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fann sagen, ob in Ihrem After nicht das bloße Glücklichsein nicht das Allernüglichste von der Welt ist! Sie haben noch einige dieser göttlichen Jahre vor sich, die zu opfern mir wie eine Art Profanation erscheint. Die Menschlichkeit sollte es fordern, daß die Jugend glücklich sei; gewiß nicht durch den Müßiggang und den Lurus, die die Quellen des ärgsten Un glücks, der Langeweile sind, aber durch die Entwicklung aller Eigenschaften, durch ein gesundes und kräftiges Wachstum. Uebrigens hasse ich das Opfern an sich; sich opfern heißt, sich dem Unglück ergeben, und sich dem Unglück ergeben heißt, sich das Ideal des Lebens zerstören, das strahlend und leuchtend sein soll! Und was das Nützlichsein betrifft, da müßte man doch erst fragen, wie man es sein soll! Die Arbeit?! Die Menschen kämpfen um die Arbeit wie die wilden Tiere um ein Stück Fleisch! Es giebt kein Feld, das die Konkurrenz nicht zum Elend machte; nicht einmal die Thätigkeit des Erfinders oder des Künstlers, deren Wege umstellt sind von andren Erfindern und Künstlern, die ihn hassen oder beneiden..."
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Königsberg mitzunehmen und dort ein medizinisches Studium ihm zu ermöglichen. Herder griff mit beiden Händen zu. Die Chirurgie hielt ihn, da er zum Glück einen ausgesprochenen Mangel an Begabung für sie hatte, nicht lange auf. Es kam zum Bruche mit dem Gönner und Herder bahnte sich, nun einmal herausgerissen aus den engen Verhältnissen der Heimat, allein auf sich gestellt, den Weg zu selbstgesteckten Zielen. Theologie, Moral, Geschichte, Poesie zogen ihn am stärksten an. Die Vorlesungen Kants, der damals schon, lange vor seiner fritischen Pholosophie mit dem dogmatischen Geist der herrschenden philosophischen Tradition gebrochen hatte und auf Hume , auf Rousseau , auf die Erfahrungswissenschaften seine Schüler hinwies, führten ihn in neue Interessen und Ideen ein. dem Magus des Nordens", dessen vieldeutig dunkle Schriften auch scheidendsten Anregungen aber erhielt er im Umgange mit Hamann, auf den jungen Goethe so bedeutsam eingewirkt haben. Die Be tonung des Ursprünglichen gegenüber dem schulmäßig Kultivierten, der in sinnlich anschaulichen Bildern redenden und zu fühnen Ahnungen sich erhebenden Phantasie gegenüber dem begrifflich abgeschliffenen Ausdruck, der Intuition gegenüber der verstandesmäßigen Aufklärung des Zeitalters, Hamanns ganze Geistesrichtung fam verwandten Stimmungen in Herders Seele entgegen. Durch Hamann Er unterbrach sich und richtete seinen Blick nach der Tiefe von ihm, der die Poesie die Muttersprache des menschlichen Geschlechts wurde er mit den Dramen Shakespeares und dem Ossian bekannt, des Obstgartens, über den sich die herrlichen Farben breiteten, genannt, mag er den ersten Antrieb erhalten haben, dem eigendie der Dämmerung vorangehen. Ein köstlicher Duft ent- artigen Reiz des Volksliedes nachzuspüren. Ueberall hin in Herders strömte den Rosen und den glänzenden, fröhlichen Magnolien. späterem Wirken lassen sich Spuren dieses Einflusses verfolgen. Die Kirschbäume schienen ihre forallenroten Früchte in die In Königsberg bereits hatte der kaum Zwanzigjährige, att= Unendlichkeit hineinzustrecken. Man sah bis an die äußersten knüpfend an die durch Lessings Mitarbeit berühmten Briefe, die Grenzen des Horizonts Gesträuch, violett schimmerndes Ge- neueste Litteratur betreffend", allerhand Einfälle zum Zwecke der hölz, vielfarbige Gärten. Der Schmuck für ein blendendes Fest Selbstverständigung in litterarisch kritischen Erkursen ausgesponnen. war fertig. Langgestreďte Wolfen in Gestalt von Schiffen, und Stollaborator an der Domschule zu Riga erhielt, gewann er Als er nach Beendigung seiner Studien eine Anstellung als Prediger Bergen und Vorgebirgen entwickelten sich in dieser Be- Muße, das schnell Hingeworfene gründlicher Durcharbeitung zu leuchtung auf silbernem Grunde, schimmerten in allen Farben unterziehen. Im Jahre 1766 und 1767 erschienen seine Erstlingsder Edelsteine