teit, vor der ich in der ganzen Welt die größte Achtung habe. Erlauben Sie mir, entschuldigen Sie...
" Ich versichere Sie wirklich," sagte sie, sich erhebend, daß dies im Grunde auch Minkas Ansicht ist."
Glauben Sie, fönnten Sie sich das wirklich denken?" " Ich sah ja so gut, was sie während des Disputes dachte," bestätigte sie.
daß sie
"
Bemerkten Sie, sahen Sie auch wohl, Frau Doktor,
Es unterliegt keinem Zweifel, Schulteiß." Sie glauben, Frau Doktor, daß Minka wirklich- trok alledem anerkannte, ich meine, gewissermaßen doch meine Anschaumgen teilte...?"
-
,, Ganz sicher, Herr Schulteiß!"
Ich will Ihnen nur gestehen, Frau Doktor, daß ich absichtlich die Gelegenheit herbeigeführt habe, den höchst schädlichen Einfluß dieses Herrn Varberg auf Minkas Nerven zu untergraben. Er ist wirklich kein guter Charakter, eigentlich sehr verdächtig
Frau Bente stand da, als besänne sie sich ein wenig.
Sie haben ja auch Ihren großen Anteil an Minkas Erziehung, Herr Schulteiß. Ich weiß nicht, ob es Ihnen so geht wie mir, daß wir ein wenig zu viel von dem Gefühl des Eigentumsrechts an sie haben. Das ist sehr verkehrt, ich weiß es, und trotzdem, mir schaudert gleichsam bei dem Gedanken, daß sie jemals von mir getrennt werden könnte. Und ich dachte, Sie, Herr Schulteiß, fönnten dies vielleicht verstehen. Ich denke oft im stillen bei mir, daß ich nicht so egoistisch sein darf, daß ich mich beizeiten daran gewöhnen muß, dem Unvermeidlichen ins Auge zu schauen.
Er starrte sie an, als wolle er den Sinn ihrer Worte erraten, und seine Züge nahmen mehr und mehr einen grotesken Ausdruck des Entsetzens an. Leidenschaftlich erregt rief er aus: ,, Aber Minka- Minka... Man darf es nicht vergessen, nicht außer acht lassen, daß sie in jeder Hinsicht ein Ausnahmewesen ist, über das man eine schützende Hand halten muß, eine doppelte Hand, das man ganz besonders hüten muß. Eine höchst eigentümliche, zarte und empfindliche, eine aus erwählte Natur.. So fein empfänglich für jegliche Nuance, so leicht zu lenken, eine wahrhaft phänomenale Begabung, alle Ideen der Jektzeit aufzufangen. Eine sublime, föstliche Eigenschaft. Aber gefährlich, eine große, große Gefahr, die Ihr Mutterauge wohl nicht umhin fonnte, zu bemerken, die fie für eine Zeit, allerdings nur für eine Zeit, von jeder Erscheinung blenden läßt, die es versteht, sich mit einem idealen Nimbus zu umgeben. Ich sehe den Abgrund unter ihren nichts ahnenden Schritten gähnen... Und daß ich mich heute gleich einem Curtius, blind für das Verderben, hinein Stürzte ich bereue es nicht ich würde mich tausendmal hineinstürzen, tönnte ich ihr die Augen öffnen!" Er streckte den Arm wild von sich. Dieser Varberg ein oberflächlicher Humbugmacher
-
"
" Ja, ich weiß, daß Sie es so gut meinen, Herr Schulteiß. Einer Mutter und einem geistigen Erzieher wird nun einmal fein besseres Los zu teil- refignieren in der Erinnerung leben- und an dem zehren, was wir ihr an Gutem gegeben haben. Damit muß man sich trösten."
-
Es flang wehmütig, als wolle sie ihm Trost bieten für ein gemeinsames Los.
( Fortsetzung folgt.)
Sonntagsplauderei.
66
Aber nicht jeder ist so wetterfest wie ein Junter. Namentlich die Regierungsblätter find den frechen Suggestionen des Umsturzes zugänglich. Optimistische Beobachter wollen sogar bemerkt haben, daß selbst Herr v. Richthofen, der Gönner des russischen Polizeichefs in Neubabelsberg , schließlich errötete. Und Herr Nieberding, der dabei saß, machte eine Miene, als ob er gegen die Bes schwörungen der nationalen Ehre durch die Socialdemokratie nur noch juristisch- formale Bedenken gehabt hätte. Ein Geheimrat soll sogar unmittelbar nach der Debatte über die Russenspizzel geäußert haben: Sollte es nicht wirklich für das Deutsche Reich ehrenvoller sein, wenn wir den Ueberfluß an Agenten Väterchens verwenden, um unerfahrene junge Lieutenants gegen die Verführungen durch Offiziersgemahlinnen zu schützen
-
-
So weit war die Seelenstörung vorgeschritten. Es wußte ja wahrhaftig niemand mehr, was forretterweise unter nationaler Ehre zu verstehen sei. Da faßte Graf Bülow einen gewaltigen Entschluß. Er berief den preußischen Polizeiminister zu sich, ersuchte ihn, das filberne Körbchen abzunehmen man soll einem Minister, wenn er geistig zu dreichen hat, nicht den Mund verbinden und arbeitete dann mit ihm unter Hinzuziehung der Kollegen Richthofen und Podbielski ein epochemachendes Werk aus, das den Titel führt: Katechismus der nationalen Ehre." Zum Gebrauch für Minister, Geheimräte, Rittmeister, Oberlieutenants, Parlamentarier und Jedermann aus dem Volk.
