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vom Herannahen des Generals Traubenberg mit einem regulären Corps, welches an 180 000 Baschfiren und Kirgisen, von Rache wegen Verwüstung ihres Gebietes erfüllt, freiwillig verstärkt hatten.

Traubenberg fam von Orst am Ural  , quer durch die Kirgisen­steppe, über Orenburg   heran; er konnte weit schneller vorwärts tommen, als ein mit all seiner Habe langfam dahinziehendes Volt. Abermals sollte der Zug eine größere Schnelligkeit annehmen, und wieder wurde alles ausgemerzt, was dieser Schnelligkeit hinder lich werden konnte. Greise, Frauen, Kinder, Kranke und müde Tiere wurden zurückgelassen. Fürchterlich waren die Augenblicke des Ab­schiedes. Mit herzzerreißendem Geschrei fanten die Aermsten, die man ihrem Schicksal überließ, am Wege zusammen. Der Zug ging weiter durch Eis und Schnee. Vier Monate waren nach dem Aus­zuge bereits vergangen, die Vorräte ziemlich aufgezehrt. Man hatte als Brennmaterial nur den Dünger von den Tieren. Die Kälte wirkte so entsetzlich, daß nach jedem Nachtlager Hunderte erstarrt oder erfroren auf ihren Lagerstätten gefunden wurden. Schon 200 000 Menschen waren unterwegs gestorben. Ubascha geriet in Verzweiflung beim Anblick des Elends und in der Aussicht auf das Nahen des unbarmherzigen Feindes. Er ließ alle noch übrigen Männer seines Volfes zusammentreten und bekannte, daß die Lage entsetzlich sei. Am Rande des Abgrundes fühle er sich verpflichtet, zur Umkehr zu raten; er selbst wolle sich als einzigen Veranlasser des Auszuges und Verführer angeben und den Russen ausliefern, um dem Kalmückenvolte Berzeihung zu erwirken. Als die gedrückten, durch lange Strapazen entnervten Männer ihn so reden hörten, faßte fie Bagen, und sie riefen seinem Vorschlage Beifall zu. Da aber trat der entschlossenere, tältere Zebeck auf.