und geschmolzenen Metalle, des Schwefels und arbeiten, die" Fragmente über die neuere deutsche Litteratur", und des Purpurs. erregten sofort in weiten Kreisen Aufsehen. Während Lessings fritischen Untersuchungen doch immer die Jdee allgemein gültiger, unabhängig von Zeit und Ort das fünstlerische Schaffen beherrschender Gesetze vorgeschiebt hatte, hebt Herder demgegenüber pro grammatisch für sein ganzes weiteres Schaffen das Moment der historisch nationalen Bedingtheit aller Poesie mit besonderem Nachdruck hervor. Der Charakter der Dichtung in einem Volke hänge, In dem großen Zeitalter der deutschen Dichtung und Philosophie so führt er aus, mit der Art seiner Sprache aufs inuigste zusammen; tritt uns der Mann, dessen hundertjähriger Todestag am 18. Dezember und diese Bodenwüchsigkeit aller echten Poesie, die Art, wie sich in die Erinnerung wachruft, obschon ihm selbst weder die individualisierende ihr die natürlich- geistige Besonderheit der Völker wiederspiegele, Tasse Gestaltungskraft des Dichters, noch das zergliedernde Denkvermögen jeden Versuch der Nachahmung" fremder Litteraturen auch der des Philosophen in hohem Maß von der Natur beschieden war, als als tlajfisch gepriesenen griechisch- lateinischen Meister einer der fruchtbarsten, überall in die litterarische Entwicklung jener frostig erscheinen. Die fünstliche, naturverlassene Kopie werde hinter Epoche eingreifenden und sie wiederspiegelnden Geister entgegen. dem Original immer unendlich zurückbleiben. Man hat gesagt, seiner Anlage und seinem Schaffen hafte etwas in deutsche Poesie sich auf das Eigne des Volkstums befinnen, in der ruhiges, Fragmentarisches an. Was sein Landsmann Kant von älteren deutschen Sprache und Litteratur werde sie eine Fülle noch Herders philosophischem Geschichtswerk schrieb: es sei darin ein nicht faum gehobener Schäße finden. An die" Fragmente" schlossen sich die lange veriveilender, viel umfassender Blick, eine im Auffinden von Kritischen Wälder", in denen der Verfasser unter anderm mit Analogien fertige Sagacität, im Gebrauche derselben aber lühne Ein- Lessings" Laokoon " fich auseinandersetzt. Eine litterarische Fehde, bildungskraft, verbunden mit der Geschicklichkeit für seinen immer in die ihn diese Publikation verwickelte, und die gehäuften Pflichten in dunkler Ferne gehaltenen Gegenstand durch Gefühl und Empfin- des Amtes verleideten ihm das Leben in der entlegenen, enggeistigen dungen einzunehmen, die, als Wirkungen von einem großen Gehalte russischen Handelsstadt. Es drängte und trieb ihn in die weite der Gedanken oder als vielbedeutende Winke mehr von sich vermuten Freunde streckten ihm die Mittel vor und so segelte er, ge= laffen, als falte Beurteilung wohl geradezu in demselben antreffen waltige Pläne im Herzen, im Frühjahr 1769 von Riga nach Frankmöchte," mag in gewissem Sinne von Herders ganzem weit- reich ab. Die Aufzeichnungen seines Reisetagebuches geben einen verzweigten Lebenswerke gelten. Er war weniger ein einheitlich Begriff, was alles damals in ihm gärte. Er träumt sich als einen formender, prägender, als ein die innere Ideenfülle im Drange des Reformator der Rigaischen Schule und Stadtverwaltung, als BeGefühls unmittelbar ausströmender Geist. Aber wenn diese Art der rater der Kaiserin Katharina, der dem russischen Reiche eine neue kalten", kritisch die Beweiskraft des einzelnen abivägenden„ Be Bildung bringen wird; psychologische Probleme, Entwürfe zu urteilung" Blößen bietet, ein warmer, befruchtender Hauch des Lebens theologisch- historischen Abhandlungen drängen und wälzen sich in ging von ihr aus. Sie war die freie Aeußerungsform seiner feinem Haupte, und als höchstes Ziel taucht die großartige Idee wunderbar sensiblen und enthusiastischen Natur, deren individueller eines die Kulturgeschichte aller Völker und Zeiten umfassenden Reichtum in systematisch gegliederten Gedankenreihen nie so er- Werkes, einer„ Universalgeschichte der Bildung der Welt", vor dem Auge des Begeisterten auf. schöpfend sich hätte ausleben können. ( Schluß folgt.)
