( Der Berleger stürzt wütend in den Saal.) Schwiemler: Niceh.
187
Schwebel: Gott sei Dant, jetzt komme ich endlich zu meinem
Mord Der Verleger( wütend): Ich kann Ihnen nur sagen, unser Morgenartikel ist ein kompletter Reinfall. Es regnet Schmähbriefe. Ich will Ihnen nur einen von der Sorte vorlesen, der lautet:„ Auch ich heiße verzeihen Sie Mandelstamm.
-
Der Verleger( entzückt): Schwiemler, ich gebe Ihnen monatlich 25 Mark Zulage.
Schwiemler( ohne Verständnis glogend): Nieeh!.
Joo.
Kleines feuilleton.
Unfre ganze Familie ist in Ihrem Tagesboten" geboren worden, hata eg. Marie. Es sah wüst aus in der Küche. Auf dem Tisch Frauen gesucht, geheiratet und ist durch den„ Tagesboten" gestorben. standen Teller und Schüsseln in ganzen Stößen, sie waren offenbar Darauf hätte die Redaktion Rücksicht nehmen und energisch gegen aus dem Küchenspind herausgenommen, deffen Fächer hinter den die antisemitischen Aeußerungen des Reichskanzlers Stellung nehmen offenen Thüren in gähnender Leere lagen. Am Herd waren die müssen. Das ist nicht geschehen. Sie sind offenbar auch schon blanken Thüren ausgehakt und auf der Platte aufeinandergelegt. antisemitisch verseucht. Ich bestelle hiermit das Abonnement ab und Auch die Speisekammer hatte man bis auf die letzten Büchsen auss fündige auch den Jahresauftrag meines Inserats. Mit gebührender geräumt. Achtung M. Mandelstamm, Lederhandlung en gros. Nachschrift: Sch würde mich auch nicht freuen. Silberfarh zu heißen. ( Ratloses Schweigen.)
Der Verleger( wütend): Was sagen Sie nun? Wir müssen den Schaden reparieren.
Cohnchen: Die Ueberzeugung habe ich längst. Wir müssen ein ferniges Wort reden. Noch im Abendblatt soll's geschehen.
Der Verleger( ruhiger): Aber gehen Sie ordentlich ins Zeug! Mandelstam muß wieder unser Abonnent und Inserent werden.
Lehmanowski: Ich bitte doch, unsre Beziehungen nicht zu vergessen. Wir brauchen Informationen
-
Dr. Werner: Jede Minute einen diplomatischen Unsinn Lehmanowski: Bitte sehr: Information! Scherl schlägt uns so schon mit seinem Nachrichtendienſt aus dem Ministerium; Scherl-
Der Verleger( wild): Neden Sie nicht von Scherl, diesem Lotteriemenschen. Schwebel, Sie müssen den Kerl mal auch im Lokalen ordentlich mitnehmen
Dr. Werner: Es kommt mir so vor, als ob Scherl das Recht hätte, seine Geschäfte zu machen, wie er will und kann. Der Standal liegt doch sozusagen in den Ministerien
Der Verleger( scharf): Mein Lieber, in meinem Betriebe greift man Scherl an
-
Schwiemel: llieeh.
Schwebel: Scherl wird gemacht. Aber ich habe keine Zeit, ist sonst noch was?
Lehmanowski: Ich möchte doch nochmals dringend warnen, den Bogen zu überspannen. Bülow ist unser bester Mann. Cöhnchen( pathetisch): Aber das Judentum hat einen heiligen Anspruch darauf, Genugtuung zu verlangen.
Der Verleger: Die Eintwürfe Lehmanowskis find doch nicht ganz von der Hand zu weisen. Wir befinden uns hier in einem Dilemma.
Dr. Werner: Da wird uns nichts andres übrig bleiben, als uns die Schlaftänzerin aus München kommen zu lassen. Schreiben wird sie doch wohl auch können.
