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in Lorbings Undine". Meistens geschieht es, daß ein auf der Bühne| Grammophon- Archiv- Konzert zu hören, ging leider in die Brüche, da gut wirkender Sänger einige dort unbemerkte Mängel der Stimm- die Veranstalter den Bezug der Billette in einer geradezu unverantbildung im Konzertgefange nicht mehr gut verhehlen kann. Bei wortlichen Weise erschwert hatten. Dagegen können wir noch einmal Dr. Pröll ist es eher umgekehrt; ein Zeichen seiner vorzüglichen, auf jenen Madrigal- Chor zurückkommen und seine Leistungen gerades ficheren und reichlichen gesangstechnischen Schulung. Erwähnen wir, zu als musterhaft hinstellen. Von der hiesigen Madrigal- Verdaß seine Töne in der Tiefe nicht an seine hohen Töne mit ihrem einigung Mengeweins unterscheidet er sich dadurch, daß er eben ein strahlenden Glanze heranreichen, ferner daß die Vokalisierung bei Chor( von 48 Herren und Damen) ist, während jener mir aus helleren Vokalen manchmal nicht so trefflich ist, wie bei den dunkleren, weniger als einem Duhend Solisten besteht. Diese 48 Leute stimmlich und endlich, daß der Sänger eine Neigung zum Dehnen besigt, so und im Vortrage so gut geschult zu haben, daß man wirklich von haben wir uns das Minimum weggeschrieben, das hier etwa noch der Vollendetheit sprechen kann, scheint noch ein eignes Verdienst des Kritik einen Spielraum geben kann. Im übrigen muß man schlecht- Dirigenten zu sein. meg sagen, daß dieser Sänger einer unsrer allerersten und allerechtesten Künstler ist. Draußen in der Welt, d. h. dort, wo Berlin nicht mehr überall hinreicht, ist Dr. Pröll längst weit berühmt, namentlich als Hans Sachs und in andren Wagner- Partien. In der andersartigen Rolle des Kühleborn konnte man doch bereits nach wenigen Augenblicken merken, daß man es hier mit einem specifischen Wagnerfänger zu thun hat: schon die lebendige Ausgestaltung der einzelnen Tonfolgen, und vor allem die warme Vornehmheit seines Singens und Spielens, die alles Aeußerliche und Gröbliche vermeidet, betveisen es. Mit diesen Eigenschaften ausgestattet, würde er für Berlin eine so günstige Erwerbung sein, daß man ihm seiner Kunst halber fast wünschen möchte, nicht ein Berliner zu werden. Daß unser Publikum mit ihm nicht mehr als mit so und so vielen andren machte, ist für uns nur eine Fortsetzung der Erkenntnis vom Schicksal bedeutender Erscheinungen in Berlin .
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Kleines feuilleton.
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er
wenn man sie
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sm. Breßsünden und Preßfreiheit. Herr Ruhstrat, der immer noch oldenburgischer Minister ist, hat das Rühmchen, das er sich in den Prozessen gegen den Redakteur Biermann und durch sein Ver halten gegenüber der, bittflehend zu ihm gekommenen Frau dieses Mannes gepflückt hatte, seiner Zeit noch durch den klassischen Ausspruch gemehrt, er kenne keine Preßvergehen" und nach seiner Meinung müßten Beleidigungen durch die Presse härter bestraft werden als andre Beleidigungen. Zu seinem großen Glück scheinen auch die Richter in Oldenburg dieser Ansicht zu sein, denn sonst wäre der Minister wohl nicht mit ganzen hundert nachdem Mark Geldstrafe davongekommen, Während wir es hier mit einem zum erstenmal gehörten Gaste Biermann zugerufen hatte, ihr Mann sei ein Lump und müsse der Frau zu thun hatten, ist der Tenorist Nikolaus Rothmühl ein im Theater des Westens längst bekannter Gast. Mit ihm wurde eine mindestens ein Jahr Gefängnis haben. Man sollte aber annehmen, Neueinstudierung eines Werkes gemacht, das die größte politische einem obersten Hüter der Gerechtigkeitspflege sogar in Oldenburg Rolle gespielt hat, die wohl jemals einem Musikwerk beschieden war: aller civilisierten Länder den Begriff des Preßvergehens aufgenommen wäre nicht unbekannt geblieben, daß nicht nur die Strafgesetzbücher " Die Stumme von Portici " des französischen Opernkomponisten haben, sondern daß dieser Begriff auch eine lange und höchst interAuber. Es ist kaum glaublich, was man damals, ums