Hofbuchhandlung war freundlich genug, uns bereits vorher die Aushängebogen zugehen zu lassen, und wir sind deshalb in der Lage, einiges aus dem reichen und überzeugenden Inhalt wiedergeben zu tönnen und so auch unfren Lesern einen Begriff von den ewigen Regeln unverfälschter nationaler Ehre zu ermöglichen. Sie werden dann sehen, daß sich die Socialdemokraten zum mindesten eines groben unlauteren Wettbewerbes schuldig machen, wenn sie ihrerseits von nationaler Ehre reden. § 1.
Bei Mittler 11. Sohn wird die Schrift in Bälde erscheinen. Die
schaftstreifen als bekannt vorausgesetzt werden muß und der deshalb Die nationale Ehre ist ein Begriff, der in den besseren Gesellfeiner Bestimmung bedarf.
§ 2.
Die nationale Ehre ist im Gegenteil von so feiner, duftiger Struktur, daß man ihr mit dem groben Werkzeug der Vernunft gar nicht beikommen kann, ohne den herrlichen Schmetterlingsstaub ihres Wesens plump zu zerstören.
§ 3.
Man kann also die nationale Ehre zwar nicht definieren, aber sie läßt sich in ihren Erscheinungsformen studieren. § 4.
Nationale Ehre ist, wenn man!
§ 5.
Wenn man z. B. 150 Ahnen hat oder mehr als 50 000 Mark Einkommen besteuert. § 6.
aufwärts. Die Mannschaften und Unteroffiziere müssen von Fall zu Nationale Ehre hat das Militär; regelmäßig vom Lieutenant Fall das Vorhandensein nachweisen. Sind sie Offiziere a. D. und ichreiben gemeine Nörgeleien in Zeitungen, so gilt die nationale Ehre als erloschen. § 7. Socialdemokraten haben keine nationale Ehre. Ebenso Juden, fofern sie nicht unter den§ 5 fallen.
§ 8.
des Geburtslandes begrenzt. Die nationale Ehre wächst prozentual mit der Größe des Gebiets.
Das Gebiet der nationalen Ehre ist durch die Quadratmeilen
§ 9. Daraus folgt, daß es erster Grundsatz der nationalen Ehre ist, das Gebiet zu erhalten und, wenn thunlich, zu vergrößern. § 10.
Für die nationale Ehre muß man, wenn notwendig, das eigne Blut opfern. Doch ist es vorzuziehen, wenn man das Vergießen des Blutes andern überläßt und sich selbst auf die Aufforderung zum Opfern beschränkt. Regierende Familien dürfen unter feinen Umständen ihr Blut vergießen, weil das ein Verlust für die nationale Ehre wäre. § 11. Es ist süß und ehrenvoll, wenn unsre Stellvertreter für das Vaterland fortgeschossen werden. § 12.
Seitdem die Socialdemokraten, denen doch längst das Vaterland aberkannt worden ist, es wagen, mit Vorliebe von nationaler Ehre zu reden, ist in den maßgebenden Kreisen eine traurige Begriffsverwirrung über dieses Ding an sich eingerissen. Gewiß, die mit der nationalen Ehre von Geburt an behafteten preußischen Junker wissen noch ihre Monopolstellung in Ehrensachen zu retten. Als neulich im Reichstage dreiste Rottenführer mit einer Greife niemals an, bevor Du Dich überzeugt hast, daß Dein gewissen demonstrativen Niedertracht sich als wahrer nationaler Gegner schwächer ist als Du. Führe Krieg mit den Hereros; denn Ehre gegenüber der reizenden Kameradschaft mit den sie haben teine modernen Geschüße. Schlage die Ausländer nieder Polizisten aus der Kosakei aufzuspielen sich herausnahmen, und verfolge sie; denn es sind ihrer weniger als die mit ihrer Auss wurden die feingeschnittenen Charakterköpfe auf der rechten Seite des treibung beauftragten Schußleute. Kämpfe gegen streifende Weber, Hauses bei dem Worte Ehre" jedesmal von Hohnblitzen durchfurcht, denn sie sind durch Arbeit und Hunger heruntergekommen. und Herr v. Normann, der Demosthenes der konservativen Partei, sprach gegen solchen Unfug wieder den einen kräftigen Sag, aus dem feine Beredsamkeit besteht; ein einziger Normannscher Say verbreitet schon Furcht und Flucht und der Glückliche bedarf deshalb niemals mehr als eines Sapes, während andre Redner mühsam ganze Ballen von Papier verreden müssen, um Eindruck zu machen.
"
§ 13.
Die nationale Ehre erfordert es, immer nur gegen den Schwächeren zu Felde zu ziehen. Erstlich, weil die nationale Ehre unbedingt ere heischt, daß man siege. Zweitens, weil es eine tödliche Beleidigung unsrer Ehre ist, wenn sich die Schwächeren gegen uns auflehnen.