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Kleines Feuilleton.

es. Die Duncan. Man braucht nicht einmal ein besonders ver­

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manischen Mythologie das wilde Heer durch die Lüfte fährt, zumeist in stürmischen Nächten, wie die Seelen der Verstorbenen im Sturme über das Land brausen oder als Flämmchen und Irrlichter herum­spufen, so ziehen in der Champagne die Herlekinleute" inmitten farbiger Lichterscheinungen durch die Lüfte." Aber nicht nur ruhelose feinertes, künstlerisches Gefühl in Wirksamkeit treten zu lassen, unt Gespenster sind diese Herleline( das Wort, französischen Ur- abstoßend und lächerlich zu empfinden. die bei uns üblichen, europäischen Ballettänze als unschön, oft als sprungs, wird schon im 13. Jahrhundert Harlequin " gesprochen), abstoßend und lächerlich zu empfinden. Schon dieses eigenartige nicht nur Nebel- und Feuergebilde, sondern auch Menschen und Kostüm das in seiner stereotypen Form etwas chinesenhaft steifes menschenähnliche Wesen. Als komische Dämonen werden sie bereits an sich hat, so daß die Trägerin in ihrem Buzz mehr einer grotesken Gegenstand mimischer Darstellung und erhalten die mittelalterlichen Tanzfigur irgend einer wilden Völkerschaft gleicht, als einer ge= Attribute des lustigen Teufels: eine fürchterliche Grimasse, hervor- bildeten Europäerin, die noch dazu den Ehrgeiz hat, dem Auge des stehende Zähne, wirre borstige Haare. Nur böse Teufel sicht die Zuschauenden einen fünstlerischen Anblick zu gewähren! Schon dieses firchliche Litteratur in den Herlekinen, unter denen einer, der Ober- Kostüm spricht vollkommen aller Kunst Hohn und hindert im teufel, der Böse ist, der gegen die Werke der Kirche anstürmt, in speciellen das, was der Tanz zeigen soll, nämlich einen freien Körper wilden Nächten mit seiner Bande, den Söhnen Satans, einher­in freier Bewegung. Es ist unmöglich, abgerundete, harmonische brausend. Rebt heute noch in Nordfrankreich die Vorstellung von Körperlinien in der Bewegtheit des Tanzes zu offenbaren. Der diesem Sturmdämon, diesem führenden Herlekin und seiner feurigen nach allen Richtungen stachelig abstehende Gazerock zerreißt den Echar, so stand der Nordfranzose des Mittelalters noch weit inniger Körper in zwei Teile. Der eine Teil der Oberkörper ift mit ihm in Verbindung. In Maiennächten und Herbsttagen, bei nun verdammt, meist in steifer Ruhe zu verharren. Er steht dem Geburt und Tod, vor allem in Brautnächten saufte und stob die Gezappel unter ihm das sich außerdem noch seinen Augen ent­tolle Bande herbei bald aber nicht mehr Jrrlichter, Gespenster zieht, da der Rock es verdeckt wie ein unbeteiligter Zuschauer und Teufel, sondern leibhaftige Menschen, als Harlekin ausstaffiert gegenüber. Unter ihm befindet sich das Perpendikel der Beine in und jenes mythische Gruseln durch reales Grausen ersetzend. An dem gelentigen Hin und Her einer ungeregelten Bewegung. Der Aus­die Stelle visionärer Zustände und Einbildungen trat der herbe druck Beineschmeißen" stammt ja daher; er ist bezeichnend für die in Wirklichkeitssinn des Mittelalters. dieser Kunst entwickelte Grazie. Treten nun zu dieser Bewegung der unteren Extremitäten die üblichen sinnlosen und schablonenhaften Armbewegungen hinzu, so ist das Ganze ein Gezappel, dem die harmonische Ausgleichung fehlt. Aus einer ehemals ganzen Kunst wurde ein ungeregeltes Spiel, dessen Albernheiten und künstlerische Blößen nun berdeckt werden durch allerlei Bekleidungskünfte. Ez ist ein offenes Geheimnis, daß die Tanzkunft als solche bei uns nicht existiert. Ein Nebenzweig, ein entarteter, var eben die Ballettkunst, die, da sie unkünstlerisch war, für ein feineres und ebenso auch für ein natürliches Empfinden beide treffen sich meist nicht mehr in Betracht kam. Es war eine Klassenfunst. Ja, in den meisten Fällen war sie nicht einmal das. Denn sie befriedigte nur eigent­lich einen fleinen Ausschnitt dieser Klasse. Diesen Leuten war das Gezappel der Beine ein Hochgenuß. Der Tiefstand unsrer künft­lerischen Stultur tritt hier so recht zu Tage. Wir mögen Künstler haben, die einen Vergleich gegen früher nicht zu scheuen brauchen, ich meine Dichter, Bildhauer Maler, Musiker. Nichts ist aber bezeich nender für die Höhe einer Kultur, als tvenn solche natürlichen Freuden, wie das Tanzen, das gerade allgemein sein sollte, so er­schreckend entartet. Nicht das giebt ein Kulturniveau, wenn einzelne Stünstler da sind, die die Linie der Entwicklung weiterführen. Ebenso wie das Sinken des Geschmackes sich in dem absoluten Fehlen einer großzügigen dekorativen Kunst zeigte, so ist auch das Entarten des Tanzes zu finnlosen Bocksprüngen ein Zeichen unsrer Stultur. gehörigkeit und einer Zukunft, der wir entgegengehen, kommt auch Mit dem Erwachen des Gefühls einer socialen Zusammen­wieder ein Streben hoch, das tägliche Leben beffer zu gestalten. So ist die dekorative Stunft als Kulturproblem tiefer gefaßt ein Teil eines größeren Etrebens. Und so soll als Parallelerscheinung hierzu, unfre Zeit ist eine Zeit des Erwachens mun auch die Tanzkunst nicht mehr ein zusammengeschrumpfter Ueberreft, ein leberbleibsel aus der Ver­gangenheit sein, ein Privileg bestimmter Stände, sondern sie soll ein lebendiges Zeugnis unfres Fühlens, unsres Empfindens werden. Etwas Allgemeines soll sie werden, ein Kulturdokument. Hier seht die Befreiung ein.

