46

im Wohnzimmer zwischen Zeitungen und Zeitschriften. Im Laufe der geschäftigen Woche wurde stets allerlei Lektüre für den Sonntag zurückgelegt.

Von Zeit zu Zeit legte er das Blatt oder das Heft hin, trat ans Fenster und sah hinaus. Das Wetter war noch trüber geworden, die Feuchtigkeit lag wie ein Schleier auf den Fensterscheiben und es tropfte unablässig herab. Um diese Beit erwartete er Kjel mit seiner Braut, Thekla Feiring; Stjel war schon am frühen Morgen mit seinem Gig zu Voigt Preuß gefahren. Der Doktor sah immer häufiger nach Der Uhr.

tretend..

Da rollte der Gig vor die Thür. Hier ist die Post, Bater," sagte Kjel, ins Zimmer Der Blick des Doktors überflog forschend den Inhalt und sah dann scharf zu Bente hinüber, die dem Sohne hastig gefolgt war heiß und nervös infolge eines Briefes von Endre, den sie in der Tasche zerknitterte und in den sie ge­nügend hineingeguckt hatte, um zu sehen, daß er wiederum Anspruch auf eine unvermutete Geldsumme machte. Es war gleichsam eine stillschweigende Uebereinkunft, daß dem Doktor diese Korrespondenz mit Endre vorenthalten wurde.

Und einen neuen Reisepelz, Mutter," rief Stiel, Thekka an die Hand nehmend und sie präsentierend, in der Stadt bestellt. Ich bekam ihn heute morgen gerade noch rechtzeitig, um ihn ihr mitnehmen zu können. Elegant, wie? Uebrigens verdammt teuer, feines, weiches Grauwerk in wendig und ein Iltisfragen." Thekla findet ihn hübsch. Wenn Du nur selber sehen könntest, wie er Dich kleidet," eiferte Kjel, während er ihn ihr abhalf." Das sage ich Dir, in unserm Haus soll ein Trumeau sein, so daß Du Dich von Kopf bis zu Fuß sehen kannst. Wir haben den ganzen Weg entlang nichts weiter gethan, als über unser Haus geredet. Es soll ein ganz modernes, zeitgemäßes Haus sein und für zwei selbständige Persönlichkeiten eingerichtet."

-

-

imter den grell anliegenden staubfreten vornehmsten Röden glühen durchweg edelste Seelen, start und leidenschaftlich, menschlich und patriotisch, mit einem Worte: militärische Seelen. Das Stid fönnte zu Kaisers Geburtstag von Soldaten gespielt werden, so bater ländisch und dynastisch ist es. Der Stronprinz hat denn auch bei seiner anklage, nicht einmal ein Kulturbild. Aber zum grellen Zeitgemälde Erstaufführung wader geklatscht. Das Schauspiel bot keinerlei Kultur wurde die Wirkung des Theaterstücks. Der enthusiastische Kronprinz wurde disciplinarisch zur Ordnung gerufen. In allen Garnisonen wurde Offizieren und Mannschaften der Besuch des Dramas ber­boten, in Frankfurt   a. M. versuchte die Militärbehörde sogar die Aufführung im Stadttheater zu hintertreiben. So tanu man unschuldig zum Revolutionür verurteilt werden..

