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Diese in allen Farben schillernden, gezierten Borzellanfigürchen fönnen sie uns noch direkt entzücken? Es ergeben sich allerlei Beziehungen und Anregungen für den kulturgeschichtlich geschulten Betrachter. Wer diese Zeit verstehen will, mag hieran nicht vorüber­gehen dürfen.

Etwas Barbarisch- Ungeschultes spricht für mich aus diesem un­gelenken Püppchen, die natürlich wirken wollen, deren Mienen verzerrt sind. Es mag schwierig sein, diese Töne so zu erreichen und das Material so zu bearbeiten. Aber bevor ich das hinnehme, frage ich doch erst, ob die Mühe lohnt, und ich ver­misse hier die Notwendigkeit, den Stil. Ich kann mir viel schönere Muster vorstellen und in einigen einfachen Servicen, die in Stästen aufgebaut sind, gleich rechts am Eingang, kommt so etwas wie Stil ganz entfernt zum Ausdruc. Aber im Grunde komme ich nicht darum herum, daß es gräßlich aussieht, diese verschnörkelten, ge­schweiften Service und Statuetten, die mit allen Farben leuchten dabei muß man noch ihre Kleinheit bedenken, die die Buntheit noch erhöht, da die Fläche die Farben nicht verteilen kann! Und nicht nur Form und Farbe zerstreut und verwirrt und reißt die Einheit auseinander, zu all dem tritt noch der Glanz des Materials selbst, und Schillernde Grellheit ist das Endresultat.

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Es mag merkwürdig sein, daß man es nach langen Versuchen erreichte, den Fleischton so fein wiederzugeben, und ein solches Mienenspiel auf den Gesichtern zu erreichen. Doch nun es erreicht wen interessiert's, toen freut's? Abgesehen von Sanımlern und Liebhabern. Ich kann mir noch denken, daß diese Teller und Büppchen in ihrer Umgebung, in die sie hineinpaßten, zum einheit­lichen Ganzen mitwirken. Aber so herausgerissen aus dem Zu­fammenhange stehen sie gespreizt und doch ärmlich in der weiten Halle des Lichthofes. Man mag im einzelnen giebt man die Vorauslegung, diesen Kunstzweig überhaupt, zu manche Probe von Geschmack im Bewältigen der Schwierigkeiten erblicken, im ganzen be­deutet diese Kunst für mich den Gipfel des Ungeschmacks. Diese Figürchen erzählen mir von Unnatur und Gespreiztheit, aus der sich zu be­freien der Zeit hoffentlich immer mehr gelingen wird. An dieser Arbeit arbeiten wir ja alle. Diese Figürchen erinnern mich in ihrer armseligen Verzerrtheit und Affektion an die Puppen eines Kasperle­Theaters. Ja, ich finde diese natürlicher, daher erfreulicher.

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Da tauchen all die Schäferscenen auf, die in ihrer Monotonie uns doch wirklich nicht erfreuen können. Da werden auf einer kleinen Tasse Liebesscenen dargestellt mit Verschwendung aller Farben und Schnörkel links und Schnörkel rechts. Du lieber Gott ist das nicht stillos im höchsten Grade? Wir können unsre Freude an dieser Zeit haben, aber müssen wir darum ihre mißlungenen Stunstübungen cines entgleisten Geschmacks anstaunen? Das wäre eine künstlerische Sinnlosigkeit sondergleichen. Was bei dieser Kunstübung heraus­fommt, halte ich für verschtvendete Mühe und im schlechten Sinn für Museumskunst. Diese Kunst dient nicht dem Leben. Was sie predigt, führt ab von dem, was wir erstreben.

Ich bin überzeugt, daß wir späterhin das einsehen werden. Denn wenn wir bestrebt sind, die künstlerisch gebändigte Natur jedes Dinges organisch aus dem Material hervorwachsen zu lassen, so werden wir uns immer mehr von diesen Werken entfernen.

Diese Kunst redet nicht unmittelbar zu dem, der reinen Genuß Künstlerischer Art sucht. Sie redet zu dem Kulturhistorifer, sie redet zu dem Sammler, zu dem Liebhaber.

teil.

