Ferdinand:Nanu. Ottilchen! Wieder mal geflennt?" Mutter:Ach. die roten Augen? Vom Sticken. Sie ist zu fleißig. Gönnt sich keine Ruh. Wer die mal in sein Haus kriegt, der hat's. Der hat's, sag ich bloß, Ferdinand. Na, so sind in meiner Familie alle Frauen. Nur nicht müßig sitzen. Ja die Hände nicht still halten I" Ferdinand:Schauderhaft." Vater:Erblich. Nichts gegen zu machen." Mutter:Ich meine. Tu kannst froh sein, daß Dir alles im saubersten Stand gehalten wird." Vater:Ich sag' ja gar nichts. Wenn auch die alten Germanen ohne ein täglich zweimaliges Staubwischen ausgekommen sind." Mutter(nahe dem Weinen):Das ist der Dank, daß ich Dich aus Deiner Verwahrlosung gerettet Habel Hattest Du ein einziges Paar ganze Hemden, als ich Dich heiratete?" Ferdinand(liebäugelt mit dem Punsch):Zanken könnt Ihr Euch, wenn ich nicht dabei bin. Trinken wir lieber mal." Mutter:Schenk ein, Ottilie.(Lächelt mitleidig.) Nein. Zanken? So etwas giebt es nicht bei uns." Vater:Bloß hin und wieder'ne kleine Meinungsdifferenz. Prost I(Sie stoßen an und trinken.) Ferdinand(hat sich über die Pfannkuchen hergemacht): »Ganz famos. Natürlich selbst gebacken?" Mutter:Ottilie hat den Teig eingerührt." Ottilie:Jch?I" Ferdinand(kauend):Ihr führt eigentlich ein recht gemütliches Leben hier. Sitzt am Ofen, trinkt Punsch und kein Wirt gebietet Feierabend." Mutter:Das kannst Du Dir denken. Du armer Jung- geselle kennst so etwas nicht. Thust mir ordentlich leid mitunter." Ferdinand:Tu gute Seele." Vater(kaüt):Sic hat ein Herz von Wachs." Mutter:Ich verstehe nicht, wie Du so ein Dasein aus- hältst. Es ist doch kein rechtes Leben." Ferdinand:Ich h a l t' s aus. So gut wie's gehen will." Mutter:Du hülst es aus. Gewiß. Weil Du mußt. Aber oft genug schimpfst Du über das Wirtshauscssen. Dann wieder mal über Dein kaltes Zimmer. Ueber die Reinlichkeit. Kurz: die ganze Ordnung. Allein die Knöpfe!" Ferdinand:Oh Dul Da giebt's jetzt'ne Patentsorte. Knipsen von selbst. Ohne Zwirn. Ausgezeichnet." Vater:Schade, daß die nicht früher erfunden sind." Mutter:Du sei nur ruhig. Als ob ich Dich nicht bis in's kleinste bemuttern müßte I Ach, Du undankbarer Mensch I Hätte ich doch nur den ersten besten genommen!" Vater:Ja. Hättest Du nur! Dann könnte man wenigstens seine Zeitung lesen." Mutter:Zeitung! Du hast keinen Familiensinn! Das ist alles. Ich möchte Ferdinand an Deiner Stelle sehen." Ferdinand:Um Gotteswillen l" Mutter:Thu nur nicht so. Ich seh Dir's an, wo es fehlt. Deine Augen leuchten ordentlich auf, wenn Du hier zu uns hereintrittst. Siehst Du, das wollte ich Dir schon lange sagen: Dir fehlt eine liebende Hand! Etwas Innigkeit um Dich herum." Ferdinand(gießt sich Punsch ein):Innigkeit? Warum nicht. Gewiß, so ein bißchen Heimischfühlen.(Er trinkt.) Ah. Ja, wie gesagt: es mühte jemand sein, der sich nicht nur am ersten des Monats für einen interessiert." Mutter:Haha! Kommst Du dahinter? Das Familien- glück fehlt Dir, mein Junge! Weiter nichts!" Ferdinand(kaut):Familienglück. Naja, gewiß. Man kann's ja schließlich so nennen.