Zeit hat er offenbar den Gedanken»nieder fallen lassen, vnd mir damit die Möglichkeit gegeben, ihn zum krönenden End« zu denken. Man steuert dem Unwesen der Wettbureaus, indem man den Totalisator mit Staatsprivilegien ausstattet; man treibt die Unzucht von der Straße und aus den anständigen Stadtteilen, indem man sie im Namen der Republik kasennert nun wohl, man rotte die ganze mensch liihe UnVollkommenheit als schädliche private Er- scheinung aus. indem man aus der UnVollkommenheit ein Staats- Monopol gestaltet; Laster und Verbrechen müsse» verstaatlicht werden I Der Staat hat, wie man weiß, schon seit Jahren, wie auch die Kirche, die Macht, Lastern und Verbrechen den Kurswert patriotischer Handlungen zu verleihen: Hochverrat. Brandstiftung, Raub, Mord sind, wenn sie von organisierten und uniformierten Massen be­gangen werden, längst preiswürdigste nationale Tugenden, Bahn- brecher des geschichtlichen Fortschrittes. Auch die Kirche hat durch die Einrichtung des Ablasses Laster und Verbrechen den Interessen der Allgemeinheit dienstbar gemacht. Alles dies find aber nur lümmerliche Anfänge man muß die ganze Aufgabe wagenl Es steht fest, daß die Welt unvollkommen ist. Es steht folglich fest, daß die Menschen in einem gewissen Umfang spielen und Völlerei treiben, Ausschweifungen fröhnen, stehlen, einbrechen, falsch schwören, Wechsel fälschen, luslmorden, ja sogar Gendarmen und Majestäten beleidigen Witze machen müsse». Nun wohl: der Staat kontingentiere und mono- polisiere die einmal wegen der UnVollkommenheit der Welt ewig notwendigen Laster und Verbrechen, er konzessioniere eine gewisse Anzahl von Wüstlingen und Verbrechern. Dann kann er mit schonungsloser Energie jede unkonzessionierte, wilde Missethat mit Stumpf und Stiel ausrotten, indem er zugleich vom Ertrag der staallich erlaubten verbrecherischen und lasterhasten Thätigkeit einen Teil für seine allgemeinen Wohlfahrtszwecke einbehält. Damit werden nicht nur alle irregulären und deshalb gemeingefährlichen Ausschreitungen beseitigt, nicht nur das Strafenwesen ungeheuer vereinfacht, sondern wir haben in dieser Reform endlich auch das einzige Mittel gefunden, um dem Umsturz, der sich gegen die Unvoll- kommenheir der Welt auflehnt, ein schnelles Ende zu bereiten. Herr v. Podbelski überwindet die sündigen privaten Wettbnreaus durch den staatlich organisierten Totalisator, Herr Schäfer die Un- zucht der Straße durch die Legitimität von Staatsbordellen in der gleichen Weise wird das Laster und das Verbrechen, all« gemein auS der Sphäre der privaten Willkür gehoben, indem sie der Staat organisiert, kontingentiert und besteuert. Das System läßt sich leicht durchführen. Da sind z.B. die gegenwärtig sehr beliebten Ehebrüche in der Armee. Die allzu angenehmen nach- barlichen Verhältnisse zwischen Offizieren und Ehefrauen von Kame­raden werden heute gewöhnlich m der Weise geschlichtet, daß die Damen ins Irrenhaus und die männlichen Teilnehmer ins Duell geschleppt werden. Diese Gleichung von Irrenhaus und Duell ist zwar ein Beweis geistiger Reife, immerhin ist das Verfahren mit gewissen Uebelständcn für die persönliche Freiheit und die Integrität der Uiiisormröcke verbunden; die Röcke sind teuer und die feinste Kunststopferei heilt nicht die Löcher, die bleierne Motten ge- fressen. Ganz anders wird die Sache, wenn der Staat sich der Materie bemächtigt. Es ist statistisch sofort festzustellen, wie- viel Ehebrüche durchschnittlich auf die Armee kommen müssen, um die ewige