" Ja, aber mein Kind wartet."

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" Das thut mir sehr leid, gnädige Frau, aber ich kann doch das meine nicht auf der Straße liegen lassen." Das Gesicht der Dame bewölfte sich ein wenig; fagte sie:

dann

,, Natürlich müssen Sie Ihr Kind erst unterbringen, und ich hoffe, Sie werden eine gute Unterkunft finden. Sagen Sie der Frau, der Sie es in Pflege geben, daß ich es alle drei Wochen zu sehen wünsche. Das wird nötig sein," fügte sie lelse hinzu, denn zwei sind schon gestorben."

Esther war ganz glücklich, die Stelle bekommen zu haben, und begann sofort darüber nachzudenken, wem sie wohl ihr Kind am besten anvertrauen könnte.

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freises aus über diese und jene Städte ginge, schließlich Polajewo bes rührte und bei der zwei Meilen entfernten Station den Anschluß an das andre Bahnnetz erreichte. Die Frage kam jetzt durch den neuen Landrat stärker in Fluß, es trat ein Komitee zusammen, der Abgeordnete wurde instruiert, die Petition beim Landtag eingereicht furz, alles gethan, was zu dem erwünschten Ziele führen konnte. Wilhelm Gundermann zudte höhnisch die Achseln, als er zuerst von dem Vorhaben erfuhr. Als die Bewegung Fortschritte machte, lachte er, aber er ballte die Faust dabei. Und als man ihn auf­forderte, die Petition zu unterzeichnen, zerriß er statt jeder Antwort den Bogen.

Es half ihm nichts. Was langsam vom Fled kommt, kommt schließlich doch auch zurecht. So geschah es mit der neuen Eisenbahn. Verschiedene Rittergutsbesitzer hatten sich verpflichtet, das nötige " Hier ist meine Karte," sagte die Dame; Mrs, Rivers, Land ohne Entschädigung herzugeben, die Einträglichkeit der Linie Curzon Street, Mayfair. Ich werde Sie also morgen nach- schien gesichert und eines Tages genehmigte der Landtag den Bau, mit dem gleich begonnen werden sollte. mittag bei mir erwarten; das heißt, wenn der Doktor Sie mit dem gleich begonnen werden sollte. empfiehlt. Hier haben Sie anderthalb Schilling für Ihre Droschke.

,, Danke, gnädige Frau."

" Ich werde Sie also um vier Uhr erwarten, aber kommen Sie ja nicht später, denn mein Kind wartet."

Als Mrs. Rivers fort war, begann Esther mit Mrs. Jones zu beraten. Zu wem sollte sie ihr Kind bringen? Es war jetzt zwei Uhr. Das Kind schlief fest und würde während der nächsten drei oder vier Stunden nichts verlangen. So legte denn Esther Hut und Mantel an und wollte sich sofort auf den Weg machen.

Die Glode am Omnibus schrie und gellte statt ihres sonstigen Bimmelns zu dieser Zeit durch die Straßen als wäre auch sie von Wut und Zorn ergriffen. Sie schrie morgens die Schläfer auf, sie flang hart und laut in das Mittagsmahl der Bewohner, sie erschreckte abends die Müden. Wilhelm Gundermann hatte erst getobt, dann heiser vor sich hin gesagt, daß kein Wort davon wahr sei. Als er endlich den Bericht im Kreisblatt fand, stürmte er zum Landrat, zum Bürgermeister, zu Herodes und Pilatus. Ob man denn einen alteingesessenen Bürger mit Gewalt ruinieren, ob man ihn durch die verfluchte Bahn an den Bettelstab bringen wolle? Jede Antwort fraß er in sich hinein; jede erhöhte seinen wilden gorn. Es schien, als wollten sie alle gegen ihn kämpfen, als wollten fie alle ihm einen Streich spielen und sich an ihm rächen. Alle Mrs. Jones gab ihr die Adresse einer anständigen Frau, gegen ihn! Aber er auch gegen alle! Drohend schwang er die welche häufig Kinder in Pflege nahm. Esther suchte sie auf, Beitsche. Noch war nicht aller Tage Abend, noch saß er auf seinem aber die Frau hatte eben Zwillinge in Pflege und weigerte sich, Omnibus! Er ward noch tüdischer, verbissener; das Moische noch ein drittes Kind anzunehmen. Noch mehr als einen ver- Rogers, hül" flang immer heiserer und zorniger; heftiger tnallte geblichen Versuch machte Esther. Endlich fam fie nach Wands- die Peitsche. Was ihn beinahe auffraß, war die Wut über seine Ohnmacht. worth und hier in eine kleine, armjelige Straße, vielmehr Sad- Nichts nichts tonnte er verhindern. Er mußte zusehen, wie die gaffe, hinein, mit nur vier Häuschen und einem Kohlen- Linie abgeſtedt wurde, wie Hunderte von Arbeitern mit dem Unter­schuppen darin. Vor dem Hause stand ein halb demolierter bau, den Erdarbeiten begannen, wie die Schwellen und Schienen hölzerner Zaun, der die paar Stufen, die in das Souterrain gelegt, gesichert, verbunden wurden. Das Wert wuchs langsam, aber hinabführten, umrahmte. Gegenüber sah man die Rückseite es wuchs. Wilhelm Gundermann sah es näherkommen wie etwas einiger Ställe. Es war ein windiger Tag, und die Laden der Unheimliches, wie ein Riesentier, das ihn verschlang, gegen das er Heuböden quietschten in ihren Angeln. Vor dem Hause Nr. 3 tämpfen und das er vernichten mußte, denn es raubte ihm alles. Es spielten drei winzige Kinder, ein viertes war in einem raubte ihm die Hoffnung des Reichtums, vor deren Erfüllung er sonst Stühlchen festgebunden. Auf Esthers Ruf erschien eine kleine, bald gestanden hätte; es vernichtete ihm die Arbeit seines Lebens. dicke Frau am Eingange der Küche. Eine schmutzige Schürze Er durfte nicht daran denken, sonst schwamm es ihm rot vor Augen, hing über ihren dicken Leib herab, und ihr fettes, braunes sonst kam das böse Blut allmählich über ihn. Hartnädig sagte er sich, daß im letzten Augenblick etwas geschehen würde, was die Gefahr ab­Hasar war hoch oben auf ihrem Kopfe zu einem nachlässigen wendete, daß er einen Ausweg finden, das Riefentier besiegen müsse. Knoten gewunden. Noch war ja Zeit... noch saß er ja auf seinem Omnibus... noch schaffte seine Goldgrube.