er heute noch übliche Name Charivari wurde für das wüste Durcheinander gewählt. Die Harlekine des Charivari schwärmen mit lautem Unfug durch die Gassen; in ihrem Gefolge tanzen un züchtige Weiber. Sie alle toben in wilder Lust, närrisch und häßlich gekleidet; sie führen Kuhglocken, Trommeln, Holzklappern, Mörser, fupferne Töpfe und allerlei andres Gerät mit sich; fie schreien und heulen; sie werden vom stärksten Rüpel, dem Oberteufel, angeführt und treiben maßlosen Unfug. Das Bolt jubelt ihnen zu, auch wenn es im bürgerlichen Leben diesen Spaßmachern das mindeste Maß bon Achtung versagt.( Eine Erscheinung übrigens, die nicht nur mittelalterlich anmutet!)

Von diesen komischen Rüpeln der Straße, diesen Harlekinen der Pariser Volksmaskerade bis zum Harlekin der Komödie führte schließlich nur noch ein Schritt. Als Clown, als Hauswurst tam Harletin in die Bühnenwelt, zunächst ohne Anteil an der Handlung. Driesen schildert ihn als Spaßmacher, als Plaisant", der obfcöne Bühnentricks liebt und obscöne Wizze, der die Zunge herausstreckt und die Augen rollt, wildfremde Männer mit Küssen überfällt und ihnen auf die Schulter springt, sich in die Luft wirft, tausenderlei schwierige Afrobaten- Kunststüde ausführt, tangt und hanstvurstelnd lustige Anreden hält.

Da haben wir schon die typische Form des Harlelins und feines jüngeren Bruders, des deutschen Hanswurstes, wie sie im acht­zehnten Jahrhundert vor allem in Paris und Wien sich zeigten. Die Unanständigkeit und Gelentigkeit, das edle Erbe teuflischer Harlekine, behalten sie bei, während die Struwelfraze hie und da verschwindet und Harlekin als Liebhaber mit unbedecktem Ge­fichte" spielt.

Noch lange behält Harlekin den Akrobatencharakter bei. Die italienischen Komödianten, die ihn am Ende des 16. Jahrhunderts als beliebte Volksfigur in Paris auf der Bühne heimisch machten, hätten keine Veranlassung und wohl auch nicht die Macht gehabt, daran etwas zu ändern. Der Charakter des Stegreifspiels erlaubte ihnen ja jedes Ertempore, jede eingefügte Scene, und alle Zuthaten der altbekannten Pariser Volksfigur ficherten den welschen Komödianten Verdienst und Ansehen.

