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Polizei? Was frag' ich nach der Polizei! Sie soll be­zahlen, was sie uns schuldet. Na, laß doch schon gut sein, Tom! Es ist ja nur' ne Kleinigkeit; laß sie gehen. Nun machen Sie mal, das Sie rauskommen," sagte sie zu Esther, mit so einer wie Sie wollen wir schon gar nichts zu thun haben."

hetot doch in Anfang heruterfunnen, id har' t an de Lebber; dor fann' n doch bi eten. Un wegen' n Reffmetismus in de Been tann ' n of eten. Wa tönnt Sei nu so wat verbeeden?"

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Hören Sie, Tietge, Sie fönnen einen toll machen mit Ihren Einwendungen; aber mit all Ihrer Widerhaarigkeit und Schlauheit tommen Sie bei mir doch nicht durch. Tietge traute fich in den Baristoppeln, kniff den Mund zus sammen und sagte:

" Jak möcht blot weeten, waför' t eegentlich de Dufters giwt. Min irfte Fru is mick ahn Dufter storten, bi min twee ölften Kinner har' d' n halt, un sei sünd of stormen, nu bün ick an de Reeg un mutt of in' t Gras bieten. Dor brut ick teen tau, dat kann'& ahn Dutter affmaten." Dottor Hinze biß sich auf die Lippen.

Mit einem ärgerlichen Ausruf ließ der Mann sie los, und Esther rannte wie besessen die Stufen hinauf und hinaus ins Freie. Aber die eben ausgestandene Angst tobte noch so start in ihr, daß der Anblick einiger Betrunkenen in einem Wirts­Hause in der Nähe sie von neuem in Furcht versezte. Und sie rannte schnell weiter. In der nächsten Straße war ein Droschkenstand, und um den Kutschern aus dem Wege zu gehen, ging fie nach der andern Seite der Straße hinüber. Ihr Herz flopfte zum Zerspringen; ihre Gedanken verwirrten sich, und fie ging und ging eine lange Weile, ohne auch nur zu wissen, wohin ihr Weg sie führte. Endlich fragte sie jemand, wo sie sei,' t balde tau eng in de Welt." und dabei fiel ihr wieder ein, daß sie gar nicht wußte, wohin fie eigentlich gehen sollte.

( Fortsetzung folgt.))

( Nachdruck verboten.)

Chielen Krifchans Wafferkur.

Eine Ostergeschichte aus der Lüneburger Heide von Erika Niedberg.

Mit dem Großbauern Tietge aus Rigstorf wollte es zum Sterben fommen. Seit bald vier Wochen lag er im Bett und schwur unter schwerem Aechzen und Stöhnen, es gehe zu Ende mit ihm, de Geschicht wör ut, keen Dukter un teen Afftheker kunnen mehr helpen."

Von Ungeduld und Schmerzen gefoltert, war er in der ent­sehlichsten Laune, die er vorzugsweise mit grimmigem Vergnügen an seinem Arzt ausließ, dessen Vorschriften er mit dem ganzen dem Bauern angeborenen Mißtrauen gegen Aerzte, Apotheker und Advokaten zu umgehen verstand.

Wenn hei doch nich helpen kann," sagte er, als er nach Tagen noch nicht hergestellt war, wenn' ck doch starwen mutt, denn well' d of de poor Dag noch lewen, as mick dat paẞt."

Die verschriebenen Rezepte ließ er zwar in der Apotheke an­fertigen; aber nachdem er einige Flaschen Medizin vorschriftsmäßig und gewissenhaft eingenommen, ohne sofortige Besserung zu spüren, goß er jetzt die Arznei, bestand sie in flüssiger Form, in weitem Bogen mitten in die Stube, und waren es Billen, so nahm er jede einzelne in den Mund und spuckte jede einzelne mit boshaftem Grinsen und anerkennenswertem Geschick zum offenen Fenster hinaus.

