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Shre sozusagen angeborene Berechtigung glaubt, selbst das Seltene und Ausgezeichnete zu erreichen Sie sind das geLungene Werk der Natur, das alles zur Bewunderung zwingen kann. Aber wie ich, Ihrem Bekennen meiner Beweggründe froßend, Sie vor dem betrügerischen Zauber des Ingenieurs Varberg warnte, so muß ich mir auch jezt erlauben, an Ihren tiefen, gefunden Instinkt zu appellieren gegenüber den blendenden Vorspiegelungen eines eines-- ich muß es aussprechen nicht gerade an sich so bedeutenden wie selbstberauschten Dichters."
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Bußte ich's doch! Konnte ich's Ihnen doch ansehen, daß so etwas kommen würde! Sie sind so neidisch, daß es Sie förmlich entſtellt."
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„ Das Fach dieses Herrn besteht darin, eine Fata Morgana nach der andren aufzustellen," eiferte Schulteiß mit lauter Stimme. Wie alle schwächer begabten Dichternaturen verwechselt er die Wirklichkeit mit dem Ideal; ich hätte fast gesagt, er ißt und trinkt und hält Vorträge in hohem Fluge, während er in niederem, oft ganz einfachem Schrittgang dichtet. Sie sind eine ideale Natur, Minta. Sie besigen die hohe Gabe, sich in die Herrlichkeit eines andren hinein zaubern zu lassen ich beschwöre, ich beschwöre Sie," schrie er.„ Ach, Minka, Sie, die Sie kraft Ihrer Schönheit die Wirklichkeit besigen, die Sie selber ein farbenreich pochendes Gedicht sind, was haben Sie mit den geistigen Luftschlössern einer so armseligen Persönlichkeit zu schaffen?"
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Pfui, Schulteiß, Sie sehen min einmal jeden, der mur ein klein wenig Verständnis für mich hat, so giftig an das Privilegium wollen Sie für sich ganz allein haben. Und gerade jetzt, wo ich so sehr einer Stüße bedarf, wo ich es nötig habe, aufgemuntert zu werden, Mut und Unbefangenheit zu zeigen gerade jezt-- Das werde ich Ihnen niemals vergessen, daß gerade, als ich Ihnen alles anvertraute, Sie Ihre egoistische, fleinliche Eifersucht nicht bezähmen konnten, daß Sie das Gedicht herunter machen mußten, daß Finsland mir geschrieben hat ich hätte es Ihnen nur gar nicht zeigen sollen."
„ Minta, Fräulein Minka," rief er aus,„ lassen Sie mich mur wie einen Hofhund vor Ihrer Thüre liegen! Ich will Ihren Freunden die Hand lecken, wenn ich auch den Tod im Herzen fühle."
„ Es betrübt mich stets, Schulteiß, wenn Sie sich so geBerden; Sie machen es mir ja ganz unmöglich, mit Ihnen je wieder über etwas zu reden. Aber nun muß ich schnell hinunter und meine Promenadentoilette anprobieren. Nach der allerneuesten Mode, das können Sie mir glauben. Heute nachmittag, wenn das Kleid fertig ist, siehe ich es an, da Tönnen Sie es sehen. Dann haben Sie doch einen Begriff davon, wie ich aussehen werde, wenn ich in der Stadt bin," lächelte fie.
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8.
Gerade, als der Strom vom schmelzenden Schnee angeschwollen war, bekam der Fährmann Lars alle Hände voll Arbeit. Ein Karriol, ein Gig, eine Karre nach der andren fam ans Ulfer, um sich übersehen zu lassen, oder man rief ihn von der andren Seite an Leute aus der Umgebung, Geschäftsleute, von dem mächtigsten von allen, Jon Kaaler, der jetzt die großen Hobelwerke anlegte, bis zu dem Flußinspektor. Auf den blanken, tiefen Wegen rollten die Fuhrwerfe Sahin, so daß der Kot von den Rädern herabtroff. Sie bogen in die Hofzäune ein, zu einem Nachmittagswhist oder einem abendlichen Boston .
Und spät am Abend mußte der Fähr- Lars wieder an die Arbeit. Dann pflegten sie dort am Flußufer zu zweien oder zu dreien zu stehen und zu rufen; oft fam er vor ein bis zwei Uhr des Nachts nicht zur Ruhe.
Es war lebhaft in der Umgegend; es herrschte eine große Bewegung wegen der bevorstehenden Generalversammlung in der Sparbank, die am Sonnabend, den 16. Juni, stattfinden sollte.
Jetzt war es fein Geheimnis mehr, daß man allen Ernstes darauf hinarbeitete, die alte Direktion zu stürzen. Hauptsächlich unter Kjels Einfluß hatten in den letzten Jahren mehr und mehr Geschäftsleute in der neuen Art und Weise, den Wald auszunützen, spekuliert; man hatte Holzpapier fabriziert, Sägewerke, Hobelwerke angelegt.
Jezt war es an der Zeit, daß die neue Acra im Distrikt den Kampf mit der alten begann. Und da gab es nur eine Losung: sich in der Direktion der Sparbank Kredit und Vertrauen für seine Ansichten zu verschaffen und damit leichteren Butritt zu Darlehen und Borschußkapitalien.
Kjel hielt fich um diese Zeit gewissenhaft allen Whist. und Bostonpartien anßer Hause fern. Er schlenderte zwischen den Holz- und Bretterstapeln umher, wollte nicht, daß man ihm nachsage, er habe agitiert.