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die Ceremonie nicht, sie wird vielmehr von allen Beteiligten mehr als ein Civilkontrakt angesehen, und die Anwesenheit eines Priesters erscheint selbst den frömmsten Verehrern Buddhas als gänzlich un nötig. Alle Vorbereitungen zu einer Hochzeit werden von den An­gehörigen beider Parteien unternommen, das Paar selbst wird dabei nicht gefragt. Den Hergang bei der Werbung und Hochzeit eines Japaners schildert eine englische Wochenschrift folgender Weise. Ist die Wahl getroffen, so befestigt er einen Zweig Süßflee am Haufe der Eltern der Erwählten und wariet die Entwicklung ab. Wird der Zweig vernachlässigt und läßt man ihn unbemerkt verwelten, so weiß er, daß seine Werbung nicht begünstigt wird; erscheint das Mädchen aber am nächsten Tage mit geschwärzten Zähnen, so weiß er, daß seine Liebe angenommen wird. Das junge Mädchen ist gewöhnlich sechzehn Jahre alt. Die der Hochzeit vorangehende Verlobungszeit ist nur von kurzer Dauer. Statt des ganz unbekannten Verlobungsringes schenkt der junge Mann seiner Verlobten eine reiche Schärpe aus farbiger Seide. Geschenke werden so verschwenderisch gegeben, daß, wenn die Zeit kommt, das Wirtschaften zu beginnen, das junge Paar seine Hilfs­quellen fast erschöpft findet. Die Braut erhält keine Mitgift, aber eine Aussteuer und die nötigen Haushaltmöbel. Statt Juwelen, die von den Japanerinnen nicht getragen werden, bekommt sie gestickte Seidenzeuge. An dem wichtigen Tage verbirgt die Braut ihr Gesicht fast völlig unter einer dicken Schicht Schminke und begiebt sich mit dem Bräutigam und allen Verwandten in das Bureau des,.kocho" oder Bürgermeisters der Stadt. Die wirkliche Feier beginnt abends. Das Hochzeitsfest ist mehr eine Dinergesellschaft; charakteristisch dafür ist das Wechseln der Kleider und das Trinken großer Mengen sake"( Reiswein). Wenn es dämmert, wird die Braut in einem Balankin in das Haus ihres Schwiegervaters gebracht; eine fleine Prozession mit bunten Papier­laternen begleitet sie. Die Verwandten sezen sich an das eine Ende des Hauptgemaches, die Freunde des Bräutigams sigen gegenüber. Die ganz in Weiß gekleidete Braut wird von zwei reich gekleideten jungen Mädchen ins Zimmer geführt. Der Bräutigam, der schon in der Mitte des Zimmers sitt, giebt kein Zeichen des Erkennens, sondern hält die Augen auf den Boden geheftet, während die Braut fich ihm gegenüberseßt. Dann wird ein Tisch vorgezogen und ein Die Versammelten wurden unschlüssig. Da erschienen zwei Steffel mit zwei Tüllen darauf gestellt, der mit heißem, saké" ge­russische Offiziere von der Armee Traubenbergs als Parlamentäre füllt ist. Ein mit Eßwaren beladener Tisch wird auch vor jede und forderten im Namen der Regierung unbedingte Unterwerfung. andre Person gestellt, und das Fest beginnt. Die beiden Mädchen, Dies gab den Ausschlag. Die Männer wußten nun, was sie von die die Braut in das Zimmer führten, reichen den Gästen Tassen mit der Kaiserin zu erwarten hatten, und folgten dem Vorwärtsruf ,, saké", die bis auf die Neige geleert werden müssen. Dann ziehen sich Bebecks. Braut und Bräutigam auf furze Zeit zurück, um sich umzukleiden. Nach ihrer Rückkehr füllen die Brautjungfern drei Tassen mit, sakė und reichen fie der Braut und ihren Schwiegereltern. Drei Tassen werden von dem Schwiegervater getrunken, der darauf das Gefäß der Braut reicht. Dann trinkt sie drei Tassen und erhält ein Ge schenk von ihm. Jetzt wird ein andrer Gang, gewöhnlich Reis oder Fisch, gebracht, und die Braut macht dieselbe Trinkceremonie mit der Schwiegermutter durch, worauf sie ein andres Geschenk erhält. Darauf wird eine dünne Suppe aufgetragen, und all: trinken drei weitere Tassen Wein. Nunmehr kommt das große Ereignis des Tages, das fast heilige saké"-Trinken des jungen Paares, das eine Art Hochzeitsceremonie zu bilden scheint. Die Brautjungfern bringen den Kessel mit zwei Tüllen und reichen ihn den Neuvermählten. Diese trinken abwechselnd daraus, bis sein In­halt erschöpft ist, gleichsam ein Symbol der Art, wie sie Freuden und Leiden teilen wollen. Damit ist die Ceremonie zu Ende. Braut, Bräutigam und Verwandte find in ihren Rollen sehr geübt; jeder weiß so genau, was von ihm erwartet wird, und thut es so mechanisch, daß der ganze Vorgang eintönig wirkt. Nach der Hoch­zeit lebt die Frau im Hause ihres Schwiegervaters, wenigstens der Regel nach die ersten Monate des Ehelebens.

Wie?" rief er. Wir sollten siebenhundert Stunden vergeblich zurückgelegt haben? Wir sollten diesen entsehlichen Weg, der mit den Leichen unsrer Brüder besät ist, noch einmal machen, um einer zweifelhaften Verzeihung willen? Was finden wir daheim, wenn wir wirklich wieder die Wolga erreichen? Trümmer und Elend! Unfre Hütten sind verbrannt, unsre Kleider zerrissen, unsce Herden vernichtet. Und glaubt Ihr denn, die Russen würden Euch jemals wieder trauen? Sie werden Euch ärger tyrannisieren als je. Darum verwärts! Vorwärts! Jm Osten geht die Sonne auf und vom Osten tommt uns die Freiheit!"

Traubenbergs Sendung war ein Schachzug; seine Soldaten waren durch forcierte Märsche so erschöpft, daß er ihnen eine ganze Woche Raft gönnen mußte. Dadurch erhielten die unglücklichen einen Vorsprung. Nur die rachedürstenden Baschkiren und Kirgisfen eilten auf ihren kleinen Rossen den Flüchtigen nach und töteten viele der Wehrlosen. Selbst die am Wege liegenden Verschmachtenden, Verwundeten und Sterbenden wurden unerbittlich erstochen und in Stücke gehauen.