(Wird nachdenklich.) Das heißt: ich habe wahrhaftig mitunter ebensolche Gedanken. Wirklich!" Mutter:Ottilie I Geh für ein Weilchen hinaus." (Geschieht.) Vater:Was bedeutet denn das?" Mutter:Ich werde schon meine Gründe haben." Vater:«Die hast Du immer." Ferdinand:Warum hat denn das Kind geweint? �hr könnt nur doch nicht erzählen, daß das vom Sticken ist." Vater:Ja, denk Dir! Sie will sich...." Mutter:Du sollst ruhig sein! Das gehört nicht hierher. Ich sage nur so viel, Ferdinand, es ist eine Pflicht gegen Dich selbst, daß Du dieses unordentliche Bummelleben aufgiebst und heiratest. Dieser Meinung sind wir lange." Vater:Wir? Erlaube." Mutter:Nun! Was hast Du an der Ehe auszusetzen? Ich glaube gar: gerade Du! Außerdem ist es auch ganz gleich- gültig, wie Du darüber denkst. Ich bin eine Frau, die etwas durchgemacht hat. Deshalb sage ich, Ferdinand: so geht es nicht weiter. Du bist ein wohlhabender Mann. Gereift. Hast die Jugendthorhciten hinter Dir. Bist nicht so ein Jünling, der von Liebe schwärmt...." Vater:Wie Ottiliens Techniker." Mutter(sprachlos):-! Ferdinand(lacht):Ach so. Darum. Warum sagt Ihr mir das nicht?" Vater:«Ich wollte ja. Aber...." Mutter:«Ja. Du, Du! Soll ich Dir sagen, was Du bist? Ein Narr! Ein ein ein(bricht in Schluchzen aus). Ach, Ferdinand, ich bin ja so unglücklich, daß ich mit einem solchen Mann mein Leben verbringen mutz! Warum straft mich der Himmel so?(Trocknet sich die Thränen, schnaubt heftig.) Geh hinaus! Ich werde allein mit Ferdinand sprechen. Wir ver- stehen uns." Vater:Gott sei Dank."(Mit seinem Punschglas ab.) Mutter(nach einer Pause):Nun setz Dich mal her zu mir, Ferdinand. Wir wollen's in aller Ruhe und Güte miteinander bereden. Dir fehlt eine Frau, nicht wahr? Schütte mir nur ruhig Dein Herz aus." Ferdinand:Ja, gleich. Rede nur weiter.(Er geht zur Thür, nimmt heimlich Ueberrock und Hut. Leise ab.) Mutter(die einige entfallene Maschen auf die Stricknadel zu spießen sucht):Ich sage: das, was Dir not thut, ist eben die häusliche Innigkeit, das Familienglück(sieht sich um) nicht wahr?(Springt auf, starrt nach der Thür.) Ahl Ohl!" Kleines feuilleton. er. Schulfreundinnen. Sic sahen sich eine Weile schweigend an, als suchte die eine im Gesicht der andren irgend etivas zu ergründen. dann sagte die Große plötzlich entschlossen:«Entschuldigen Sie, aber nicht wahr, ich irre mich doch nicht. Sie sind Tu bist doch Wilhelmiue Wegner?" Bergmann, geborene Wcgncr." Die andre lächelte. Ein jähes Erinnern flog über ihr Gesicht:Ach und Sie... Du... Nein! Ja doch: Martha Wernicke. Nicht wahr, Martha Wernicke?" Na, natürlich: Martha Wernicke und immer noch Martha Wernicke." Die andre sagte es etwas süßsauer, lachte dann aber herzlich:Nein, und Du bist es wirklich? Wilhelmiue Minchen? Daß wir uns hier so wiedersehen, nach fünfzehn Jahren! Und Du bist verheiratet?" Sie betonte das Du. Ja, warum denn auch nicht?" Die geborene Wegner