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Dies halte nicht ab, diefe Ausstellung zu besuchen. Im Gegens Man prüfe und überlege, auf wessen Seite das Recht ist. Auch das negative Resultat ist ja belehrend.

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Technisches.

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Verwendungsfähigkeit der Ramie. Wir lesen in der Technischen Rundschau": Die jüngste Baumwollfrise hat den Beweis erbracht, daß die heutige Baumwollproduktion in den Händen nahezu eines einzigen Produktionslandes liegt, nämlich Nordamerikas , das volle 80 Proz. der konsumierten Baumwolle liefert. Diese Thatsache hat das Augenmerk der Textilwelt mehr als je auf die bisher sehr stiefmütterlich behandelte Ramie Fajer gelenkt, die bis her nur als ein Ersatz für Baumwolle betrachtet wurde, jedoch unter den obwaltenden Umständen ein gefährlicher Rivale der Baumwolle werden kann. Jedes Baumwoll- Fabrikat kann zum Beispiel durch Ramie nachgeahmt werden. Dagegen giebt es viele Ramiefabrikate, die für die Baumwolle unnachahmlich sind. Namie ist eine Nessel, deren Faserfestigkeit jene der Baumwolle, Jute, des Flachses, Hanfes, der Wolle und andrer Textilgrundstoffe um ein Bedeutendes übertrifft. Sie hat einen sehr langen Stengel mit auffälligem Glanz nach Art der Seide, so daß das Mercerisieren für fie in Wegfall kommit. Ein besonderer Vorzug liegt darin, daß sowohl Glanz wie Festigkeit der Faser durch andauerndes Waschen nicht beeinträchtigt werden. Die Pflanze ist der Industrie seit langer Zeit schon bekannt und steht unter anderm bei den Chinesen und Japanern in hohem Ansehen. Sie wächst in gemäßigten milden Selimaten und kann, vom botanischen Standpunkte betrachtet, sehr leicht kultiviert werden, wenn man auch in praktischer Hinsicht über die geeignetsten Anbaumethoden noch immer im unflaren ist. Ob­gleich eine gute Entfaserungsmaschine bis heute noch nicht besteht, hat doch die Erfahrung gelehrt, daß der Entfaserung der Ramie­pflanze feine Schwierigkeiten mehr erwachsen. Die Zeit scheint nicht fern, wo die Ramiepflanze den Vergleich mit dem Preise der Baumwolle, des Flachses und Haufes erfolgreich wird aufnehmen können. Mit dem Flachs und der Baumwolle kann sie heute schon konkurrieren, falls der gegenwärtige hohe Preis für diese beiden Noh­materialien sich auch fernerhin noch behauptet. Bon vielen hervor ragenden Fachleuten wird ihr daher eine große Zukunft prophezeit; und nicht mit Unrecht, wenn man bedenkt, daß in Zukunft viele Artikel, die bisher aus Flachs, Hanf oder Baumwolle erzeugt wurden, aus der weit widerstandsfähigeren Ramie hergestellt werden können. Das Verwendungsgebiet der Ramie ist überaus groß und es sei hier stehen, und daß die Faser mit Vorliebe dort verwendet wird, wo es nur angeführt, daß z. B. französische Banknoten aus Ramie be­sich um Wahrung gewiffer Handelsgeheimnisse handelt. Ein andres Absatzgebiet ist das Gasglühlicht und das Kohlefadenlicht.

Humoristisches.

Streng geschäftlich. Braut( deren Verlöbnis vom Bräutigam rückgängig gemacht wurde): Und somit gebe ich Ihnen auch die Briefe zurück, die Sie an mich gerichtet haben." Staufmann: Brauch' ich gar nicht; sie sind alle topiert."

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mehr in der Schulzschen Reitbahn?" Unreell. Sagen Sie mal, warum sieht man Sie nicht

Warum? Der Mann hat mir zu unreelle Pferde. Jedes­Minuten wieder zurück." mal, wenn ich mir miet'' n Gaul auf givei Stunden, bin ich in zehn

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Daß dieje Stücke gerade einen hohen Kurs auf dem Kunstmarkt haben, thut nichts zur Sache. Man braucht nur den Auktionen bei­zuwohnen, da werden gerade für diese Püppchen Unsummen gezahlt. Im Eifer. Denken Sie, Frau Nachbarin, gestern kommt Es ist Modefache und gerade auf dem Kunstauktionsmarkt spielt der mein Mann um 5 Uhr in der Frühe total betrunken nach Hause! Geschmack feine große Rolle, sondern die Rarität. Und die, die Un- Dem hab' ich aber den Standpunkt flar gemacht! Das hätten Sie summen zahlten, werden nicht zugeben wollen, daß sie es für ein hören müssen! Na, Sie können sich denken, ich war einfach tünstlerisches Unding thaten. sprachlos." ( Lustige Blätter.")