Was wünschen Sie?"

" Ich komme wegen eines Kindes, das ich in Pflege geben will; Sie sind doch Mrs. Spires?"

Ja, die bin ich; wer hat Sie zu mir geschickt?" Esther sagte es ihr, und Mrs. Spires bat sie, die paar Stufen hinab und in die Küche zu kommen.

Die Kinder, die Sie da oben spielen sehen, die habe ich nur tagüber in Pflege, während ihre Mütter ausgehen, um zu waschen und zu scheuern. Abends holen sie sie wieder ab. Dafür rechne ich nur vier Pence pro Tag. Aber dabei komme ich lange nicht auf meine Kosten, denn man hat den ganzen Tag über auf die Würmer aufzupassen. Wie alt ist Ihr Baby?"

Meines ist erst vier Wochen alt. Aber ich kann eine Stelle als Amme bekommen, wenn ich eine Unterkunft für ihn finde. Wollen Sie mein Baby in Pflege nehmen?" Was wollen Sie denn für ihn bezahlen?" " Fünf Schilling pro Woche."

"

" Bloß fünf Schilling, und als Amme werden Sie ein Pfund pro Woche bekommen; da können Sie für Ihr Kind mehr bezahlen."

Nein, ich bekomme mur fünfzehn Schilling die Woche." " Dann tönnen Sie immerhin sechs Schilling zahlen. Wissen Sie, die Verantwortung, die man mit so' nem Kinde hat, ist so schrecklich, daß ich's für weniger nicht übernehme." ( Fortsetzung folgt.)]

( Nachdruck verboten.)

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Die Bahn ging durch Felder und Wälder, dann zog sie sich den See entlang und überschritt an einer Stelle die Chauffee, um wieder im Walde zu verschwinden. Als die Dammaufschüttung hier an diesem Schnittpunkt begann, zitterte Wilhelm Gundermann am Und immer, wenn er an dieser Stelle vorüberkam,

ganzen Leibe.

peitschte er wild auf die Cule los und jagte dahin, als gelt' es Tod und Teufel einzuholen. Die Pferde wußten das schon und wurden unruhig, wenn sie sich der Stelle näherten; die Passagiere, die den Weg öfter machten und wie die Häringe aufeinandergeschüttelt wurden, merkten es auch bald.

Aber dem Damm wuchs und ward fertig, die Barrieren wurden herbeigeschafft, das Wächterhäuschen gebaut, und endlich kam auch die Nachricht, daß dieser Teil der Bahn am 1. Oktober eröffnet werden sollte.

thun würde, und freute sich insgeheim, daß er Gift und Galle ſpie. Die ganze Stadt wartete darauf, was Wilhelm Gundermann Kurz vor dem 1. Oktober löfte sich das Rätsel. Die meisten waren enttäuscht, sie hatten wunder was erwartet und lasen statt dessen im Kreisblatt eine Annonce, in der Wilhelm Gundermann ankündigte, daß er die Preise um die Hälfte herabsetze. Das Bahnbillet 3. Klaffe foftete sechzig Pfennig Wilhelm Gundermann wollte aber schon für fünfzig fahren. Also ein einfacher Konkurrenzkampf. Die Ein­sichtigen schüttelten die Köpfe: hatte der Mensch, der mit seinem Rumpelfasten der Bahn Abbruch thun wollte, denn noch seine gea funden fünf Sinne beisammen?

Man konnte die Frage wirflich aufwerfen. Haß und Wut hatter jede vernünftige Ueberlegung unmöglich gemacht. Und an dem Tage,

Gundermanns Glück und Ende. ingelte hell, höhnte und drohte.

( Schluß.)

Da geschah etivas in Polajewo, was viele schon hatten wachsen und näherkommen sehen, ohne es doch ganz so nahe zu glauben. Schon seit Jahren hieß es, daß im Laufe der Zeit endlich einmal eine Bahnlinie entstehen müsse, die von der Hauptstadt des Regierungs­

an dem die Lokomotive zum erstenmal pfiff, als blumenbekränzt der Zug zur Probefahrt abgelassen wurde, stürzte der Stallbursch schreiend auf die Straße: so tobte sein Herr. Der Rasende schlug alles turz und flein, bis er erschöpft niederfiel. Aber als seine übliche Stunde gekommen war, saß er auf dem Omnibus, fuhr durch die Straßen, Man lachte oder lächelte, die Straßen waren leer, da die halbe Stadt sich um den Bahnhof drängte. Diesmal hatten die Pferde leichtes Ziehen. Niemand, der den Rumpelkasten bestieg. So blieb es den zweiten, so den dritten Tag. Das Geficht des Fuhrmanns sah seltsam veriniffen aus; es fiel auf, daß er nicht mehr so laut war. Man schloß Wetten, wie lange er das finnwidrige Hin- und Herfahren noch durchführe, was er dann beginnen würde.