Der rauhe Winter war im Juli einem brennenden Sommer ge­wichen. Alle Flüsse, Quellen und Lachen trockneten aus. Tagelang hatten die Wanderer keinen Tropfen Wasser. Hungernd und dürftend, ausgemergelt, gleich wandelnden Leichen, mußten sie sich noch gegen die blutgierigen Wüstenreiter verteidigen, die, gleich auf geregten Bienenschwärmen, sich ruhelos um sie bewegten.

Endlich im September, nach einem Marsche von fast neun Monaten, in welcher Zeit eine Entfernung zurückgelegt worden mar, die der von Petersburg   nach Cadir   gleichkommt, erreichte der Ueber­rest der Kalmücken die chinesische Grenze. Viele Tage lang hatten sie feinen gefunden Trunk gehabt, da zeigte sich am Ende einer un geheuren Ebene ein fleiner See. Gierig stürzten die Kalmücken an sein Ufer, liefen bis an den Leib ins Wasser und tranken sich satt, und während sie tranten, fielen noch einmal die Speerträger und Bogenschüßen über sie her und richteten ein furchtbares Blutbad unter ihnen an. Hunderte ließen sich während des Trinkens hinmorden der Durst war mächtiger, als die Liebe zum Leben.

Vielleicht würden an dieser Stelle nur wenige entkommen sein, wenn nicht zufällig der Kaiser von China, der stets ein auserlesenes Corps Kavallerie und einige Artillerie auf seinen Reifen mit sich führte, in dieser Gegend zur Jagd gewesen wäre. Seine Leibtruppen retteten die Bedrängten. Sie wurden mit großer Herzlichkeit auf­genommen und erhielten am Fluß Jli neue Wohnsize. Von 600 000 Ausgezogenen lebten nur noch 150 000.

Der Gefangene Wefeloff hatte mit Hilfe Ubafchas, nahe an der chinesischen Grenze, Gelegenheit gehabt, mit drei Kalmücken, die nach der Wolga   zurückkehren wollten, auf flinken Rossen zu ent­kommen. Die Fliehenden konnten den Rückweg nicht verfehlen, denn er war besät mit Leichen. Weseloff hatte eine alte Mutter zurück gelassen, die ihn längst für tot hielt. Als der Gerettete plötzlich lebend in ihr Gemach trat und mit einem Jubelschrei auf sie zu stürzte, tötete fie der freudige Schreck.

Kleines feuilleton.

J. Wiese.

k. Hochzeiten in Japan  . Eine japanische Hochzeit ist im wesent Echen eine geschäftliche Angelegenheit; ihre Feier zeichnet sich durch Abwesenheit jedes Gefühls aus. Auch einen religiösen Charakter hat

Theater.

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Deutsches Theater. Ora et labora". Ein friesisches Bild in drei Atten von Hermann Heijermans. Das Wunder des heiligen Antonius". Satirische Legende in zwei Aufzügen von Maeterlinc. In Heijermans   Hoffnung auf Segen" war der handlungsärmste, dritte Aft zugleich der stimmungsstärkste. Draußen heult und rüttelt ein nächtlicher Sturm, und die Fischerfrauen, eine nach der andern, huschen in das ärmliche Bimmer zu Daantjes Mutter, und, ängstlich zusammengekauert um den Tisch, erzählen sie von den Söhnen, den Brüdern, den Gatten. die um erbärmlichen Lohn jetzt draußen mit dem Element kämpfen und von denen, die längst das vorbestimmte Grab in den Fluten gefunden. In der quälenden Bangigkeit ist es ihnen Er­leichterung, den Klang andrer Stimmen zu hören. Und in dem Chorus dieser sich ablösenden Stimmen ertönt laut jammernd oder refigniert, abgeftumpft durch die Jahre, mit grauser Monotonie das Herz erschütternd, stets dieselbe Klage; alle individuellen Schicksale lösen sich auf und fließen zusammen zu einer großen, schaurigen Sinfonie des allgemeinen Elends.

So auch in Ora et labora"( ,, bet' und arbeit"'"), der neuen Dichtung Heijermans  ! Von einer Handlung mit einzelnen spannenden Momenten, wie sie Hoffnung auf Segen" immerhin noch enthielt, ist hier nicht mehr die Rede. Einem friesischen Kleinbauern stirbt die letzte Kuh und nebenherdavon wird faum gesprochen, denn fie tonnte schon lange nicht mehr mit schaffen und am Tisch der Armut eine lästige Zehrerin die alte Mutter, bleibt das Auf dem Kanal, der am Häuschen vorbeiführt,

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