aus

und

das Glüd der Theaterdirektoren ist, nichts schlimmes fagen. Es ist ein Jch will gegen Beherleins, Zapfenstreich", der seit ein paar Monaten ordentlich gemachtes, bühnengerechtes Theaterstück. Und da es bei uns an beherrschen, so mag man sich, ohne Strupel, auch diese uniformierte Talenten fehlt, die wenigstens das Handwerksmäßige ihres Gewerbes Geschichte von dem Grafen und dem Nähmädchen ansehen. Aber das Mißverständnis muß doch nun endlich von dem guten Franz Adam  abgewehrt werden, als ob in ihm ein Rebell stede. Die Garnison censoren sind wirklich von einem argen Schalt geblendet, der ihnen einblies, der Pleißedichter sei eine Gefahr für die Armee. Beherlein ist ganz im Gegenteil ein Typ jener Entkräftung des bürgerlichen Geistes, der sich im Höchstfall als sentimentales Philiftertum auf­werden nicht einmal Auswüchse gefigelt. Der Militarismus tritt als bläht und Auswüchse" fünstlerisch bedauert. Im Bapfenstreich" Zuschneider in die Erscheinumg; er giebt das Kostüm und leiht den Konflikt. Die Uniform ist echt, aber der Konflikt wird sorgsam verbogen, damit sich seine Spige ja nicht gegen die geheiligte Institution richte. Ja, der Verfasser opfert patriotisch das Herzblut feines Stoffes, nur um das in der That gewaltige und revolutionäre Problem, das ihm fein Theaterwis in die Hände spielte, aus dem Wege zu räumen. So Litteratenängstlichkeit, die feine Härte und keinen Haß kennt, die der wird der Zapfenstreich" zu einer Anklage gegen jene zahme Notwendigkeit tendenziöser Weltanschauung unter dem Vorwand des tünstlerischen Grundsatzes unpersönlicher Objektivität den Wege läuft, in der nichts grollt und gärt, die, weil sie mit den Problemen eben nur spielt, des­halb das Entzücken des bürgerlichen Publikums bildet. Diese Tantiemetumst ist unparteiisch wie der Lokal- Anzeiger" und von ausgleichender Gerechtigkeit wie die Regierung des Grafen Bülow. Das gewandte Zwergtum unsrer deutschen   Schriftstellerei läßt sich am" Zapfenstreich" vorzüglich studieren, weil der Verfasser hat den Otto Erich Hartleben   wegen der spekulativen Theaterei geradezu zum Engelmacher seines Sprößlings geworden ist. Man feines Rosenmontag" arg gescholten. Und doch ist diese Dffiziers­" Ja, ich gehe wirklich mit dem Gedanken um, zu bauen; tragödie eine Höllenmaschine neben der süßen Gelentigkeit des wenn man alles berechnet, so wird es doch das Vorteilhafteste," Zapfenstreich". Jm Rosenmontag" überholte doch immer warf er mit einem Achselzuden hin; er fing an, im Zimmer wieder der Satirifer den Stüdarbeiter, die Stacheln drangen durch alle auf und nieder zu gehen, wird es doch das Vorteilhaftefte." behagliche Verfettung. Seine Offiziere sind Gestalten des Spottes, Gott   bewahre, Kjel, das Geld das Geld!" selbst fanaillös. Herr Beyerlein fennt nur brave, bravere und Kjel wandte sich hastig um und sagte in beißendem Zon: brabfte Uniformträger. Das Lafter der Schlimmsten ist lediglich ein Es fragt sich nur, was am meisten foftet, Vater, so auf Stonvention. Sonst sind sie alle edel, hilfreich und gut, wie das in bißchen holde verliebte Schwäche und Unfreiheit gegenüber der ein fünf Jahre berechnet, zu bauen oder nicht zu bauen; Geld, der deutschen Armee nicht anders zu erwarten ist. Die eine That­ja freilich gehört Geld dazu. Aber es gilt einen Unter- fache schließt alle Kritik ein: die Berliner   Censur, die mit Erfolg den schied zu machen zwischen dem Geld, das man sieht, und dem, legten Keim des öffentlichen Lebens in den Kunstdarbietungen aus was man nicht sieht. Wie ein Bettler aufzutreten, das ist gerodet hat, fand in Beherleins Werk fein Wort zu streichen und zu jetzt gerade das Allerkostbarste, worauf man verfallen kann." mildern: Eine Revolution, die im voraus den Stil der Polizei Der Doktor jah nicht gerade so aus, als wenn die hat. Ein Rebell mit allerhöchsten Privilegien. Argumente des Sohnes ihn befriedigten; er schüttelte den Kopf von Zeit zu Zeit mißbilligend.