UnVollkommenheit dieser Welt zu rechtfertigen. Die ermittelte Zahl wird nunmehr zu Grunde gelegt, um geeignete Offiziere es kann ja jährlich gewechselt werden von Staats wegen mit dem Rechte auf zeitweise Tramingen zur linken Hand zu konzessionieren. Alle übrigen, die ohne staatlich berechtigt zu sein dennoch ins Handwerk pfuschen, können dann, nachdem derart der Unvoll- kommenheit der Welt Rechnung getragen, mit schwerster Strafe ab- geschreckt werden. Und hier setzt denn auch die Bekämpfung des Umpurzes ein. Konzessioniert werden lediglich Personen, die von absolut einwandfreier Gesinnung sind. Und ihr Gewerbe ausüben dürfen sie ausschließlich an den Frauen von Offizieren, die hin- reichend verdächtig sind, Talent zum Romanschriftsteller zu haben. Das gleiche wird bei allen Vergehen und Verbrechen durch- geführt. Gemäß der Kriminalstatistik gewährt der Staat das Recht zur Ausübung einer bestimmten Zahl von Beleidigungen. Körper- Verletzungen, Meineiden, grobem Unfug, bis hinauf zum Raubmord. Auch hier erhält die Konzession nur der gutgesinnte, loyale Unterthan, während die Socialdemokraten das Monopol der passiven Berechtigung erhalten. Damit wird erreicht, was Herr v. Kröcher meinte, als er sagte die Socialdemokratie dürfe nicht Subjekt, sondern nur Objekt der Gesetzgebung sein. Bei der gegenwärtigen gesetzlichen Lage wirkt es i nun er wieder aufregend, wenn stamme Christen, die Socialdemokraten halbtot schlagen, steigesprochen werden, während ein Socialdemokrat. der einen stommen Christen scheel an- blickt, wegen seiner Missethat auf Jahre ins Gefängnis wandert. Bösartige Hetzer gegen den Rechtsbetrieb Pflegen so etwas als Rechts- Ungleichheit oder Ungerechtigkeit zu behaupten. Ganz anders werden die Zustände unter der neuen Ordnung. Jeder staatlich konzessionierte Verbrecher hat das Recht, alle Paragraphen des Strafgesetzbuches auszuführen, sofern er nur den ausbedungenen Anteil am Ertrag dem Steueramt übergiebt und die Vorsicht übt, seine Thätigkeit nur gegen diejenigen Elemente zu richten, welche von Staats wegen die Pflicht haben, die erfinderischen Begriffe des Strafgesetzbuchs praktisch Und anschaulich zu erdulden. Die Borteile uusres System? liegen auf der Hand. Da die Zahl der freigegebenen Laster und verbrechen unter Staats- kontrolle genau dem feststehenden Maß menschlicher Unvollkomnienheit dem triebhaften Bedürfnis, zu sündigen angepaßt ist, so wird es nur noch wenige Fälle geben, in denen nicht konzessionierte Personen steveln; die werden natürlich mit der ganzen Schärfe des Gesetzes angepackt, sie dürften zumeist ohnehin aus socialdemokratischen Individuen bestehen, die sich herausnehmen, durch freche angebliche Notwehr gegen die UnVollkommenheit der Welt zu demonstrieren. Zuchthäuser, Gefängnisse, Richter, Staatsanwälte, Schutzleute können auf ein winziges Maß beschränkt werden. Mißgriffe und Verstöße gegen das Prrncip der Rechtsgleichheit sind kaum noch denkbar, da ja jeder weiß, was er zu thun oder zu erwarten hat. Die Un- Vollkommenheit der Welt ist für alle Elvigkeit gerettet, und dazu in eine Form gebracht, die den privaten Exccssen keinen Raum mehr gestattet, die Staatskassen quellen über von den Erträgnissen der konzessionierten Verbrechen und niemand wird mehr ein Umstürzler sein wollen und gegen die UnVollkommenheit der Welt rebellieren, um nicht der Möglichkeit verlustig zu gehen, auch einmal als Lump und Verbrecher staatlich angestellt zu werden... floo. kleines feuilleton. t?. Die