Für fleine und große Truppen war Harlekin die Seele, der Mittelpunkt. Er übernahm eine Vermittlerrolle zwischen Bühne und Publikum, die weit einträglicher wirkte als Theaterzettel und Redaktionsnotizen. Er stieg im Ansehen aller. Das Publikum verlangte nach ihm, die Dichter schrieben für ihn, und alle Ehren häuften sich auf sein Haupt. Molière gebrauchte zur Premiere feines Bourgeois Gentilhomme" einen Harlekin und wandte sich an feinen Freund Dominique Biancolelli , den glänzenden Vertreter dieser Rolle an der Comédie Italienne.

Hier, in der Comédie Italienne, dem Lieblingstheater der Pariser , mündete die Entwicklung des aus Mythus und firchlichem Drama hervorgegangenen Harlekin- Typus. Hier vollzog sich an ihm die stärkste Umivandlung. Vor allem zu Meister Gherardis Beiten im ersten Viertel des 18. Jahrhunderts ward aus dem scham­lofen, gelentigen Atrebaten der Schauspieler Harlekin , der zahmer und graziöser auftrat, ohne freilich seine Herkunft ganz zu ver leugnen.

Von Frankreich sprang er nach Deutschland und Italien hin­über und warb dort um die Popularität, deren er in seiner Heimat ficher war. Dort verdrängte er, der zierlichere, den tölpischen Hans­wurst, der mit Pickelhering das Volk über hundert Jahre belustigt hatte, in Italien trat er neben Pantalone, Dottore, Brighella und die andren Masten der Volkskomödie und lebte länger als in den Nachbarländern fort. Noch heute spielt ein Schuster aus Bergamo den Harlekin im Starneval seiner Vaterstadt, in Mailand und Lecco , spielt ihn in der alten buntfcheckigen Tracht, mit schwarzer Maske und hölzernem Schwert. Es sind die lehten Stationen, die Harlekin auf seinem Rückzug aus den Festen des Volkes macht. Paul Legband .

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Miß Ijodora Duncans Versuch, den ganzen Körper in seinen harmonischen und so äußerst subtil bedingten Verhältnissen im Tanz zur Geltung zu bringen, so daß das leicht herabwallende Gewand niemals die reinen und edlen Linien bricht, knüpft an die griechische Kunst an. Wer die herrlichen, formschönen Vasen kannte, die vornehmlich aus Attika, weiterhin aus ganz Griechenland und darüber hinaus uns erhalten sind, und den wertvollen Besit unsrer öffentlichen Sammlungen bilden, wer sich an die Friese erinnert, die die Tempel und Paläste schmückten, mit Bewegungsmotiven aller Art, der wird in diesen Tänzen der Duncan viel wiederfinden an Bewegung, Geste und Stellung, wie die antiken Kunstwerke sie uns zeigen. Gerade die Vasenbilder sind deswegen für uns interessant, weil sie uns vielmehr, als die hohe Kunst der Griechen, das tägliche Leben, Spiel und Tanz und Arbeitsbeschäftigung dieser Republikaner erhalten haben und uns sinnfällig vor Augen stellen.

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Nun weiß zwar niemand, wie die Tänze der Alten aussahen. Miß Duncan hat es unternommen eine beinahe gelehrte Arbeit rekonstruieren. Wenn sich nun Stimmen gegen diese Rekonstruktion aus diesen erhaltenen Bruchstücken mutmaßlich ein Ganzes zu erheben werden, so besagt das gegen den Kern der Duncanschen Bestrebungen doch nichts. Auch ich glaube, daß es unmöglich ist, diesen Tanz wieder finden zu wollen. Doch ist das nicht das Ent­Die Duncan tanzt sich. scheidende. Es ist ein Zweig nur.

Worauf es Miß Duncan ankommt, ist: sie will den Tanz reformieren. Sie will in der Bewegung wieder den Körper zu seinem Recht kommen lassen. Sie ist bestrebt, den Tanz aus einem albernen Gezappel von Gliedmaßen, das meist die unteren Extremi­täten in Bewegung seßte, wieder zu einer Innerlichkeit hinzuführen. Wenn fie dabei auch auf den griechischen Tanz kommt, so ist das nur eine Station. Es ist nicht der Kern ihres Wollens. Er dient ihr als Anregung.