nickte: Ich seh' Dich nämlich schon eine ganze Weile an und überlege:Wer ist denn das?" Na. und gerade so ging es mir mit Dir. Du bist aber dick ge- worden. Minchen I Wie ich mich freue, Dich wiederzusehen, es ist immer solche Freude, wenn man eine Schulfrcundin wiedersieht." Ja. nicht wahr, man wird ordentlich wieder jung." Na, ich bin doch etwa noch nicht alt." Martha warf den Kopf zurück und klirrte mit dem Löffel in der Chololadentassc.Mit sicbenundzwanzig ist man doch noch nicht alt." Bist Du erst sicbenundzwanzig?" fragte Minchen erstaunt. Ich dachte immer. Du wärst in meinem Alter. Warst Du denn nicht ein Jahr älter als ich? Ich bin vierunddreihig." «Na, erlaub' mal, dann soll ich fünfunddreißig sein? Seh' ich denn etwa schon so aus?" In Marthas Wangen stieg ein jähes Rot. Das Hab' ich doch gar nicht sagen wollen." Die kleine Frau kicherte.Ich dachte aber doch. Du wärst älter als ich. Nein, Du siehst aus, wie fünfundzwanzig." Das letzte klang etwas sarkastisch; Martha schien es jedoch nicht zu merken, sie lächelte geschmeichelt: Das sagt auch jeder. Und Du bist verheiratet? Dann wohnst Du wohl ßctzt auch in Berlin ?" I bewahre! Immer noch Potsdamerin. Bin bloß zum Ein- kaufen hier." Minchen strahlte über das ganze Gesicht:Ich habe doch Fritz Bergmann geheiratet, den langen Bergmann vom Luisen- platz." Den? Den hast Du?.. Martha verfärbte sich. Plötzlich jedoch richtete sie sich empor und ein liebenswürdiges Lächeln glitt um ihren Mund:Fritz Bergmann? Das ist doch der. der erst die Liese Bürger hat heiraten wollen, nicht? Natürlich, Doktor Berg- manns Fritz er war ja ganz arg hinter ihr her, wir haben immer gelacht, wie verliebt er war." Na, Gott, da war er doch noch'n Junge." Frau Minchen lachte gleichfalls, es klang aber gezwungen:«Von solcher Jungcnliebe zu reden." Nein, erlaub' mal. es war kein Junge." Martha lächelte immer liebenswürdiger.Er hat sie auch noch von zwciundzwanzig geliebt. Gott , wir habcn's doch immer gesehen von unsren Fenstern aus, aufm Wilhelmsplatz haben sie sich getroffen und hinter den Büschen ab- geküßt. Sie hat ihn doch schließlich bloß nicht geheiratet, weil er bloß Subalternbeamter war. Das ärgert Dich doch aber nicht etwa. liebcS Minchcn?" Ach wo, was soll es mich denn ärgern? Und überhaupt war es ganz anders. Liese Bürger hat ihm nachgestellt. Dem Fritz haben viele Mädchen nachgestellt." Die kleine Frau weinte fast. Aber er den Mädchen auch. Es wär' aber dumm, wenn es Dich ärgern sollte, Minchcn!" Martha nahm einen belehrenden Ton an.Wir sollen doch moderne Frauen sein; eine moderne Frau muß sich immer sagen, daß sie weder ihres Mannes erste noch seine letzte Liebe ist." Danke schön! WaS soll ich mir sagen? Daß ich nicht Fritzens letzte Liebe bin? Nun, da irrst Du Dich doch gewaltig. Wir sind sehr glücklich miteinander." Nun, ja." Martha lächelte wieder.Gott , es giebt ja so viel glückliche Ehen, was man so glücklich nennt. Warum soll es denn Deine nicht auch sein."