Jahr 1830, essante geschichtliche Entwickelung befizt. Sie beginnt mindestens mit diesem politischen und musikalischen Revolutionswert alles ans mit dem Augenblid der Erfindung der Buchdruckerkunst und zielt, gefangen hat. Geblieben ist für heute der eminent dramatische Zug wenn nicht alle Zeichen täuschen, auf einen Zustand ab, der den des Ganzen, zu dem freilich die eigentümliche Rolle einer Stummen Worten des oldenburgischen Ministers entspricht, gehört einer Stummen allerdings nur bofal, nicht instrumental, Worten des oldenburgischen Ministers entspricht, da das Orchester die Mimik dieser Figur reich und anschaulich illu- nämlich etwas anders auslegt als er es möchte! striert. In der Darstellung dieser Rolle hat Frau PraschGrebenberg sehr Interessantes geleistet, wenn man sich auch die Sache mehr intim durchgeführt denken möchte. Im übrigen haben wir an jenen drei Abenden, wie schon angedeutet, namentlich von den Sängern recht verschiedenartige Eindrücke bekommen. Einige von ihnen könnten ohne weiteres wegbleiben; so jener Zenor, der im „ Lazarus " und in der Stummen" sang, und die Koloratursopranistin, die in beiden Opern aufgetreten war. Von den übrigen find manche bereits gut bekannt und bedürfen keiner nochmaligen Nennung; doch seien der Baß Lorenz Corvinus und die Darstellerin der Undine, Jenny Fischer, mit besonderer Rühmung genannt. Während man sonst meistens die tiefen Männerstimmen in der Aussprache beffer versteht als die hohen Frauenstimmen, war Fräulein Fischer diesmal besser zu verstehen als der Baz Cornelius Bard, der ja nicht übel war, aber speciell als Baß doch nicht zureichte. Zwei weitere Tenore, Eugen Dehnhoff, der wenigstens über einige sinnlich hübsche Töne verfügt, und Georg Conrad, haben uns aus der Tenornot ebenfalls nicht erlöst. Ihnen gegenüber hat sich Herr Josef Pohl als Tenorbuffo in der„ Undine" troh seiner etwas rohen Stimme und seines etwas einfachen Spieles relativ als tüchtig bewährt. Mit besonderer Ehre sei noch der Baß Adolf Ziegler genannt, der das Gastspiel Dr. Pröll rettete, indem er trotz Heiserkeit seine Rolle recht gut durchführte abgesehen allerdings von den Läppereien seines Spieles. Ebenfalls eine besondere Ehre gebührt der Leitung des Theaters wenigstens indirekt gegenüber der des alten Opernhauses, die nun wiederum zu glauben scheint, mit dem Ankündigen von solchen Neueinstudierungen wie des" Barbiers von Sevilla" und ähnlicher Repertoirhauer ihren Aufgaben gerecht zu werden. Die Dirigierung Pfibners ist für das Theater des Westens ein um so größerer Segen, als da anscheinend etwas nachlässig studiert trird. Insbesondere der Chor würde ein schärferes Einpaufen ver
dienen.
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Als in den Zeiten der Renaissance überall in den Ländern des westlichen Europas die kleinen Druckerpressen aufgestellt wurden, Armbrüste, mit denen die Gelehrten und Politiker ihre weithin treffenden Pfeile abschossen, da wappneten sich alle Fürsten mit Gesezen gegen die schwarze Kunst. Unter der Regierung der zur Freude französischen Könige Franz I. und Heinrich II. wurde jeder mit dem Tode bestraft, gewiß aller damaligen Ruhstrats Universität, verbreitete. Genfer Kolporteure, die calvinistische Gebetder eine Druckschrift ohne Genehmigung der Sorbonne, der Pariser bücher im Lande feilboten, hing man an den Galgen, und das schreckliche Ende des unvorsichtigen Poeten Durant( 1618) zeigt, wie man damals„ Preßvergehen" ahndete. Noch im Jahre 1694, unter Ludwig XIV. , wurden die beiden Pariser Buchdrucker Rambaud und Larcher zum Tode am Galgen geführt, weil sie eine kleine dadurch angeblich beleidigt hatten. Und wie in Frankreich , so war's Flugschrift( Der Schatten Scarons") veröffentlicht und den König in allen andern Ländern, ist's heute noch in der Türkei . Aber eines müssen sich die Ruhstrate merken: der Galgen hat weder dem Bordringen der Reformation ein Ende machen können, noch hat er dem Sonnenfönig ein friedsames Ende gesichert. Das Wort und der Gedanke waren allezeit stärker als die Gewaltmittel der Herrschenden.