Hin und wieder hielt ein Fuhrwert vor seiner Thürjemand, der Bericht über die Stimmen abstattete, oder sonst jemand, der den Augenblick gerade für günstig hielt, um sich ein Attest über seine Zahlungsfähigkeit für eine Anleihe in der Stadt zu verschaffen.
Und Kjel war nicht unerbittlich, wenn er sich auch ein wenig nötigen ließ. Ein hinreichend indigniertes Bedauern, daß es für einen Geschäftsmann so völlig unmöglich sei, von der Sparbank des Distrikts ein Darlehen zu erhalten, pflegte den Ausschlag zu geben; und ein solches Attest war dann so gut wie eine Stimme.
Es kam auch wohl vor, daß sich Kjel von der geeigneten Persönlichkeit einen fleinen Gegendienst auf einem Wechsel ausbat, der ihm gerade so über den Hals gekommen sei. Er disponierte überhaupt flottweg über die Namen der Klienten, deren Kredit in der Hauptstadt er durch seine Empfehlungen stüßte. Es ist übrigens die einfachste Sache von der Welt," fonnte er in fordial brutalem Tone ausrufen, wenn er es für angebracht hielt, stügt Ihr mich hier, so stütze ich Euch in der Stadt." Sjel schlenderte zwischen dem Comptoir und den Bretterstapeln auf und nieder.
Drinnen im Wohnzimmer saß Doktor Stenvig heute wie gewöhnlich und hielt Vortrag.
( Fortseßung folgt.).
Kleines Feuilleton.
es. Das neue prenßische Herrenhaus. In seiner äußeren Erscheinung gehört das Herrenhaus zu denjenigen Bauten, die Berlin wenigstens nicht verunschönen. Wenigstens nicht aufdringlich verunschönen. Man braucht sich nicht allzusehr genieren. Man kann ruhig vorübergehen. Man ist ja so bescheiden geworden.
Wenn Berlin einmal verschüttet werden sollte, wie einst Herkulanum und Pompeji , so würden die Entdecker, die es wieder ausgraben, aus dem Kopfschütteln nicht herauskommen. Sie würden den Finger gelehrt an die Nase legen und die Frage aufwerfen: Ja, hatten denn diese Leute keinen eignen Stil? Thaten sie sich denn nur darauf etwas zu Gute, eine Filiale sämtlicher vergangener, einmal gewesener Kunst- Stilcentren gewesen zu sein? Und sie werden noch einmal die Köpfe schütteln, wenn sie dann zu einer Periode Berlins tommen, wo ein Ausschmüdungstaumel über Berlin herging wie ein Orkan, und die Stile der Vergangenheiten wahrhaft bombastisch sich blähten in dieser Stadt und doch nur Nachahmung und Talmi waren, und die öffentlichen Gebäude und Denkmäler in die Höhe schoffen, breit, riesenhaft, äußerlich den Schein des Gigantischen sich borgend eine wahre Stilorgie. Und Denkmäler müssen damals geschaffen sein, werden sie bei sich denken, ein wahrer Denkmalsregen muß herniedergeprasselt sein, denn überall steht so eine Figur. Ueberall macht eine Verherrlichung sich breit. Wahrhaftig der Marmor muß damals spottbillig gewesen sein.
Der zur Verfügung stehende Raum gestattete für das Herrenhaus die nicht neue Anlage: rechts und lints zwei Seitenflügel, davifchen ein freier Platz mit Anfahrt für die Wagen, hinten der zurüdtretende Mittelbau. Es sind allerlei Geschmacklosigkeiten da, die sich in den Gehirnen der staatlich angestellten Architekten forterben wie schleichende llebel; d. h. diese gange bequeme Art, verflossene Stile zu anscheinend Nenem auszuschlachten, ewig zu fombiniren, permutieren usw. ist eigentlich an sich schon ein Uebel. Da sind Säulen, die feine Säulen sind. Da ist über dem Mittelbau eine Frieströnung, bei der die notdürftig in dem Dreieck untergebrachten Figuren fich die Köpfe an der über ihnen liegenden abgrenzenden Stante einstoßen. Da stehen rechts und links zwei Gruppen, ganz oben, deren Notwendigkeit niemand einsieht, die man überhaupt sduver erkennt, und zwischen ihnen reckt sich, ellenlang, eine Fahnenstange
wie üblich.
Ueberhaupt, es ist alles-: wie üblich. Doch gerecht muß man sein und anerkennen: es ist hier gespart an derlei überflüssigen Geschmadlosigkeiten, wie wir sie sonst sehen. Es hängt und baumelt da nicht so viel draußen durcheinander. Der freie Raum, der den Architekten zur Verfügung stand, scheint einigermaßen reinigend ge= wirft zu haben. Im übrigen, es war eben von vornherein unmöglich, einen Bau mit so viel Krimsframs und Gehänge da in die Leipziger Straße zu sehen, wo gegenüber der Wertheimsche Bau, dieser festgefügte Versuch eines wirklichen Baufünftlers, etwas Neues zu geben und dem Sinn des Gebäudes nachzugehen, schon erzieherisch auf alle stilwuchernden Phantasien wirken mußte. Dieses Negative, dieses Fehlen, nicht ganz, aber doch ein wenig bedingt also, daß man sich gerade nicht ärgert, wenn man vorbeigeht.