Schande. Der Herr des Hauses ließ plötzlich die Zeitung sinken und stöhnte auf:Alsol Da haben wirst Ich wußte ja, daß es einmal so kommen würde I" Die junge Frau hatte gerade das Messer im Napfkuchen. Sie ließ es vor Schreck darin stecken:Aber Männel" Und ihre Schwiegermutter sagte:Was ist Dir, Junge?" Er war aufgesprungen, kaute am Schnurrbart und lief im Zirmncr umher, die zerknitterte Zeitung in der Hand. Ja, willst Du uns nicht sagen?" ängstigte sich die Gattin. Laß nur." Er wehrte ab, sprach aber dann:Ich wußt's jal Ich wußt's ja. daß er vor keinem Eklat zurückschreckt. Ich Hab's lange kommen sehen! Langel" Sprichst Du von Fritz?" forschte die Mutter. Ach Gott , dies unglückselige Thema!" seufzte die junge Frau. Fangt bloß nicht wieder davon an! Oder unser ganze fchöne Sonntagskaffee ist hin! Sie winkte mit dem Messer und schnitt sich vom Kuchen ab.Laßt ihn doch laufen mit seinen verrückten Ideen. Was kümmcrts uns!" Die Stimme der Mutter bebte ein wenig, als sie antwortete: Es ist meir Sohn. Das darfst Du wohl nicht vergessen, Marie. Mein Sohn so gut wie Du, Erich." Gewiß!" Die Stimme des Mannes war von Hohn erfüllt. Mein Bruder. Bruder! Ein netter Bruder!" Vielleicht sagst Du uns, um was es sich handelt." Zwischen den Augenbrauen der Mutter bildete sich eine strenge, eigenwillige Falte. Was wird sein? Er hat wieder mal geredet! In öffentlicher: Versammlung sich hingestellt und feine Phantasien zum besten ge- geben!" Das ist doch nichts Neues," spottete seine Gattin und schob ein Stückchen Kuchen in den Mund. Für uns freilich! etwas Längstbekanntes. Leider! Aber jetzt steht's schwarz auf weiß auch hier, in unserm Lokal- blatt:In heftigen Ausfällen erging sich ferner auch Herr Fritz"' na, und so weiter...«Sohn eines geachteten Bürgers unsrer Stadt", dann folgt die Aufzählung seiner Schandthaten." Erich warf das Blatt in die Ofenecke.Wir sind blamiert! Aufs scheußlichste blamiert!" Das kann ich denn doch nicht finden." Die Mutter wiegte den grauen Kopf.Abgesehen davon, daß Euch ja niemand für Fritzens Worte und Handlungen verantwortlich machen kann, ist es ja wohl auch nichts Ehrloses, das Fritz verbrochen hätte. DaS heißt," fügte sie schnell hinzu,Du weißt, ich billige durchaus nicht, was Fritz in seinen Reden vorbringt. Wenigstens nicht alles." Das fehlte auch gerade noch!" höhnte Erich.Aber Du bist ganz verdammt auf dem Holzwege, wenn Tu annimmst, daS da färbte nicht auf mich ab. Bis jetzt hat's wohl außer uns kaum einer im Orte gewußt, was für ein Vogel da in unsrer Familie auf-- gewachsen ist. Jetzt ist's natürlich Tagesgespräch in der Stadt, der ganzen Stadt! Ja. meinst Du." schrie er,daß mir das gleichgültig ist? Bruder zu heißen von'nem blutroten Demokraten!" Angenehm ist's gewiß nicht," bestätigte die Gattin.Ich finde es überhaupt ziemlich rücksichtslos von Fritz. B.n ist doch wohl seiner Familie mich etwas schuldig." Ihr glaubt also, Fritz müßte aus seinem Herzen eine Mörder- grübe machen, weil Ihr..." Die alte Dame lächelte fein und überlegen. Dann meinst Tu auch, man könnte mir keinen Vorwurf machen. wenn ich durch Mord oder Räuberei unsren Familiennamen in Ver- ruf brächte?" fuhr Erich mit glühendem Gesicht auf. Seine Mutter erhob sich jäh:«Dieser Vergleich ist infaml" Ja, Männe. Da bist Du doch etwas zu weit gegangen. Du mutzt es seiner furchtbaren Erregung zu gute halten, Mama." Und di- Gattin fügte hinzu:Meinst Du, daß es Dir irgendwie! schaden könnte. Manne? In Deiner Karriere beispielsweise?"