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um den Kampf gegen die„ berechtigte" Preßfreiheit, sondern nur um " Ja aber," so wendet man ein, es handelt sich auch gar nicht bie Unterdrüdung der Preßsünden, der Preßfrechheit; dazu haben wir's denn doch zu weit gebracht, dazu sind wir viel zu gebildet und aufgeklärt, daß wir das Princip der Preßfreiheit antasten laffen möchten. Schon der alte Friz hat ja gesagt, man solle die Basquille niedriger hängen auf dem Standpunkte stehen wir natürlich auch, aber die Verwilderung dürfen wir doch nicht überhand nehmen laffen, die Freiheit muß sich in vernünftigen Grenzen halten usw." Jedesmal, wenn ich dergleichen philiströse Redensarten höre( und man kann sie in der Presse wie im Parlamente, in der Kaschemme wie im Litteratencafé vernehmen), dann fällt mir eine töfiliche Kleine Geschichte von Anatole France , dem hervorragenden franzöfifchen Publizisten ein, die er in den Tagen des ärgsten Dreyfus Rummels schrieb und später mit andren zusammen auch als Broschüre herausgab. Er schildert uns darin zwei innig befreundete Männer, die politisch auf gerade entgegengesetzten Punkten standen: der eine war Dreyfusist, der andre Nationalist. Eines Abends kommt der Nationalist zu seinem Freunde mit einem Zeitungsblatt in der Tasche, das einen wüsten Schmähartifel gegen diesen enthält: da war die Rede vom„ dreckigen deutschen Judenjungen", vom„ Vaterdenen die nationalistischen Zeitungsschreiber ihre Gegner zu jener Beit zu bombardieren pflegten. Ueberzeugt von der Ungerechtigkeit und Ünrichtigkeit der Anwürfe und abgestoßen durch die Roheit der Ausdrücke, rät der Nationalist selbst seinem Freunde, in diesem Falle ein Erempel zu statuieren und den Journalisten vor den Strafrichter zu ziehen. Aber der Angepöbelte lehnt diesen Vorschlag ab und motiviert sein Verhalten mit folgenden Gründen:
Wahrhaft prächtige Chorleistungen hörten wir am Ostermontag in dem Konzert des Kopenhagener Madrigal- Chores. Es handelt sich hier zunächst um einen der vielen sogenannten Cäcilienvereine für Klassische Kirchenmustt, wie sie seit längerem besonders in Rom , London und Regensburg bestehen. In Kopen hagen wurde ein solcher anno 1851 von dem dänischen Komponisten Henrik Rung gegründet. Aus ihm hat sich unter dem Sohne Frederik Rung eine Art Sonderchor gebildet, der insbesondere den altitalienischen und altdeutschen a- capella- Gesang pflegen will und dazu begreiflicherweise mancherlei dänische Lieder hinzufügt. Die landsverräter" und wie sonst die Liebenswürdigkeiten hießen, mit Hauptsache sind für ihn allerdings die firchlichen und weltlichen Kunstgefänge aus dem 16. und 17. Jahrhundert: also von Palestrina , von dessen Nachfolger Anerio , von Gastoldi , von Leoni, und von vielen andren Italienern, zu denen dann die etwas mehr biederen Deutschen , wie Haßler, kommen. Von all diesen kann unsre Musikforschung noch viel zu thun finden. Was liegt da nicht alles in den Bibliotheken an Ungedrucktem! Ueber die jetzt geschehenen Fort schritte in der Frage nach den Beständen der Musiflitteratur finden wir heute nicht mehr den Raum, uns so auszusprechen, wie es gebühren würde. Und unsre Erwartung, das neulich erwähnte
Eine Beleidigung tann gemein, fann aber auch edel sein, das hängt ganz von dem Wert des Beleidigten und des Beleidigers ab, nicht vom Gesetze. Die Freiheit ist nur dann wirksam, gut und