Cöhnchen: Sie haben nur Raupen im Kopf, was soll uns die Schlafsängerin?
Dr. Werner( sehr ernsthaft): Aber die ist doch geradezu unentbehrlich für uns, wenn jie auch schreiben kann. Sie allein wäre doch fähig, im Zustande hypnotischer Bewußtlosigkeit den feinsten Regungen der Boltsseele einerseits und den diplomatischen Eingebungen des Reichskanzlers andrerfeits in Leitartikeln, Feuilletons, Stursberichten, Lokalpremiers, und wo sonst immer, nachzufchreiben. Schwiemler: llieeh( plötzlich in Etstafe ausbrechend), Kinder, ich fühle, ich kann das auch...( Er versinkt in Schlaf.)
-
Cöhnchen: Sollte es möglich sein?( Er fieht Schiviemler an) Ich habe die Ueberzeugung( Schwiemler nimmt flüchtig Papier und Feder und schreibt mit geschloffenen Augen, fieberhaft schnell): " Der Ausgang der Russendebatte bedeutete den vollständigen Sieg der Regierung. Es ist festgestellt, daß wir es mit einer Bande russischer Anarchisten zu thun haben, die die Grundlagen der mensch lichen Gesellschaft gewaltsam umstoßen. Individuen, die derlei Gründe planen, find nicht würdig des Asylrechts, und es ist Pflicht des Staates, fie unschädlich zu machen."
Lehmanowski: Ausgezeichnet!
Marie lag auf den Knien und scheuerte den Fußboden der Kammer mit der Bürste. Sie arbeitete haftig. Manchmal hielt sie inne und ihre Arme sanken wie in jäher Erschöpfung schlaff herab. Sie konnte wohl müde sein! Es war kein Spaß: die Arbeit dieses letzten Tages. Nein wahrhaftig, durchaus kein Spaß! Alles scheuern, alles putzen, in alle Eden kriechen, die hintersten Winkel noch einmal fehren!
Ach, die Alte verstand es!
Aber natürlich, das neue Mädchen mußte doch alles rein finden. Nun, das neue Mädchen konnte sich ja überhaupt freuen. Die Alte würde es ihr schon beibringen: immer hinterher, immer hehen und jagen, immer suchen, wo noch Arbeit war, damit man nur ja nicht zur Ruhe fam, oder etwa zuviel freie Zeit hatte.
Na, sie hatte wirklich nicht zuviel davon gehabt in diesen sechs Wochen. Staum mal alle vierzehn Tage ihren Sonntag, von einer Ruhepause in der Woche gar nicht zu reden.se is Ja, die Alte verstand es wirklich!
gerade auf diesen letzten Tag! Heute wieder, all die Arbeit, die sie da Herausgesucht! Alles
" Damit die Neue alles fauber findet." Als ob überhaupt nicht alles sauber gewesen, so sauber wenigstens, daß es noch liegen bleiben konnte bis zum Sonnabend. Denn am Sonnabend mußte die Neue ja doch wieder„ ran". Nein gar nicht, damit die Neue alles sauber findet, nur damit sie nicht etwa zu früh wegkommt, und etwa noch eine Stunde für sich hat, bevor sie bei der nächsten Herrschaft anzieht. Das hatte sie natürlich geahnt, die Alte, daß sie gern erst noch zu der kranten Schwester gegangen wäre, und das war ja nicht nötig, bas konnte sie ja- vom nächsten Dienst aus, an ihrem ersten freien Sonntag thun.
Erst in vierzehn Tagen also!
Des Mädchens Hände ballten sich untvillfürlich. Sie warf einen zornigen Blick nach den Vorderräumen, aus denen das Lachen und Plaudern der Herrschaft in verworrenen Lauten heraustlang.
Ja, die saßen da drin und waren guter Dinge und dachten absolut nicht daran, wie schwer sie ihr das Leben machten. Nein, bewahre, sie sagten womöglich noch, sie hätte es ihnen schwer gemacht! Und sie hatte doch wirklich ihr bestes gethan. Hatte sie es nicht?