( Fortsetzung folgt.)
Johann Gottfried Herder ist im Jahre 1744 in dent oftpreußischen Flecken Mohrungen als Sohn eines Kantors, cines früheren Webers, geboren. In dem einfachen Hause herrschte ein Geist patriarchalischer Frömmigkeit; Bibel und Gesangbuch waren die ersten Bücher, die der Knabe kennen lernte; mit unauslöschlicher Kraft prägten diese Eindrücke der weichgestimmten Imdlichen Seele fich ein. Seine große Begabung, sein brennender Wissensdurst er= regten früh die Aufmerksamkeit. Er durfte die Lateinschule des Städtchens besuchen und ein alter Pfarrer nahm sich wohlwollend seiner an. Doch ein Besuch der Universität, ein Studium der Theologie, wie er es bei sich träumte, schien bei der Armut der Eltern faft unmöglich. Er sollte Handwerker werden und trat einstweilen bei einem schriftstellernden Diakonus als Famulus und Abschreiber ein, ein Dienst, in dem er alle Bitternisse demütigender und hoffnungsloser Abhängigkeit durchzukosten hatte. Sehr möglich, daß dieser mächtig arbeitende Geist, ohne je sich zur Blüte und zur Frucht zu erschließen, ohne der Welt ein Zeugnis zu hinterlassen der in ihm verborgenen, auf Entwicklung harrenden Kräfte, spurlos unter dem Drucke niedriger Alltagsmisere zerrieben worden wäre, wenn nicht der blinde Zufall helfend eingegriffen hätte. Ein russischer Regiments- Chirurgus, nach Mohrungen verschlagen, fand an dem ftrebsamen Jüngling folchen Gefallen, daß er sich erbot, ihn nach
Welt.
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falt und
( Nachdrud verboten.)
Der Reichshausbalt.
Tas Budget des Deutschen Reiches führt den offiziellen Namen: Reichshaushaltsetat. Wir verstehen darunter die als Norm für die Haushaltungsführung alljährlich durch den Reichstag festgesetzte und vom Bundesrate gebilligte Uebersicht über die in der jeweilig bevorstehenden Finanzperiode beabsichtigten Ausgaben sowie der zu ihrer Tedung notwendigen Einnahmen. Eine solche Uebersicht ist zur ordnungsmäßigen Führung der Geschäfte unbedingt notwendig. Schon eine wenig umfangreiche Privatwirtschaft kann ohne einen verständigen Plan nicht bestehen; ein sorgsamer Hausvater wirtschaftet nicht ins Blaue hinein, sondern macht sich von Zeit zu Zeit flar, welche Anforderungen in der Zukunft an ihn herantreten werden und mit welchen Mitteln er ihnen gerecht werden kann. Schade nur, daß meistens so wenig vorhanden ist, womit man haushalten" könnte, und daß gar zu oft nur ein gähnendes Loch im Geldbeutel den einzigen Posten im Arbeiterbudget" bildet. In dem Maße aber, wie die Wirtschaft des Staates an Umfang und Bedeutung die Wirts