Die Bäuerin ging gedrückt umher, führte bei jeder Anrede den Schürzenzipfel an die Augen und erzählte unter Schluchzen:

Hei wör ümmer so' n forschen Kirl wäsen, de Dod künn öm affflut dat Hart noch nich affstöten. Aberst de Swulst wör all Dag flimmer, lang duern fünn' t nich miehr."

Und in dieser Ueberzeugung, welche eine baldige Allein­Herrschaft für sie in sich schloß, nahm sie sich der Wirtschaft mit solcher Energie an, daß dem Gesinde flar ward, die Genesung des Bauern bedeute einen vordem nicht geahnten Vorteil für sie.

Es war am Sonnabend vor dem Osterfest. Der Kranke hatte den ganzen Tag wieder zum Steinerweichen gestöhnt, geschimpft, jedem sich ihm Nahenden jedes seinem Arm Erreichbare an den Kopf geworfen und wieder mal seine einzige Zerstreuung darin gefunden, schnurstrads das Gegenteil von dem zu thun, was ihm vor­geschrieben war.

Da fuhr zur Erleichterung seiner geplagten Umgebung der Doktor auf den Hof. Er tam unerwartet und so rasch in das Krankenzimmer, daß es der Bäuerin nicht gelang, die Refte eines aus Speck , Sülze und Schnaps bestehenden Abendessens vorher beiseite zu bringen. Der erste Blick des Arztes fiel darauf.

Rot vor Untvillen trat er hart an das Bett und fragte ärgerlich: " Haben Sie dies hier gegessen? Trotz meines ausdrücklichen Verbotes?" Tietge wühlte den struppigen, grauen Kopf tiefer in das Kopf­tissen. Es sah aus, als frieche er vor Vergnügen ganz in fich zu­sammen. Liftig blinzelten seine schlauen, fleinen Augen zum Doktor auf.

" Schall' d mid up mien lehten Dag nich satt eten?" Natürlich sollen Sie das. Aber leichte, ganz leichte Kost. Nichts Fettes, nicht start Gesalzenes, sondern Milch, Eier, Bouillon und Haferschleim. Wie oft soll ich das wiederholen. Ich begreife nicht, Frau," wandte sich Doktor Hinze unwillig an die Bäuerin, wie Sie Ihrem Manne allen Vorschriften entgegen so nachgeben mögen. Wollen Sie mir durchaus nicht gehorchen, so werden Sie freilich bald von seinen letzten Tagen sprechen können."

Die Frau vergrub wieder schluchzend ihr Gesicht in der Schürze. Der Bauer faltete die Hände und sagte mit größter Gemütsruhe: " Lat dat Jaulen, Mudder, ick kann' t nich lieden. Un Sei, min Beste Herr, Sei seggt mic nu mol ornlich, wat mick fählen deiht. Sei

arten werden Sie die Aerzte nicht aus der Welt schaffen." Seien Sie vernünftig, Zietge, mit solchen spikfindigen Redens

Der Bauer freute sich unbändig über den Unmut des Arztes. " Nee, wohrhaftigen Gott nich," lachte er verächtlich, süß wör

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Ernstlich erzürnt begann der Doktor die Geduld zu verlieren. Genug jezt von diesen einfältigen Redereien, die ich Ihrem Krantsein zu gute halten will," sagte er furz. Sie haben mich gea fragt, was Ihnen fehlt; ich will es Ihnen nochmals auseinanders feben; befolgen Sie auch ferner meine Verordnungen nicht, so gebe ich jede Verantwortung auf. Die Folgen haben Sie dann zu tragen. Also, Sie sind seit langem leberkrant. Zu dem starken Rheumatismus, durch welchen Ihre Beine angeschwollen sind, ist augenblicklich noch die Gelbsucht getreten, und dieser Krankheit wegen habe ich Ihnen die strengen Vorschriften im Essen und Trinken gemacht. Lodkrant find Sie nicht. Ihre Genesung ist sogar sehr wahrscheinlich, wenn Sie befolgen, was Ihnen verordnet wird. Allerdings werden Sie Ihre Beine in einigen Wochen noch nicht wieder gebrauchen können." Tietge hatte den Arzt erst etwas betroffen über den kurzen, nachdrücklichen Ton angesehen, nun murrte er durch die zusammen gebissenen Zähne:

" De Been nich brufen? Denn fläut id wat up' t Bäterwarden. Denn lat Sei mid man taufräden mit' t Kurieren. Nee, nee, min gode Herr, as' n Stück Holt dauh' ck nich rümmerliggen in min Hus. Dat will' d Sei man seggen."

