Der Operettentenor Julius Spielmann wird mit diesem Stück ein längeres Gastspiel beginnen.
Die nächste Nummer, des Unterhaltungsblattes erscheint am Sonntag, den 8. November.
Drud und Verlag: Vorwärts. Buchdruckerei und Verlagsanstalt Paul Singer& Co., Berlin SW