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wundervolle warme Tage in zauberhafter Schnelligkeit einen ge- Diese Leute können alle radieren", etwas komisch. Denn tönnten waltigen Umschwung vollbracht und die Verzögerung nicht nur ein- sie das nicht, so wären sie ja nicht in dieser Ausstellung, die der geholt, sondern bei weitem überholt. englischen Radierkunst gewidmet ist. Und gar so selten ist doch diese Seunst nicht, daß schon das bloße Handhaben des Technischen Staunen abnötigt. Auf diesem Wege erreicht es dann Hans W. Singer , der französischen und deutschen Radierung eine kleinen Fußtritt zu geben. Der Mangel der Engländer wird Vorzug, und mit ver stärktem Stimmenaufwand singt Singer feir: Schlußlied, das lobend dieser einzigen Veranstaltung des Dresdener Kunstgeschäfts gift. Vergnügt rafselt die Reklametrommel in Worten, die vielleicht in einer Kleinstadt Eindruck machen. Hier sagt man: stehen diese Künstler wirklich so hoch, wie sollten sie dieses Herolds bedürfen, der ihre Sache so wenig künstlerisch führt? Und der Eindruck des Ges schäftsmäßigen verstärkt sich.

In einen ungeheuren, grünen, zarten Schleier haben die Aeste und Wipfel des Laubwaldes sich getaucht. Nicht mehr so frei wie bisher strahlt die Sonne auf den Boden; sie hat auf ihrem Wege Milliarden junger Blätter zur vollen Größe heranzureifen und in dem Reste der Strahlen sonnen sich ungezählte weiße und gelbe Blütenkelche der weißen und gelben Anemonen, des Sauerklees und andrer Frühblumen, die zwischer den jungen, frischen Sprossen der Heidelbeer- Zwergsträucher jetzt einen bunten Teppich über den Wald­boden weben. Weißbuchen und Birken haben unter dem jungen Laube, das noch viele Falten zeigt, ihre Kätzchen zum Blühen ge­bracht und nur die Spätaufsteher Buche und Eiche zögern noch. Von einem Kranze leuchtend gelber Dotterblumen ist der Wald­weiher umringt; faum ein stehendes Gewässer, das jetzt nicht den gleichen Schmuck zeigt. Die fleinen, grünen Scheibchen der Wasser­linse sind aus dem Grunde heraufgekommen und beginnen bereits wieder eine schwankende, dichte Matte über den Wasserspiegel zu weben. Langbeinige Wassertreter Huschen stoßweise darüber hin, Taumeltäfer ziehen ihre verworrenen Kreise auf dem Wasser, und ab und zu plumpst ein aufgescheuchter Frosch flatschend in das feuchte Element. Nach kurzer Zeit rudert er mit hochgehobenem Kopfe wieder heran, um sich von neuem ein Plätzchen an der Sonne" zu suchen. Aber es wird ihm heute schwer gemacht. Denn eben haben wir un­versehens eine zierliche Ringelnatter aufgescheucht, deren Anblick den Frosch entsetzt wieder ins Wasser jagt. Nur die Furcht der Schlange vor dem Herrn der Schöpfung rettet ihn. Mit langen Windungen, den Kopf leicht über den Wasserspiegel gehoben, sucht sie das andre Ufer des Grabens zu gewinnen, um hier rasch im nächsten Loch zu verschwinden.

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Und weiter regen sich ungezählte Knospen, aber mit dem Schwinder des Winters ist auch der Kampf ums Dasein von neuem aus dem Winterschlaf erwacht. Billionen von Lebewesen, die sich entfalten, um sich zu bekriegen!