Hm," meinte der Doktor, das ließe sich ja am leichtesten machen, wenn jedes wie bisher in einem Hause für sich wohnt." " Ja, Du mußt nicht glauben, daß Thekla in ein alt­modisches Haus einzieht, Vater! Die Zimmer müssen hoch und hell sein. Nicht wahr, Thekla?"

-

Thella war verschwunden. Sie wußte, was jetzt ver­handelt werden sollte.

"

Siehst Du, Kjel," wandte Frau Bente vorsichtig ein, sowohl für den Vater als auch für mich würde es eine große Beruhigung sein, wenn Du mit dem Bauen wartetest, bis Du Dir ein kleines Kapital zurückgelegt hast."

( Fortsetzung folgt.),

Sonntagsplaudereí.

Es scheint eine neue Geschichte; doch ist sie ewig alt. Ein Jüngling liebt ein Mädchen. Unebenbürtig! Neben der Litteratur läuft dank der Erfindung der Buchdruckerkunft die Affaire von dem Grafen und dem Rähmädchen einher, worüber im Laufe der Jahr hunderte mehr Thränen vergossen worden sind als über alle Greuel der Menschheit zusammengenommen, über Krieg und Best, über Gelvalt und Rot, über Hunger und Sklaverei. Aber das Motiv bleibt unerschöpflich. Heute kann man im Deutschen Reich sogar mit dem Vortrag solchen unsterblichen Jammers zu dem Ruhm eines Aufrührers gelangen, ein innerer Feind werden, gegen den die ganze Armee mobilisiert werden muß.

"

Und doch hatte Beherlein auf seinem Wege den Konflikt ge­funden, der nur gestaltet zu werden brauchte, um zur gewaltigen Anklage gegen das militärische System sich empor zu reden. Der gebenen. Als Offizier fann er das Mädchen, das er liebt, nicht junge Offizier hat eine Buhlschaft mit der Tochter seines Unter­heiraten, und als Civilist will er es nicht, sein vornehmes Blut sträubt sich gegen das Plebejertum. Nun wird der Vater, der seine tiefste Menschlichkeit durch die Anmaßung der Kafte und den Zwang der Disciplin zertreten fühlt, den jungen Herrn niederschlagen. Herr Beyerlein hütet sich vor solchem Greuel. Das wäre ein Ver­brechen wider die Armee, das wäre brutale Tendenz, und über folche veralteten Mittel sind unsre Modepoeten hinaus. Beherlein erinnert sich vielmehr der bekannten Erscheinung, daß unsre deutschen Unteroffiziere in geschlechtlichen Dingen von außerordentlichem Bart­gefühl find, so kann denn unser Unteroffizier naturgemäß die Lieder­lichkeit nicht leiden, und er muß nicht den Lieutenant, sondern seine Tochter erschießen, nachdem sie sich, um den Geliebten aus der vermeintlichen Gefahr zu retten wie sehr verkannte fie das gute Herz Beyerleins! als Dirne demungiert. als Dirne demunziert. Als Moral bleibt übrig: Unteroffizier- Jungfrauen laßt Euch nicht mit Lieutenants ein, das tann Euer Tod werden, wenn Euer Vater Hopla! demtoch es sehen sollte.

-

-

-

Vielleicht hat Beyerlein den Ausweg aus seinem dramatischen Konflift mit dem Militarismus vom alten Leffing gelernt. Aber Lessing   war ein Empörer und kannte noch nicht die milde und selige Technik tendenzfreier Unparteilichkeit, deren Weltanschauung durch das Franz Adam Beyerlein   hat das Nähmädchen von einem Unter Wiener   Wort umschrieben wird: Menschen, Menschen san mer alle. offizier erzeugt werden lassen. Der Herr Graf ist ein Lieutenant, Lessings Emilia Galotti   liebt nicht den prinzlichen Berführer, sondern er ist mithin der Vorgesezte seines außerehelichen Schwiegervaters. sie soll von ihm vergewaltigt werden. So etwas würde im Das Ganze ist durchgeistigt von Uniformen neuesten Stits. Und monarchischen Deutschland   von heute schon nicht möglich sein. Emiliens