Er zog die blau und weiß gewürfelte Federdecke bis hoch an den Hals und drehte den Kopf nach der Wand.

Davon ist keine Rede, für immer, sondern nur für einige Zeit, die Sie in Geduld und vernünftigem Benehmen ertragen müssen. Haben Sie den Karlsbader Brunnen regelmäßig getrunken?"

Die Frage blieb vorerst ohne Antwort. Die Bäuerin machte sich verlegen mit den Bettkissen zu schaffen, und der Kranke that, als habe er nichts gehört. Erst auf wiederholte Aufforderung knurrte er: Dat oll Dreckfram helpt jo nich, wenn' t in dree Wochen nich hulpen hett. So veel Inseihn mött Sei doch hemen. Un ick will Sei man gliefs feggen, de lezt Medzin het ick of nich nahmen. De erst Buddel köst föfteihn Gröschens, föfteihn Läpels vull wören dorin, dat malt up jeden Läpel eenen Gröschen, un hulpen hett' t vör de Katt. Nu bin' d fardig mit düssen Dübelsdred."

Doktor Hinze nahm sich mit Gewalt zusammen, um nicht ein kräftiges Donnerwetter auf den eigensinnigen, alten Querkopf nieder­praffeln zu lassen. So leicht wird ein Kranker die Langmut des ge= wissenhaften Arztes nicht erschöpfen, bei diesem echten Heidebauern. aber schien thatsächlich jedes freundlich zuredende Wort übel an­gebracht.

Che er jedoch den Mund zu einer scharfen Entgegnung öffnen fonnte, faßte ihn die Frau begütigend am Rodärmel.

" Laten Sei öm nu man bitämen( gewähren), upstunds deiht hei mu doch nig nich. Ick well nahsten all tauseihn, dat hei ornlich indrintt." Der Doktor machte sich ärgerlich los.

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Na, hören Sie mall Wie man sich auf Sie verlassen kann, das habe ich geschen. Also kurz und gut, ich sage Ihnen jetzt mein letztes Wort: Entweder Sie thun, was ich anordne, oder ich komme nicht wieder." Och, dat deiht of nich nödig so balde. Von' t veele Lopen fam' d of nich up de Been. Wa de Dukter all Dag löppt, dor is meist Mathää an letzten." Der Doktor bezwang sich noch einmal. Ungerufen fomme ich also überhaupt nicht. Merken Sie sich das. Ich habe keine Lust, mich von Ihnen an der Nase heruma führen zu laffen. Er nahm seinen Hut vom Tisch und ging zur Thür. Tietge hatte sich fachte wieder nach der Zimmerſeite umgedreht. Seine Augen folgten dem Fortgehenden glibernd vor Schadenfreude. Die Frau stopfte ihm die Decke fester um die kranken Beine. " Nee du leiwe Tid, Vadder, wat schall' t denn gäten. Ins drinken must Du nu," sagte sie innerlich verängstigt. " Dat well' d. Gin mid mol furns( rasch)' n Lütjen up der Spoß."

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Die Frau schlug die Hände zusammen. Stah mid bi, id dörf' t jo nich. Nee, Vadder, Du bringst Dick reinhal fülwenst in' t Graw.

Wenn' d mid fülwest dorhen bring, denn warr' d woll hellscher god dor liggen. Hal de Köhm."

Sie wagte teinen Widerspruch, sondern holte seufzend die tümmelflasche. Der Krante goß befriedigt ein Glas voll hinunter und zeigte grinsend auf die Brunnenflaschen.