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Die Sammlung englischer Radierkunst, die sehr reichhaltig und beinahe vollständig ist, bietet in der Gesamtheit das Bild respektabler technischer Höhe. Diese Künstler lernten in aller Ruhe, unbeengt von eignem, innerem Drängen, was es von den Vergangenheiten technisch zu lernen gab. Aber viel mehr als dies sieht man nicht. Es ist eine feine Auslese künstlerisch bildender Faktoren, aber das Eigne, Rassige zeigt sich nur in dieser fein auswählenden Note des Geschmacks. Wo diese Künstler geschmackvoll benutzen, suchen wir seelische Tiefen zu ergründen. Das eine mag dem andern gleich stehen. Primärer er= scheint mir unsre Art und auch fruchtbarer. Auch wir lernten; das beweisen unsre Schwarz- Weiß- Ausstellungen der Secession, und wenn man manchen Modeschund, der dort mitging, in Abzug bringt, so blieb immer noch ein Niveau, das nicht zu verachten war. Und gegen die Fülle der Versuche bei uns erscheinen dieſe Engländer wohl ruhiger, fachlicher, vornehmer, aber auch blutleerer. Diese Reife ist für sie Vorteil, zugleich aber auch Nachteil.

Allerdings tritt diese Kultur nicht so vorherrschend uns ent­gegen, daß sie aufdringlich wirken fönnte. Sie hält sich zurück. Diese Reife bändigt sich. Doch scheint Bändigung hier zu viel gesagt. Bei solchen künstlerischen Fragen stellt sich oft heraus, daß der am iveitesten marschiert, der am wenigsten an eigner Fülle trägt, voraus­gesezt, daß er künstlerischen Intellekt hat. So ist bei vielen der Eine Goethe- Anekdote. Eine noch wenig bekannte, ergöz- fommen, als andre, die suchen und alles Mögliche wollen. Wer nichts Mangel an eignem, innerem Drängen ein Mittel, um weiter zu liche Episode aus Goethes Leben, die erste Begegnung des Dichters will, erreicht mit der Beherrschung des Technischen leicht mehr. Nie mit Tieck, wird in der Straßburger Post" wie folgt geschildert: Tieck werden diese Künstler zu sehr persönlich. Sie stehen eben dieser hatte schon verschiedenes veröffentlicht und selber mehrere seiner persönlichen Kunst der Radiernadel zu ferne. So begnügen sie sich Schriften Goethe zugesandt. Er konnte also annehmen, kein Un- mit der Technik, und das Resultat ist ein respektables Niveau. So bekannter für ihn zu sein, und erlaubte sich deshalb, als er eines wie man sich den Engländer vorstellt! Tüchtig handhabt er die Technik. Tages in Weimar war, Goethe ohne weitere Empfehlung einfach in Aber Eignes? Das eintönige, gleichmäßige Niveau frappiert als feiner Wohnung aufzusuchen. Ob Goethe gerade schlechter Laune war Ganzes. Im einzelnen suchen wir vergeblich die Charaktere. Denn oder sich im Augenblick des Namens Tied nicht erinnerte, läßt sich nicht nirgends sind solche Stücke zu sehen, die Offenbarung wären für eine feststellen. Thatsache aber ist, daß er dem den Besuch anmeldenden Diener den Auftrag erteilte, den fremden Herrn abzuweisen. seelische Tiefe. Nur Handhabung, Geschmack. Er besann sich jedoch sofort eines andren, rief den Diener zurück und trat einen bewußten Vorteil machen wollen, wäre zu weit gegangen. Auch Dies befriedigt also im ganzen als Endresultat. Aber daraus selbst in das Vorzimmer." Sie wünschen mich zu sehen?" fragte er die deutschen Radierer sind keine Banaufen. Und England kann uns den sich ehrerbietig vor ihm Verneigenden. Gewiß, Herr Geheimer Rat," antwortete Tied." Nun, so sehen Sie mich," sagte Goethe , präsentiert sich in seiner Eigenart in seiner Kunst und seinen wohl interessieren, doch kann es uns wenig sagen. Jedes Volk re­indem er sich langsom und majestätisch um seine Achse zu drehen Künstlern in seiner Weise. Und wenn bei den Engländern mehr begann. Haben Sie mich gesehen?" fragte er, als er seine Drehung Uebereinstimmung und Gleichheit des Niveaus und Eleganz herrschen, beendet hatte. Ungiveifelhaft," antwortete Tieck , der sich von seiner so mag das sein und sie mögen es haben. Niemand wird das ab­anfänglichen Verblüffung bereits wieder erholt hatte." Nun, so streiten. Dafür haben wir ein andres. Wir besiken in unsrer Viel­können Sie wieder gehen," sagte der Olympier, indem er sich selbstfältigkeit, die vielen Möglichkeiten nachstrebt, ein andres, das uns würdevoll umivandte, um in sein Zimmer zurückzukehren. Noch einen Augenblick, Herr Geheimer Rat, wenn ich bitten darf?" rief wieder niemand abstreiten kann. Und mir scheint das fruchtbarer Tieck ihm nach. Was wünschen Sie noch?" fragte Goethe unwillig. zu sein. Nur eine Kleinigkeit," antwortete Tieck , indem er mit der Hand in die Tasche fuhr. Was kostet die Besichtigung?" Die Antwort auf diese famose Frage war die Einladung an Tied, zu bleiben und ein Freundschaftsverhältnis, das auch dann noch fortdauerte, als Goethe von der romantischen Schule nichts sonderliches mehr wissen wollte.