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Notizen.

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Man denke an ein schönes, freies Gemälde von Böcklin , an ein arabisches Ornament, eine japanische Stickerei oder Zeichnung ich meine, die Differenz wird evident und viel mehr als Kulturgeschichte und Historie bleibt hier nicht übrig. Diese wirklich fulturellen Stil- bei Neichthal in Schlesien gestorben. Sie hat durch ihre Verje -Friederife Rempner ist auf ihrem Gute Friederikenthal reinheiten schlagen diese Unnatur des Porzellans einfach tot. Da hängen noch einige Teppiche von der Ausstellung der Ge- Deshalb sei ihr auch hier eine lachende Thräne geweiht. und Reime manchem eine Freude bereitet gegen ihren Willen. webe und Stickereien, die dieser Ausstellung vorausging. Da war Kultur und Stil auf jedem Felde. Die Sammlung der Berliner Litteraturs Da redeten Zeiten, die Archivgesellschaft besteht jetzt aus rund 700 größeren Hand­bleibend waren als künstlerische Dokumente und Errungenschaften, schriften und 24 000 Briefen deutscher Gelehrter und Dichter.- und jede Historie war überflüssig. Und für die paar Teppiche, die Der Nordamerikanische Turnerbund hat das da noch hängen, giebt man das ganze Porzellan. Wozu immer noch Preisausschreiben für ein Turnfestlied( nicht mehr diese unentschiedenen Kompromisse, die uns immer nur noch mehr als 300 Silben) erneuert. beschweren, verwirren? Und ich meine auch, da diese Ausstellungen 50 Dollar. Letzter Einsendungstermin ist der 1. Mai 1904. Die Ausgesezt ist ein Preis von dem weiteren Publikum dienen, werden dem Vorwärtsdringen einer Adresse des Schriftwarts ist: Theodor Stempfel, Bor 166, Indiana­natürlichen Stunstanschauung nur Hemmnisse in den Weg gelegt und polis, Indiana.­die Entwicklung wird unnüß erschwert.

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Eine der nächsten Novitäten des Trianon Theaters Für das weitere Publikum hat nur das Wert, was künstlerisch wird der dreiaktige Schwant Gastons Hochzeit"( La dame einwandsfrei im höchsten und reinsten Sinne ist. Das Lehrreiche" du commissaire") von Victor de Cottons und Pierre trete in den Hintergrund. Der unmittelbaren Freude diene man. Weber sein.

- Eine Wagner Statistik für das Jahr 1903 bringt die letzte Nummer der, Bayreuther Blätter". Danach gab es auf den deutschen Bühnen in Europa 1406 Wagner- Abende( 1902: 1339). Lohengrin " wurde 279 mal aufgeführt, Tannhäuser " 273 mal," Holländer" 181 mal, Meistersinger " 172 mal, Walfire" 138 mal, Siegfried" 114 mal, Götterdämmerung " 92 mal, Rheingold " 74 mal, Tristan" 60 mal und Rienzi " 23 mal.

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Will man einen Vergleich im speciellen, so sehe man sich die Tenagrafiguren an oder die Kleinplastik der Japaner, dann wird man empfinden, wo Stunft ist und wo verschnörkelte Aeußerlichkeit. Was unire Vorfahren schön fanden es mag historisch gerecht­fertigt sein, das zu erhalten, obgleich ich auch das bestreiten möchte. Aber uns bindet doch nicht eine Geschmacksverirrung der Ber­gangenheit! Berantwortl. Nedakteur: Julius Kaliski , Berlin.- Druck und Verlag: Borwärts Buchdruckerei u.Verlagsanstalt Paul Singer& Co., Berlin SW.

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