Sie hielt mit Bürsten inne und sah vor sich hin.
Sie war ein rechtliches Mädchen, das vor sich selbst bestehen wollte. Sie konnte es auch; ja sie hatte ihr bestes gethan, hatte geschafft und geradkert und nie widersprochen. Und wirklich, das letzte war manchmal schwer gewesen. Die„ Mie" hatte so eine Art, so eine nichtswürdige Art zu zanten und zu feifen, und alles nicht gut genug zu finden, daß es einem in den Fingern kribbeln konnte. Gott sei Dant! Nun war sie ja erlöst! Nur noch eine Stunde oder alvei, dann ging es fort.
Sie atmete auf und erhob sich. Na, nun war wenigstens die Kammer gemacht; nun noch einräumen, dann rasch das Spind auss waschen und dann noch das Gelbe putzen. Wenn sie sich' ranhielt, konnte sie doch um sieben fort, dann blieb immer noch eine Viertelstunde, um zu der franken Schwester hinaufzuspringen. Sie machte ich mit wahrer Hast an die Arbeit. Die Finger schafften aber doch nicht so schnell, wie die Gedanten; sie tani nur langsain vorwärts, und als sie endlich an das Gelbe ging, war es schon viertel sieben. Ihre Baden brannten in Fieberröte. Sie polierte und rieb an den Thüren so rasch sie konnte; endlich waren auch sie fertig.
Die Küche glänzte wie ein Schmuckasten. Marie reckte die Arme und sah befriedigt auf ihr Werk. So, nun mochte sie kommen, die
Dr. Werner: Das genügt nicht, Cöhnchen. Sie sind ja auch Neue! Num fand sie es fauber, aber wirklich sauber! Sie spülte die überzeugt, daß-
Töhnchen: Warten Sie nur, tommt fofort.
Er sieht wieder Schwiemler unverwandt an. Schwiemler nimmt ein andres Blatt Papier und schreibt ebenso schnell:
Wer jemals Gelegenheit hatte, fich im Kreise der jungen russischen Studenten zu belegen, der ist begeistert
von
diesem Geist hingebender Kameradschaft, von diesem heißen Bemühen, sich die Schätze der Wissenschaft zu erschließen, von diesem hochgespannten Idealismus, der bereit ist, in den Tod zu gehen, um dem russischen Vaterand bessere Zustände zu verfchaffen...
Dr. Werner: Das bringen wir natürlich wieder ins Abendblatt. Nr. 1 über, Nr. 2 unter dem Strich. Der Wunderſtrich schafft oberhalb Bülow, unterhalb dem Lederhändler Mandelstamm die Gemütsruhe wieder.
Schwiemler( wacht auf): liech...
Hände unter der Wasserleitung, trocknete fie und ging dann nach born:„ Ich bin jest fertig, gnädige Frau.'
Die Dame, die mit den Töchtern gemütlich am Kamin saß, fah pitiert auf: Jebt schon? Na, das ging ja rasch, da haben Sie wohl die eine Hälfte liegen lassen und die andre husch- husch gemacht?" " Nein, es ist alles ordentlich, gnädige Frau."
Nun, da werde ich erst einmal kommen und nachsehen. Ihnen stedt ja bloß das Fortkommen im Stopf." Die Dame erhob sich, nahm ihre Schleppe auf und rauschte an dem Mädchen vorüber nach der Küche.
Maries Hände ballten sich wieder. Wollte die Alte etwa wieder nörgeln, wollte sie noch etwas auszusetzen haben? Nein, das konnte sie doch nicht. Sie ging rasch im Geist noch einmal alle Ecken und Winkel durch, es war doch alles sauber. Die Alte entdeckte auch nichts. Sie nahm zivar ihr Stiellorgnon und ließ sich sogar in die Speises Tammer leuchten und fuhr mit dem Finger prüfend über jedes