Kunst.

e. s. Ausstellung im Künstlerhause. Die Kunst­Handlung Ernst Arnold in Dresden veranstaltet eine Ausstellung Englischer Radierungen im Künstler­Hause. Es sind ungefähr vierhundert Blätter. Und in dem etwas gequält und geschraubt flingenden Vorwort des Kataloges, das Hans W. Singer schrieb und das leider ein wenig zu sehr den geschäftsmäßig routinierten Standpunkt hervorkehrt, wird nachdrücklich versichert, wie eigenartig und wertvoll eine solche noch nie dagewesene Ausstellung ist. Ohne Motivierung wird eine folche Schwarz- Weiß- Ausstellung als höchst neu hingestellt und gegen die dekorative Ausgestaltung einer Ausstellung, wie sie sonst üblich ist, Front gemacht. Beides ist in dieser Uebertreibung sinnlos. Gerade von Dresden ging die neue Art, alle Künste einheitlich zu einem Milieu zusammenwirken zu lassen, aus und reformierte das Aus­stellungswesen. Andrerseits wird jeder einer Schwarz- Weiß­Ausstellung eine besondere Stellung einräumen. Wir haben solche schon seit einigen Jahren in den Frühjahrsausstellungen der Secession, und es braucht nicht die Trommel dafür gerührt zu werden, da sie fich als sehr beliebt bald auswies und sich regsten Besuches erfreute. So wirkt diese gewollte Unkenntnis, die für diesen einen Fall fünst­lich benutzt wird, etwas kindlich und unreif. Hans W. Singer hätte andre, sachlichere Worte finden oder diese Worte unterlassen müssen. So wirkt auch fernerhin sein Erstaunen, das er in die Worte faßt: Verantwortl. Redakteur: Paul Büttner , Berlin.- Druck und Verlag:

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Notizen.

Eine der ersten Novitäten des Lessing Theaters . unter Brahms Direktion, wird Frank Wedekind's neuestes Werk, Hiballa" sein.-

- Der Prügeljunge", ein Einafter von Hans L'Arronge, ist von Dr. Bickel für das neue Lustspielhaus angenommen worden.

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Die Aufführung der Sophokleischen Elektra" durch den Akademisch- litterarischen Verein, die am Sonnabend statt­finden sollte, ist verschoben worden. Sarah Bernhardt hat von 1867 bis 1892 sechseinhalb Millionen Franks verdient.

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bildet.

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In Wien hat sich eine Brahms- Gesellschaft ge

Zwei neue Alpengärten will die Naturforschende Gesell­schaft in der Schweiz anlegen. Der eine Garten soll auf Rigi Scheided, 900-2000 Meter über dem Meere, der andre auf dem Pilatus , über 2000 Meter, Höhe eingerichtet werden. Man will damit Sammlungen für das Studium der Alpenflora anlegen, die für den Botaniker das bedeuten, was die biologischen Stationen für den Zoologen oder für den Meerforscher sind. Weiter sollen die Alpengärten die Aufgabe haben, für die Erhaltung stark verfolgter Alpenflanzenarten zu sorgen. Die Anlagekosten für den ersten Garten betragen 10 000 r.; sie sollen durch Sammlungen auf gebracht werden.

Vorwärts Buchdruckerei u.Verlagsanstalt Paul Singer& Co., Berlin SW.